Arbeiterzeitung
48° 11' 31.12" N, 16° 21' 16.82" E zur Karte im Wien Kulturgut
Arbeiter-Zeitung (AZ)
Anfänge
Die sozialdemokratische Arbeiter-Zeitung war die Nachfolgerin der Wochenzeitung Gleichheit, die von Victor Adler ab 1886 herausgegeben wurde. Bekannt für ihre sozial engagierten, aufrüttelnden Reportagen, wurde die Gleichheit 1889 verboten.
Die Arbeiter-Zeitung erschien erstmals am 12. Juni 1889, zunächst vierzehntägig, ab dem 18. Oktober 1889 wöchentlich, ab dem 31. Oktober 1893 zweimal in der Woche und ab dem 1. Jänner 1895 – bis vorerst zum 12. Februar 1934 – täglich. Im Untertitel nannte sich die Zeitung "Organ der österreichischen Sozialdemokratie". Die Auflagenhöhe betrug um 1900 etwa 24.000. Vom 17. September 1914 bis 30. März 1918 erschien zusätzlich, in bescheidenem Umfang, das Blatt "AZ am Abend".
Standorte
Redaktion und Verwaltung verblieben zunächst in den Räumlichkeiten des Vorgängerblattes: Wien 6., Gumpendorfer Straße 73; gedruckt wurde die AZ in der Alser Straße 32 im 9. Bezirk. Nach mehreren Übersiedlungen in "Zwischenstationen" bezogen Redaktion, Verwaltung und Druckerei schließlich 1910 das "eigene Haus"[1] im 5. Bezirk, das 1907-1909 errichtete Vorwärts-Gebäude in der heutigen Rechten Wienzeile 97.
Redaktion
Schwerpunkt der Arbeiter-Zeitung war die Innenpolitik; die Blattlinie wurde vorwiegend geprägt von Victor Adler und dem von ihm berufenen Chefredakteur Friedrich Austerlitz. Zu den Mitarbeitern der ersten Jahre zählten neben vielen anderen Engelbert Pernerstorfer, Max Winter, Karl Leuthner.
Nach dem Krieg wurde die Arbeiter-Zeitung zum führenden politischen Blatt der Ersten Republik. Die meisten Leitartikel verfasste Otto Bauer; sein enger Mitarbeiter Otto Leichter war von 1925 bis 1934 als Redakteur tätig. Nach dem Tod von Friedrich Austerlitz am 7. Juli 1931 übernahm Oscar Pollak die Chefredaktion der erfolgreichen Tageszeitung, deren Auflage 1930 rund 100.000 betrug.
Illegalität
Am 12. Februar 1934 wurde die Arbeiter-Zeitung, die schon seit 1933 Zensur und Kolportageeinschränkungen ausgesetzt gewesen war, verboten.
In der Illegalität erschien die Arbeiter-Zeitung ab dem 25. Februar 1934 als Wochenblatt in Brünn, mit dem Untertitel "Organ der österreichischen Sozialdemokraten", ab September 1934 "Organ der österreichischen Sozialisten". Geschrieben und redigiert wurde sie von Mitarbeitern des Auslandsbüros der Österreichischen Sozialdemokraten (ALÖS), das Otto Bauer und Julius Deutsch nach ihrer Flucht aus Österreich in Brünn gegründet hatten. Die Hauptlast der Redaktion trug Otto Bauer; kurzzeitig übernahmen auch Oscar Pollak und Otto Leichter redaktionelle Aufgaben.
Neben dem illegalen, kleinformatigen Wochenblatt wurde ab 12. Mai 1935 auch eine für die Bundesländer bestimmte vierzehntägige Ausgabe produziert. Sein offizielles Erscheinen musste das Blatt, das die "politisch wirksamste Waffe der gesamten illegalen Opposition der Arbeiterbewegung gegen den Austrofaschismus"[2] geworden war, am 22. November 1936 einstellen. Noch bis März 1938 gedruckt, endete die illegale Arbeiter-Zeitung mit der nationalsozialistischen Machtübernahme in Österreich.
