Das alte Werdertor befand sich beim Ruprechtssteig. Als um die Mitte des 13. Jahrhunderts die Donau vom Salzgries zurückwich, ließ Ottokar II. Přemysl in der Nähe des Austritts des Ottakringer Bachs aus dem Stadtgebiet das neue Werdertor errichten. Dieses Tor der Ringmauer (1305 als Werderburgtor, 1313 als Werdertor bezeichnet) wurde im Lauf der Zeit festungsmäßig ausgestaltet und wiederholt restauriert, 1418 wird der Turm erstmals erwähnt.
Durch die Errichtung des kaiserlichen Arsenals wurde der Verlauf der Wiener Befestigungsanlagen geändert. Durch das Hinausschieben der Befestigungsanlagen im Zuge seines Baus wurde das Werdertor seinem ursprünglich fortifikatorischen Zweck entfremdet (1558-1561 wurde es für den öffentlichen Verkehr gesperrt); an seine Stelle trat, nunmehr weiter außerhalb, als Ersatz das Neutor, wogegen das alte Werdertor im Arsenalkomplex als Zugang zum Arsenalkanal in Verwendung blieb ("Wassertörl").
Das Gebäude fiel an die Stadtgemeinde, der Werderturm wurde mit Ausnahme der Torhalle demoliert. Im Jahr 1717 errichtete Josef Anton Stranitzky, der Wiener "Hanswurst" und Pächter des Kärntnertortheaters, ein dreistöckiges Zinshaus über dieser Torhalle. So blieb die ehemalige Substanz weiterhin erkennbar. Stranitzkys Kinder verkauften das Haus 1760 dem Abt von Klein-Mariazell; in den 1760er Jahren führte das Haus das Schild "Zum goldenen Zahn". Nach der Aufhebung dieses Klosters kam das Gebäude 1782 an das Stift Melk, 1785 an das Stift Kremsmünster.
1798 übernahm es die niederösterreichische Staatsgüteradministration, 1831 wurde hier die Lottogefällsdirektion untergebracht, die das Haus (das gegenüber dem Ausgang des Tiefen Grabens in der Verlängerung des Salzgrieses lag) bis zur Demolierung besaß. Im Jahr 1880 wurde das Gebäude mitsamt den Torresten abgerissen.
Anlässlich der Demolierung fertigte man von Seiten der Stadt einen Plan des Hauses an und dokumentierte die Reste des Tors, wie sie in dem Gebäude erhalten geblieben waren. Die Dokumentation wurde auch noch um ein Foto ergänzt und dem Wiener Stadt- und Landesarchiv zur Verwahrung übergeben. Es handelt sich um einen für Wien in dieser Form singulären Akt historischen Bewusstseins aus einer Zeit, in der die Reste des Mittelalters sowie der Römerzeit großflächig neuen, imperialen Repräsentationsbauten weichen mussten.
Literatur
- Richard Perger: Straßen, Türme und Basteien. Das Straßennetz der Wiener City in seiner Entwicklung und seinen Namen. Wien: Deuticke 1991 (Forschungen und Beiträge zur Wiener Stadtgeschichte, 22)
- Ferdinand Opll: Alte Grenzen im Wiener Raum. Wien [u.a.]: Jugend & Volk 1986 (Kommentare zum Historischen Atlas von Wien, 4); S. 34 f.
- Gustav Gugitz: Bibliographie zur Geschichte und Stadtkunde von Wien. Hg. vom Verein für Landeskunde von Niederösterreich und Wien. Band 3: Allgemeine und besondere Topographie von Wien. Wien: Jugend & Volk 1956, S. 118