Watschenkonzert
Am 31. März 1913 fand im großen Musikvereinssaal in Wien ein Orchesterkonzert statt, das eines der größten Skandale im Wiener Musikleben auslöste und bis heute als Watschenkonzert bekannt ist.
Dirigent dieses Konzertes war der Komponist Arnold Schönberg, der bereits mit den Uraufführungen seiner ersten Streichquartette und der Kammersymphonie op. 9 in den Jahren 1907 und 1908 für Skandale beim Wiener Publikum gesorgt hatte. Besonders sein 2. Streichquartett, das als ein Schlüsselwerk der atonalen Musik gilt, wurde vom Publikum mit Gelächter und Lärm quittiert.
Das Konzert von 1913 wurde vom Akademischen Verband für Literatur und Musik veranstaltet, einer Vereinigung von Studierenden, die besonders Musiker und Literaten der „Jungen Generation“ fördern wollte. So gab es beispielsweise in der Saison 1909/10 Vorträge von Stefan Zweig (damals 28 Jahre) oder Vorlesungen von Karl Kraus (35 Jahre).
Obmann dieses akademischen Verbandes für Literatur und Musik war seit 1912 der damals 23jährige Erhard Buschbeck. Jener Erhard Buschbeck, der später von 1918 bis 1960 eine sehr wichtige Rolle als Dramaturg und stellvertretender Direktor im Wiener Burgtheater spielen sollte.
Für Buschbeck bestand die Aufgabe dieses Verbands darin "Dinge zu tun, die in Wien sonst niemand macht". Darunter verstand er auch radikale Richtungen einzuschlagen, um auf diesem Wege vorwärts zu kommen. In musikalischer Beziehung bedeutete das für Buschbeck, auch jene Künstler einzuladen, die aufgrund ihrer neuen Musik zum Teil auf stärkste angefeindet wurden, wie Arnold Schönberg und dessen Schüler.
Auf dem Programm des von Buschbeck und Schönberg organisierten Konzertes standen:
- Anton von Webern: Sechs Stücke für Orchester, op. 6
- Alexander von Zemlinsky: Vier Orchesterlieder nach Gedichten von Maeterlinck, op. 13
- Arnold Schönberg: Kammersymphonie, op. 9
- Alban Berg: Zwei Orchesterlieder nach Ansichtskartentexten von Peter Altenberg, op. 4
- Gustav Mahler: Kindertotenlieder
Die neuartige Musik dieses Konzertes polarisierte das Wiener Publikum derart, dass es bereits bei den Orchesterstücken von Webern einerseits demonstrativen Beifall von den Befürwortern dieser Musik gab, und andererseits Pfiffe, Zischen und Lachen von den Konzertgegnern. Die Lieder von Zemlinsky und die Kammersymphonie Schönbergs verliefen dann ohne Unterbrechung, ehe bei den Orchesterliedern von Alban Berg der Skandal ausbrach. Die Kindertotenlieder von Gustav Mahler konnten gar nicht mehr aufgeführt werden.
Es kam zu tumultartigen Szenen mit gegenseitigen Beschimpfungen und Handgreiflichkeiten, die schließlich in einer Ohrfeige und dem Abbruch des Konzertes gipfelten. Diese Ohrfeige soll Erhard Buschbeck dem Arzt Viktor Albert verpasst haben. Die beiden Kontrahenten gingen später auch vor Gericht, klagten einander wegen Ehrenbeleidigung an und wurden schließlich beide zu einer Geldstrafe verurteilt. In der Presse und in der Wiener Öffentlichkeit wurden die Ereignisse des 31. März noch lange genüsslich ausgekostet, bis es irgendwann als Watschenkonzert in die Geschichte einging.
Literatur
- Stefan Engl: Das Watschenkonzert von 1913 in Wien. In: Blog der Wienbibliothek im Rathaus, 25.03.2024 [Stand: 24.07.2024]
- Ernst Hilmar: Arnold Schönbergs Briefe an den Akademischen Verband für Literatur und Musik in Wien. In: Österreichische Musikzeitschrift 31/6, Juni 1976, S. 273-292
- Walter Szmolyan: Schönbergs Wiener Skandalkonzert. In: Österreichische Musikzeitschrift 31/6, Juni 1976, S. 293-304