Minna Kautsky

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Daten zur Person
PersonennameName der Person im Format Nachname, Vorname Kautsky, Minna
Abweichende NamensformAlternative Formen des Namens wie z.B. Pseudonyme oder Mädchennamen im Format Nachname, Vorname Kautsky, Wilhelmine; Jaich, Wilhelmine; Wiener, Wilhelm; Eckert
TitelAkademische Titel (abgekürzt), Amtstitel, Adelstitel
Geschlecht weiblich
Wien Geschichte WikiIdentifier/Persistenter URL zur Seite  3080
GNDGemeindsame Normdatei 119317745
Wikidata Q1465450
GeburtsdatumDatum der Geburt 11. Juni 1837
GeburtsortOrt der Geburt Graz 4021912-4
SterbedatumSterbedatum 20. September 1912
SterbeortSterbeort Berlin 4005728-8
BerufBeruf Schauspielerin, Schriftstellerin
ParteizugehörigkeitAngabe der Partei (bei PolitikerInnen) Sozialdemokratische Arbeiterpartei, VSKW
EreignisEreignis, mit dem die Person in Verbindung gebracht wird
Nachlass/Vorlass Internationaal Instituut voor Sociale Geschiedenis
Siehe auchVerweist auf andere Objekte im Wiki  Frauenbewegung, Theater, Schauspielerin, Schriftstellerin, Arbeiterzeitung
RessourceUrsprüngliche Ressource  Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien
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Beziehung, Bekanntschaft, Freundschaft

Minna Kautsky, * 11. Juni 1837 Graz, † 20. September 1912 Berlin, Schauspielerin, Schriftstellerin.

Biografie

Das älteste von acht Kindern des Theatermalers Anton Jaich, geboren 1837 in Graz, übersiedelte 1845 mit ihrer Familie nach Prag, da ihr Vater eine Anstellung als Bühnendekorationsmaler am hiesigen deutschsprachigen Landestheater erhielt. Zuvor lebte die Familie zeitweise in Linz und Graz. Aufgrund der unsteten finanziellen Verhältnisse der Familie war der Bildungsweg von Minna Kautsky unregelmäßig. Sie besuchte ein Jahr lang den regulären Schulunterricht, danach bemühte sich ihr Vater um ihre Bildung. In späteren Jahren bildete sich Minna selbstständig weiter. Während ihrer Prager Kindheit erlebte Minna dort die 1848er Revolution, diese Erlebnisse prägten ihre ablehnende Haltung gegenüber dem Habsburgerreich nachhaltig.

Ab ihrem vierzehnten Lebensjahr spielte Minna Theater, um ihre Familie finanziell zu unterstützen. Schnell entwickelte sie eine besondere Liebe zum Theater. Zunächst war Minna am Niclas-Theater in Prag engagiert, später spiele sie auch an Theatern in Hamburg, Olmütz, Sondershausen und Berlin. 1854 heirate sie als Sechszehnjährige den zehn Jahre älteren Landschafts- und Theatermaler Johann Kautsky, den sie am Niklastheater traf. Innerhalb weniger Jahre bekam das Paar die ersten drei ihrer vier Kinder. Der älteste Sohn ist der spätere sozialistisch-sozialdemokratische Politiker und Theoretiker Karl Kautsky. Weitere ihrer Kinder sind die Söhne Hans und Fritz Kautsky, beide waren wie ihr Vater international erfolgreiche Theatermaler. Sie führten später gemeinsam mit Johann Kautsky eine international erfolgreiche Hoftheatermaler-Firma. Über den Werdegang der Tochter Minna ist nicht viel bekannt, sie soll wie ihre Mutter sehr früh geheiratet haben. Ihre Ehe mit einem bürgerlichen Finanzier soll unglücklich gewesen sein. Mutter Minna verarbeitete die unglückliche Ehe ihrer Tochter später in ihrem Buch "Helene" (1894), das von dem Schicksal einer Frau handelt, die in ihren kleinbürgerlichen Verhältnissen eingesperrt ist.