Nachkriegszeit
Ab dem 5. August 1945 erschien die Arbeiter-Zeitung als legales parteioffizielles Blatt, mit dem Untertitel "Zentralorgan der Sozialistischen Partei Österreichs", nachdem die sowjetische Besatzungsmacht im Sommer die Herausgabe von Parteizeitungen gestattet hatte. Im nächsten Jahrzehnt wurde sie zur auflagenstärksten Zeitung des besetzten Österreich (rund 300.000 täglich). Chefredakteur war wieder Oscar Pollak. Die Zeitung befasste sich naturgemäß vorwiegend mit Problemen der Nachkriegszeit: der Aufdeckung von Übergriffen der sowjetrussischen Besatzungsstreitkräfte, der Frage der Todesstrafe, der Chronik der Wiederaufbaus, aber auch außenpolitischen Themen wie der Südtirolfrage. Ihre unerschrockene Berichterstattung brachte ihr den Beinamen "die Zeitung, die sich was traut" ein.
Mit Jahresende 1961 gab Oscar Pollak seinen Rücktritt bekannt [3], nachdem interne Konflikte in der Redaktion, aber auch Differenzen mit führenden SPÖ-Politikern akut geworden waren. Die Leitung der Redaktion übernahm Franz Kreuzer bis 1967, gefolgt von Paul Blau bis 1970 und Manfred Scheuch (1970-1989).
Das Bemühen um eine Modernisierung brachte als sichtbarstes äußeres Zeichen eine Veränderung des Titelkopfes: Aus der "Arbeiter-Zeitung" wurde die "AZ". Am 16. Oktober 1985 erfolgte die Umstellung auf Kleinformat und die Umbenennung in "Neue AZ", mit dem Untertitel "Tagblatt für Österreich".
Niedergang
Trotz dieser Relaunch-Versuche geriet das Blatt gerade in den Zeiten der größten SPÖ-Erfolge immer mehr in eine ökonomische Krise. Zwar lag die AZ mit rund 70.000 täglich verkauften Exemplaren knapp vor Konkurrenten wie der "Presse" und in der Reichweiten-Rangliste von Österreichs Tageszeitungen immer noch an vierter Stelle, aber durch das Ausbleiben von Anzeigeneinnahmen war die finanzielle Situation prekär geworden.
Im Herbst 1989 wurde die AZ an die Birko-Holding des Werbeunternehmers Hans Schmid verkauft. Das Kleinformat wurde beibehalten, das Layout jedoch geändert, und durch regelmäßige, an bestimmte Wochentage gebundene Beilagen sollte dem Informations- und Bildungsbedürfnis der Leser gezielt Rechnung getragen werden. Hans Schmid, der als Herausgeber fungierte, hatte den Fernsehjournalisten Robert Hochner als Chefredakteur verpflichtet, wollte aber schon ein Jahr später das defizitäre Blatt nicht mehr weiter finanzieren . Im April 1990 trat Robert Hochner als Chefredakteur zurück; sein Nachfolger wurde Peter Pelinka. Als am 31. August 1990 erstmals das Ende der Zeitung drohte, gelang es noch einmal, dies mit Hilfe von Sponsoren und Spenden aus der Leserschaft abzuwenden. Am 31. Oktober 1991 musste die AZ jedoch endgültig eingestellt werden.
Literatur
- Ruprecht Kunz: Die Geschichte der "Arbeiter-Zeitung" von ihrer Gründung bis zur Jahrhundertwende. Diss. Univ. Wien. Wien 1949
- Wolfgang Maderthaner: "Der freie Geist, das freie Wort!" Die Arbeiterpresse in Österreich von 1867 bis zur Jahrhundertwende. In: Wolfgang Maderthaner [Hg.]: Arbeiterbewegung in Österreich und Ungarn bis 1914. Referate des Österreichisch-Ungarischen Historikersymposiums in Graz vom 5. bis 9. September 1986. Wien: Europaverlag 1986 (Materialien zur Arbeiterbewegung, 45), S. 182-194
- Kurt Paupié: Handbuch der Österreichischen Pressegeschichte 1848-1959. Band 1. Wien: Wilhelm Braumüller 1960, S. 88-93
- Peter Pelinka / Manfred Scheuch: 100 Jahre AZ. Die Geschichte der Arbeiter-Zeitung. Wien [u. a.]: Europa Verlag 1989
- Kurt Stimmer [Hg.]: Die Arbeiter von Wien. Ein sozialdemokratischer Stadtführer. Wien [u. a.]: Jugend & Volk 1988, S. 106, 140, 178, 192
Weblinks
- ÖNB Anno: Digitalisate 1889 bis 1936
- AZ Digitalisate 1945-1989
- Das Rote Wien: Weblexikon der Wiener Sozialdemokratie: Arbeiter-Zeitung
- VGA: Die glanzvollen Jahre der Arbeiter-Zeitung