VS Karl-Löwe-Gasse 20
48° 10' 41.27" N, 16° 20' 25.15" E zur Karte im Wien Kulturgut
Die Volksschule Karl-Löwe-Gasse 20 ist eine öffentliche Volksschule im 12. Wiener Gemeindebezirk, Meidling. Im gleichen Gebäudekomplex befindet sich die VS Deckergasse 1.
Schulanfänge
Im Jahr 1908 wurde das Detailprojekt für einen Schulbau für die Einrichtung einer Doppelvolksschule und Doppelbürgerschule genehmigt, dessen Bau im Jahr 1909 in Angriff genommen wurde. Die beiden Schulen sollten auf einer rund 3.700 Quadratmeter großen Liegenschaft entlang der Längenfeldgasse neben der rund 9.300 Quadratmeter großen öffentlichen Gartenanlage, welche heute als Wilhelmsdorfer Park bekannt ist, ihren Platz finden. Der Baukosten betrugen rund 570.000 Kronen. Das Schulgebäude wurde noch in demselben Jahr fertiggestellt, sodass es für das Schuljahr 1909/1910 in Benützung genommen werden konnte.
Im südlichen Teil des Gebäudes war die Knabenschule (Volks- und Bürgerklassen) untergebracht. Ihr Eingang lag in der damaligen Neuwallgasse 26, deren Name sich mit der Straßennamensänderung im Jahr 1938 in Karl-Löwe-Gasse 20 änderte. Im nördlichen Teil des Gebäudes befand sich Mädchenschule (Volks- und Bürgerklassen) und der Eingang lag in der Deckergasse 1. Am 1. Oktober 1909 konnte die Schule eröffnet werden und am 4. Dezember 1909 um 10 Uhr vormittags fand die feierliche Einweihung der städtischen Doppelvolks- und Bürgerschule statt, welche Erwähnung in der Schulchronik der Knabenvolksschule VS Migazziplatz 8 fand.[1]
Im ersten Schuljahr 1909/1910 leitete Ferdinand Schenner als Direktor beziehungsweise Oberlehrer die Agenden der Knabenbürgerschule und -volksschule Neuwallgasse 26. Die Bürgerschule wurde von neun Klassen mit 413 Schülerinnen besucht. Davon waren 396 römisch-katholisch, acht protestantisch, sieben jüdisch und zwei Schulkinder gaben an, konfessionslos zu sein. Die Knabenvolksschule wurde hingegen fünf Klassen mit 295 Knaben besucht. Neben der römisch-katholischen Mehrheit gab es zehn protestantische und zwei jüdische Schüler. An der Schule gab es außerdem eine fachliche Fortbildungsschule für Kleidermacher des Fortbildungsschulrates. Diese fachliche Fortbildungsschule für Kleidermacher benützte zehn Lehrzimmer, zwei Zeichensäle, einen Physiksaal sowie zwei Modellzimmer.
Schulausstattung
Das Schulhaus enthielt einen dreistöckigen Haupt- und einen einstöckigen Turnsaaltrakt, 24 Lehrzimmer, drei Zeichensäle, zwei Physiksäle mit Laboratorium, zwei Turnsäle, zwei Kanzleien mit anstoßendem Bibliotheksraum, zwei Konferenzzimmer, acht Lehrmittelräume, zwei Schulwartwohnungen sowie ein Ausspeiseraum mit Schulküche. Das Schulgebäude erhielt Eisenbetondecken, um die Deckenbeschüttung zu vermeiden, für welche ein sanitär einwandfreies Material nur schwer zu erhalten war. In den Gängen wurden Garderobekästen aus Drahtgeflecht angebracht, während in den Lehrzimmern Kleiderhakenbretter angebracht wurden. Das Schulgebäude erhielt elektrisch betriebene Ventilations- und Luftfiltrieranlagen sowie Staubsaugeanlagen.
1911: Nur noch Bürgerschule
Mit Beginn des Schuljahres 1911/1912 schien nur noch die Knabenbürgerschule in der Neuwallgasse 26 auf, nicht aber die Knabenvolkschule. Der Schluss liegt nahe, dass die Knabenvolkschule – parallel zur Vereinigung der Mädchenvolksschule Deckergasse 1 mit der Mädchenvolksschule Johann-Hoffmann-Platz 20 ein Jahr später 1912/1913 – mit der Knabenvolksschule Johann-Hoffmann-Platz 19 vereinigt wurde. So existierte ab dem Schuljahr 1911/1913 nur noch die Knabenbürgerschule in der Neuwallgasse 26, die ab diesem Zeitpunkt elf Klassen mit 521 Schülern führte.
Erster Weltkrieg
Unmittelbar nach dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges musste die Knabenbürgerschule in den Räumlichkeiten der benachbarten Mädchenbürgerschule Deckergasse 1 unterkommen, da das eigene Schulgebäude (sämtliche zwölf Klassenzimmer, zwei Zeichensäle, der Turnsaal und Ankleidezimmer, die Kanzlei, das Lehrmittelzimmer und das Konferenzzimmer) vom Militär belegt wurden. Im Schuljahr 1914/1914 wurde die fachliche Fortbildungsschule sistiert, ab dem Schuljahr 1915/1916 wurde die Fortbildungsschule für Kleidermacher vom Fortbildungsschulrat Wien wieder als existent angegeben. Die Zahl der Schüler blieb während der vier Kriegsjahre relativ konstant:
- 1914/1915: zwölf Klassen mit 581 Knaben
- 1915/1916: 13 Klassen mit 623 Knaben
- 1916/1917: 14 Klassen mit 622 Knaben
- 1917/1918: 14 Klassen mit 595 Knaben
Februar 1934 / Ständestaat
Vor dem Hintergrund der bürgerkriegsähnlichen Ereignisse im Februar 1934 blieben die Schulen vom 13. bis einschließlich 17. Februar 1934 geschlossen. Ein unmittelbarer Wechsel lässt sich in der Schulleitung erkennen: Direktor Leopold Rada wurde vom provisorischen Leiter Franz Ferdinand Müller ersetzt, der laut Dekret vom 27. Oktober 1934 (Zahl I-7802/1934) bestellt wurde und ab 29. Oktober 1934 die Agenden der Knabenschule leitete. Zu diesem Zeitpunkt führte die Schule 14 Klassen mit 502 Knaben. Der Sommerturnplatz wurde zu dieser Zeit als "derzeit unbenützbar" vermerkt, sodass als Sportplatz auf den Steinbauerpark zurückgegriffen wurde.