In den Jahren nach der Hochzeit und der Geburt ihrer ersten drei Kinder ging Minna Kautsky verschiedenen Theaterengagements in Olmütz, Sondershausen und Berlin nach, um die Familie finanziell zu unterstützen, während ihre Familie in Prag blieb. In späteren autobiografischen Notizen beschrieb Kautsky, dass das Leben als Schauspielerin nicht nur aufgrund der Trennung von ihrer Familie herausfordernd war, sondern auch aufgrund sexuell anzüglicher Angebote, die sie am Theater erhielt. Mit 20 Jahren erkrankte Minna an einer Form der Tuberkulose. Ihr schlechter gesundheitlicher Zustand zwang sie schlussendlich mit 24 Jahren ihre Schauspielkarriere aufzugeben, ihre Erkrankung hatte lebenslange gesundheitliche Folgen verursacht. Die Familie Kautsky lebte in ärmlichen Verhältnissen, bis Johann Kautsky eine Stelle als Dekorationsmaler am Hoftheater in Wien unter Heinrich Laube erhielt. Die Familie zog 1863 nach Wien um und stieg in (klein-)bürgerliche Verhältnisse auf. Nach der Aufgabe ihrer Schauspielkarriere zu Gunsten ihrer Gesundheit nütze Minna Kautsky die Zeit der Genesung und Bildung ihrer eigenen Kinder für ein umfangreiches Selbststudium. Sie las unter anderem Werke von Immanuel Kant, Arthur Schopenhauer und Ludwig Feuerbach. Die Werke des englischen Philosophen Stuart Mill regten Kautsky zur vertieften Auseinandersetzung mit der "Frauenfrage" an. Sohn Karl begeisterte sich früh für die sozialistische Bewegung und politische Auseinandersetzungen wie die Pariser Kommune. 1874 schloss sich Karl der sozialistischen Arbeiterbewegung an und trat der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Österreichs bei. Er begann auch, sich publizistisch zu betätigen. In dieser Zeit erscheinen auch Minna Kautskys erste Publikationen. Zu ihrem Sohn Karl verband sie eine enge Beziehung, die auch nach seinem Umzug in die Schweiz bzw. Deutschland anhielt. Seine sozialistische Politisierung prägte Mutter Minna tiefgreifend. Die beiden verfassten mehrere Werke zusammen, beispielsweise das Theaterstück "Atlantique-Pacifique".

Schriftstellerisches Wirken

Ab den 1870er Jahren veröffentlichte Minna Kautsky Novellen, Romane, Dramen sowie Volksstücke, die zunehmend gesellschaftliche Fragen (Stellung der Frau, soziale Themen) zum Inhalt hatten. Beeinflusst durch ihren Sohn Karl wendete sie sich dem Sozialismus zu und publizierte fallweise unter Pseudonymen in sozialistischen Zeitungen und Zeitschriften Sie verfasste auch Essays, Artikel und Rezensionen für unter anderem die Zeitung "Neue Zeit", dem damals einzigen legalen sozialdemokratischen Organ Deutschlands. Ihr Sohn leitete die Zeitung später zeitweise. Kautskys erste Werke wurden noch unter den Pseudonymen Eckert und Wilhelm Wiener veröffentlicht. Die wesentlichsten ihrer Romane umfassen "Die Alten und die Neuen" (1885), "Victoria" (1889), "Helene" (1894). Weitere ihrer Romane sind "Stefan von Grillenhof" (1881) und der in 85 Fortsetzungen in der Arbeiterzeitung erscheinende Roman "Im Vaterhaus".

Andere ihrer Werke sind "Moderne Frauen" (1878/1879) "Herrschen oder Dienen" (1881), die Sozialreportage "Staatsarbeiter und Hausindustrie im Salzkammergut" (1885). Kautskys Werke gehören zu den ersten, die sich mit der aufstrebenden Arbeiter*innenklasse befassten und die sozialistische Weltanschauung literaturfähig machten. Auch befasste sich Minna Kautsky als einer der ersten innerhalb der Arbeiter*innenliteratur mit der sogenannten "Frauenfrage" und der Emanzipation der Frau. Weitere Themen in Kautskys Werken beinhalten unter anderem den damaligen technischen Fortschritt, Probleme der Frühindustrialisierung und des Frühkapitalismus, den Vogelschutz und Spiritismus. In Kautskys frühen Werken sah sie den Weg der Emanzipation von der bürgerlichen Ehe und (Ehe-)Mann in der schulischen Bildung von Frauen und der eigenständigen Ausübung von Berufen. Insbesondere Berufe in der Kunst und Kultur erschienen Kautsky trotz teils eigener schlechter Erfahrungen als besonders geeignet für Frauen ohne Berufsausbildung, um sich finanziell unabhängig zu machen.

