Verlag für Kulturforschung
48° 12' 30.88" N, 16° 22' 4.10" E zur Karte im Wien Kulturgut
Verlag für Kulturforschung. Der Verlag für Kulturforschung wurde in Anlehnung an das Institut für Sexualforschung des deutschen Arztes Magnus Hirschfeld gegründet und verzeichnete 1925 erste verlegerische Tätigkeiten. Das Unternehmen war eine Gesellschaft, als Gesellschafter fungierten August Amonesta jun., Leo Schidrowitz und Gustav Ullmann. Sein gewerberechtliches Fundament hatte der Verlag in einer im Mai 1881 erteilten Konzession des August Amonesta sen., der Betriebsort lag in 4., Margaretenstraße 7. Zum Zinnen-Verlag, Hagenberg-Verlag und Amonesta-Verlag bestanden enge personelle Verflechtungen.
Durch die am 12. November 1927 im "Börsenblatt" erfolgte Ankündigung einer Standortverlegung in den 1. Bezirk wurde die Korporation der Wiener Buch-, Kunst- und Musikalienhändler und folglich auch die Gewerbebehörde auf das Unternehmen aufmerksam. Für den neuen Standort besaß der Verlag keine Konzession, was so viel wie unbefugte Gewerbeausübung bedeutete.
Am 19. Dezember 1927 wurde der Verlag für Kulturforschung dann im Namen des Geschäftsführers Gustav Ullmann bei der Standesvertretung inkorporiert. Einige Monate später suchte man beim Magistratischen Bezirksamt um eine Konzession für den Verlagsbuchhandel mit Ausschluss des offenen Ladengeschäftes an, diese wurde allerdings erst im Februar 1929 verliehen. In der Anmeldung der offenen Handelsgesellschaft (OHG) "Verlag für Kulturforschung Amonesta & Co." an das Handelsgericht wurde zudem erklärt, dass das Unternehmen den Charakter eines Großhandels haben werde. Offene Gesellschafter waren nach wie vor August Amonesta jun., Leo Schidrowitz und Gustav Ullmann, Niederlassungen befanden sich in Wien und Leipzig.
In einem Gutachten vom 20. November 1928 führte die Kammer für Handel, Gewerbe und Industrie an, dass der Verlag Werke aus verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen der kulturgeschichtlichen Forschung edieren und in den Verkehr bringen wolle. Der Firmenname Verlag für Kulturforschung gründete laut demselben Gutachten darauf, dass zu den Mitarbeitern namhafte Persönlichkeiten auf dem Forschungsgebiet der Kulturgeschichte gehörten. Am 23. November 1928 erfolgte die Eintragung des Unternehmens in das Wiener Handelsregister.
In den Jahren 1929 bis 1935 zeigt die Korrespondenz zwischen dem Verlag und der Korporation der Wiener Buch-, Kunst- und Musikalienhändler, dass Wirtschaftskrise und Absatzflaute dem Unternehmen zunehmend zu schaffen machten. Streitpunkt war immer wieder die Höhe des jährlichen Korporationsbeitrages, den der Verlag angesichts der finanziellen Verluste als zu hoch empfand.
Im Juli 1935 erfolgte das endgültige Aus für den Verlag für Kulturforschung. Die Konzession der OHG wurde zurückgelegt, am 11. Dezember 1935 beantragte man die Löschung der Firma aus dem Handelsregister. Diese wurde am 3. Jänner 1936 vollzogen.
Produktion
Der erste Titel des Verlags kam bereits 1925 auf den Markt. Bei der "Sittengeschichte des Theaters" handelte es sich um den ersten Band der von Leo Schidrowitz herausgegebenen Reihe "Sittengeschichte der Kulturwelt und ihrer Entwicklung in Einzeldarstellungen". Bis einschließlich 1930 erschienen insgesamt zehn Bände sowie ein "Ergänzungs-Werk". Die zwei letzten geplanten Bände zur "Sittengeschichte der oberen Zehntausend" sowie zur "Sittengeschichte der Schamlosigkeit" wurden wohl aus Geldmangel nicht mehr publiziert.
Reihen mit erotischer Thematik bildeten den Schwerpunkt des Verlags für Kulturforschung. Von 1928 bis 1930 erschien beispielsweise "Allmacht Weib. Erotische Typologie der Frau" (5 Bände). Die achtbändige Reihe "Die fünf Sinne. Ihre Einflußnahme und Wirkung auf die Sexualität des Menschen" brachte der Verlag von 1930 bis 1935 auf den Markt. Zu weiteren Veröffentlichungen zählten die Reihen "Dokumente zur Sexualforschung", "Die legitime Erotik", "Die Weiberherrschaft", "Die Erotik in der Photographie" oder "Bilderlexikon der Erotik".
Angesichts der Tatsache, dass der Verlag für Kulturforschung bereits im Sommer 1935 seine Konzession zurücklegte, mag die späte Beschlagnahmung einiger der oben erwähnten Werke in den Jahren 1936 und vor allem 1937 überraschen. Bis dahin schien der Verlag mit den einschlägigen Gesetzen in Österreich nicht in Konflikt gekommen zu sein. Erst 1937 und anlässlich einer Polizeiamtshandlung in einer Leihbücherei, die weitere Aktionen und eine Gerichtsverhandlung auslöste, wurden die diversen "Sittengeschichten", die Reihe "Die fünf Sinne" sowie praktisch das ganze Programm des Verlags für Kulturforschung mit insgesamt 21 Titeln nach einzelnen Gerichtsverhandlungen verboten. In den meisten Fällen lautete der Tatbestand Pornografie nach § 516 St.G.