NS-Zeit und Zweiter Weltkrieg
Nach dem sogenannten "Anschluss" Österreichs an das Deutsche Reich im März 1938 änderte sich auch die Straßenbezeichnung und somit der Name der Schule von Neuwallgasse 26 in Karl-Löwe-Gasse 20. Nach dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges wurden Schulgebäude oft für Kriegszwecke benützt. So mussten die Knabenklassen der Schule Johann-Hoffmann-Platz 19 ab dem Schuljahr 1940/1941 aus ihrem Schulgebäude weichen und belegten zwei Klassenzimmer, den Zeichensaal, den Physiksaal und die Werkstätte des Schulgebäudes Karl-Löwe-Gasse 20. Ab 1942/1943 fungierten zudem zwei Zimmer als Kartenstelle Nr. 88 zur Vergabe von Lebensmittelkarten. Ab 1943/1944 wurde die Werkstätte der Schule als Flugmodellbau-Werkstätte der SA 2/112 benützt. Im letzten Schul- und Kriegsjahr 1944/1945 musste die Knabenhauptschule dann selbst aus ihren Räumlichkeiten weichen und in der Knabenhauptschule Herthergasse 28 untergebracht werden.
Während vor 1938 noch Turnvereine (z.B. der Arbeiter Turnverein Meidling, Verein für volkstümliche Musikpflege) und andere Organisationen (z.B. Arbeiter Stenographie Bund) auf die Schulräumlichkeiten der Schule zurückgriffen, waren es in der NS-Zeit neben dem Katholischen Jugendbund Neumargareten vornehmlich die Hitlerjugend (Bann 506) beziehungsweise das Deutsche Jungvolk sowie die Nationalsozialistische Volkswohlfahrt (NSV). Zudem wurde im Turnsaal kurzzeitig Mais eingelagert.
Während zum Zeitpunkt des "Anschlusses" noch Französisch als Fremdsprache unterrichtet wurde, standen bereits ab 1939/1940 Englisch und Französisch parallel auf dem Lehrplan, wobei Englisch die romanische Sprache erst ab 1942/1943 vollständig verdrängte. Im ersten Schul- und Kriegsjahr 1939/1940 gab es noch einen einjährigen Lehrkurs in gewerblich technische Richtung an der Schule. Der Schülerstand sank in den sechs Kriegsjahren deutlich:
- 1939/1940: neun Klassen mit 270 Knaben
- 1940/1941: sechs Klassen mit 214 Knaben
- 1941/1942: Keine Angaben
- 1942/1943: vier Klassen mit 142 Knaben
- 1943/1944: fünf Klassen mit 184 Knaben
- 1944/1945: vier Klassen (keine weiteren Angaben)
Am 11. Oktober 1944 wurde die Schule nach einem Bombenangriff schwer beschädigt. Der Turnsaal wurde dabei vollständig zerstört.
Gegenwart
Heute ist die VS Karl-Löwe-Gasse 20 eine öffentliche Volksschule, die von 13 Klassen besucht wird. Dazu zählen unter anderem zwei Mehrstufenklassen (MSK), während wiederum acht Klassen als GEPS-Klassen (Global Education Primary School) geführt werden, in denen in einzelnen Einheiten mit einem English Native Speaker Englisch als Arbeitssprache eingesetzt wird. Schwerpunkte werden im Unterricht auf Reformpädagogik und Begabungsförderung gelegt. Darunter fällt die Vermittlung zahlreicher Kompetenzen, wie etwa Eigenständigkeit, Selbstorganisation, Selbstreflexion, Präsentationsfähigkeiten, Selbstausdruck durch geförderte Kreativität, gute Selbsteinschätzung, Freude am eigenen Schaffen und Lernen, Sprech- und Sprachfertigkeiten. Unter dem Stichwort "Digitale Bildung" finden digitalen Medien (Computer und Tablets) ebenfalls ihren Einsatz.
Quellen
- Georeferenzierter Kriegsschädenplan von 1946 in Wien Kulturgut
- Wiener Stadt- und Landesarchiv, Stadtschulrat, A9/1 – Standesausweise: Öffentliche Schulen 1916-1945
- Wiener Stadt- und Landesarchiv, Stadtschulrat, B4 – Standesausweise 1876-1915
- Verwaltungsbericht der k. k. Reichshaupt- und Residenzstadt Wien im Jahre 1909. Bericht des Bürgermeisters Dr. Josef Neumayer. Wien: Gerlach & Wiedling, Buch und Kunstverlag 1910, S. 345-345
- Verwaltungsbericht der k. k. Reichshaupt- und Residenzstadt Wien im Jahre 1908. Bericht des Bürgermeisters Dr. Karl Lueger. Wien: Gerlach & Wiedling, Buch und Kunstverlag 1910, S. 331