Das Frauenbild von Minna Kautsky ist durchwegs von dem Rollenbild der damaligen sozialistischen Bewegung geprägt. So kontrastiert sie in "Herrschen und Dienen" oder auch "Moderne Frauen" "schwache" Frauen aus dem Kleinbürgertum mit "starken" proletarischen Frauenfiguren. Weibliche Stärke liegt in Tugenden wie Rationalität, Verzicht, Radikalität, Ausdauer und körperlicher Energie. "Schwache" Frauen werden hingegen als hilflos, körperlich schwach und ungebildet dargestellt. Die Arbeiterfrau wird in ihrer Doppelrolle als Hausfrau und Mutter idealisiert, der junge fleißige Arbeiter emanzipiert sich hingegen durch den Aufstieg in "denkende Erwerbsarbeit". Diese Geschlechterrollen waren durchaus typisch für die sozialdemokratische Arbeiter*innenbewegung dieser Zeit, so Germanistin Eva Kok-Ertl im Sammelband "Minna Kautsky. Beiträge zum literarischen Werk". Propagierte Kautsky in ihren früheren Werken Bildung und berufliche Erwerbstätigkeit als Mittel für die Loslösung von Frauen aus ihrer Abhängigkeit, wandelte sich in späteren Jahren, mit zunehmender sozialistischer Politisierung, ihr feministischer Ansatz. Die Lösung der Frauenfrage sah Minna Kautsky schließlich in der Emanzipation und Befreiung der Arbeiter*innenklasse.

Ihre Werke gelangten zu größerer Bekanntheit, als sich die sozialistische Bewegung in Österreich und Deutschland ausbreitete. In den 1880er und 1890er Jahren wurde Kautsky zu einer der meistgelesenen Schriftstellerinnen der österreichischen und deutschen Arbeiterklasse. Aufgrund ihrer Themenwahl und unterhaltsamen Einflüsse wurde sie besonders von (proletarischen) Frauen gelesen. Durch die Veröffentlichung des Antikriegsromans "Stefan von Grillenhof" (1881) erlangte Minna Kautsky auch in bürgerlichen Kreisen eine größere Bekanntheit. Diese brachte ihr den abwertenden Spitznamen "Die rote Marlitt" ein und spielt auf ihre stilistische Übernahme von Elementen der bürgerlichen leichten Unterhaltungsliteratur an.

Kautsky zählte auch zu den wichtigsten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des von der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei herausgegebenen "Österreichischen Arbeiterkalenders", der ab 1897 erschien. Mit wesentlichen Persönlichkeiten der Arbeiterbewegung wie Victor Adler, Rosa Luxemburg oder Karl Liebknecht verband sie eine Freundschaft, ebenso zur Schriftstellerin Marie von Ebner-Eschenbach. Darüber hinaus pflegte Kautsky auch Kontakte zu Mitgliedern der sozialistischen Gesellschaft wie August Bebel, Wilhelm Liebknecht, Franz Mehring, Friedrich Engels, Karl Marx und Clara Zetkin, die sie ebenfalls politisch prägten.

Minna Kautsky war Gründungsmitglied im "Verein der Schriftstellerinnen und Künstlerinnen in Wien" (VSKW), zeitweise sogar dessen (Vize-)Präsidentin. Der Verein entstand aus der Weigerung des Wiener Schriftsteller- und Journalistenverbands "Concordia", auch Frauen aufzunehmen und diente als Interessensvertretung und Mittel der sozialen Absicherung für weibliche Schriftstellerinnen und Journalistinnen. Dort lernte sie die bürgerliche Schriftstellerin Marie von Ebner-Eschenbach kennen, mit der sie eine ambivalente Freundschaft pflegte. Zudem war Kautsky auch Mitglied im Allgemeinen österreichischen Frauenverein, diesen verlies sie 1896 aufgrund politischer Differenzen wieder, um ihre feministische Arbeit innerhalb der proletarischen Bewegung abseits des bürgerlichen Feminismus fortzuführen. Ab der 1910er Jahre verloren Kautskys Werke zunehmend an Bedeutung. Kurz vor ihrem Tod sollten ihre literarischen Werke in einer Gesamtausgabe veröffentlicht werden, diese Vorhaben wurde allerdings aufgrund der mangelnden Nachfrage nie realisiert. Nach dem Tod ihres Ehemannes Johann verließ Kautsky 1904 Wien und lebte bis zu ihrem Tod 1912 bei ihrem Sohn Karl in Berlin.

Literaturwissenschaftliche Rezeption und Archivalien

Die Aufarbeitung des literarischen und politischen Wirkens von Minna Kautsky begann relativ spät. Die Literaturwissenschaft beschäftigte sich erst ab der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts dezidiert mit der Literatur der Arbeiter*innenschaft. Lange Zeit galt diese als minderwertig. Daher waren Informationen zur Kautskys Person und ihrem Wirken lange Zeit in eher oberflächlichen biografischen Einträgen in Lexika nachzulesen. Ab den 1960er Jahren wurde in der DDR vermehrt zur Arbeiter*innenliteratur geforscht, in Österreich war dieser Forschungszweig bis dahin weitgehend unbekannt. Mittlerweile gibt es eine fundierte(re) Forschung zur Arbeiter*innenliteratur, auch Minna Kautskys Werke wurden in einigen wissenschaftlichen Publikationen näher untersucht. Drucke von Kautskys Werken finden sich heute in bestimmten Spezialbibliotheken. Die DDR-Literaturwissenschaftlerin Cäcilia Friedrich gab Mitte der 1960er Jahre Ausschnitte aus einigen ihrer bekanntesten Werke in einem Sammelband heraus. Die fehlende Aufarbeitung ihrer Werke erklären der Historiker Stefan Riesenfellner und die Literaturwissenschaftlerin Ingrid Cella auch mit der wissenschaftlichen Einordnung von Kautskys Werk als seichte Trivialliteratur mit niedriger literarischer Qualität. Riesenfellner verortet Kautskys Werke als “Sozialroman“, die im Kulturkontext der Arbeiter*innenbewegung des 19. Jahrhundert verfasst wurden.

Der Nachlass der Familie Kautsky, damit verbunden auch der Nachlass von Minna Kautsky, findet sich heute überwiegend im “Internationaal Instituut voor Sociale Geschiedenis“ in Amsterdam. Auf der Flucht vor dem Nationalsozialismus verbrachte Karl Kautsky seine letzten Lebensjahre dort. Im Niederösterreichischen Landesarchiv finden sich zwei von Minna Kautskys Volksstücken (Kleine Leute. Volksschauspiel in fünf Acten; Ein Proletarierkind. Volksstück in fünf Acten). Die Wienbibliothek im Rathaus verwahrt einige ihrer gedruckten Werke sowie auch Briefe und Notizen. Die Österreichische Nationalbibliothek verwahrt ebenso einige von Kautskys Werken und Korrespondenzen.

In den Jahren 1998 bis 2010 wurden jährlich Schriftstellerinnen durch das Grazer Frauenreferat im "Minna Kautsky-Literaturwettbewerb" ausgezeichnet.


Werke

Quellen


Literatur

  • Marianne Baumgartner: Der Verein der Schriftstellerinnen und Künstlerinnen in Wien (1885–1938). Wien/Köln/Weimar: Böhlau 2015
  • Sigrid Schmid-Bortenschlager: Österreichische Schriftstellerinnen, 1800–2000. Eine Literaturgeschichte. Darmstadt: Wiss. Buchges. 2009, S. 52–121
  • Heidy Margit Müller: Sozialkritik und Zukunftshoffnung: Minna Kautsky. In: Deutschsprachige Schriftstellerinnen des Fin de siècle. Hg. von Karin Tebben. Darmstadt: Wiss. Buchges., 1999, S. 198–212
  • Stefan Riesenfellner [Hg.]: Minna Kautsky. Beiträge zum literarischen Werk. Wien: Verlag für Gesellschaftskritik 1996
  • Minna Kautsky / Cäcilia Friedrich: Minna Kautsky: Auswahl aus ihrem Werk. Berlin: Akad.-Verl. 1965
  • Hans Giebisch / Gustav Gugitz: Bio-Bibliographisches Literaturlexikon Österreichs von den Anfängen bis zur Gegenwart. Wien: Hollinek 1963
  • Österreichisches biographisches Lexikon 1815 – 1950. Hg. von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Band 3. Wien: Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften 1963, S. 275 f.
  • Marie Juchacz: Sie lebten für eine bessere Welt. Lebensbilder führender Frauen des 19. und 20. Jahrhunderts. Berlin [u.a.]: Dietz 1956
  • Bund Österreichischer Frauenvereine [Hg.]: Frauenbewegung, Frauenbildung und Frauenarbeit in Österreich. Wien: Selbstverlag des Bundes Österreichischer Frauenvereine 1930, S. 321


Minna Kautsky im Katalog der Wienbibliothek im Rathaus.

Weblinks