Wilhelmine Sandrock
Wilhelmine Sandrock, * 5. Februar 1861 Rotterdam (Niederlande), † 29. November 1948 Berlin-Charlottenburg, Schauspielerin, Sängerin.
Biografie
Ihre Eltern waren Eduard Othello Sandrock, ein ehemaliger deutscher Offizier und späterer Kaufmann, und Johanna Simonetta Sandrock, geborene ten Hagen. Sandrock war das älteste von sieben Geschwistern, darunter ihre berühmte Schwester Adele Sandrock und der Schriftsteller und Maler Christian Sandrock. Sie verbrachte ihre Kindheit in Rotterdam, bevor sie nach der Scheidung ihrer Eltern 1869 mit ihrer Mutter nach Berlin übersiedelte. Sandrock besuchte dort die Schule, lernte Deutsch und spielte in Schulaufführungen ihre ersten Schauspielrollen. An der Neuen Akademie der Tonkunst erhielt sie von Theodor Kullak Gesangsunterricht, von ihrer Mutter und später vom Hofschauspieler Heinrich Oberländer erhielt sie Schauspielunterricht.
Die Unterstützung der Mutter verhalf den Schwestern Wilhelmine und Adele zu ersten Rollen. Sandrock debütierte am Berliner Nationaltheater, spielte anschließend im Franz Wallner Theater in Berlin und dann am Hoftheater in Sankt Petersburg, bevor sie wieder nach Berlin ans Kroll'sche Theater zurückkehrte. Auch als Sängerin feierte sie Erfolge, etwa 1898 als Gesangssoubrette am Berliner Thaliatheater. 1886 wurde sie durch den Intendanten Adolf von Wilbrandt ans k.k. Hofburgtheater berufen, wohin ihr Adele wenige Jahre später folgte, sodass die Schwestern von 1895 bis 1898 zusammen auftraten.
Um 1893/1894 unterhielt Wilhelmine Sandrock eine Liebesbeziehung zu Hermann Bahr und verlobte sich sogar mit ihm. Zur gleichen Zeit war Arthur Schnitzler mit Adele Sandrock liiert. 1894 lernte Karl Kraus Adele Sandrock und Hermann Bahr kennen und unterhielt auch Kontakt zu Wilhelmine Sandrock. Schriftverkehr zwischen 1899 und 1904 belegt ein enge Vertrautheit zwischen Kraus und Sandrock. 1899 bat sie ihn etwa um eine gute Kritik für ihr Debüt am Kaiser-Jubiläums-Stadttheater und 1904 um Werbung für geplante Auftritte. 1903 veröffentlichte Karl Kraus in der Fackel sogar die Suchanzeige des verlorenen Hundes von Wilhelmine Sandrock und die anschließende Fundmeldung.
Nachdem ihr Vertrag am Hofburgtheater im März 1898 nach 14 Jahren nicht mehr verlängert wurde, kündigte auch ihre Schwester Adele aus Solidarität und der Fall erregte große mediale Aufmerksamkeit: Die beiden Schwestern erhielten sogar eine Audienz beim Kaiser. Wilhelmine erhielt zwar keine Verlängerung, aber eine Gnadenpension und Adele blieb vorerst am Burgtheater. Wilhelmine Sandrock wechselte zunächst an das Kaiser-Jubiläums-Stadttheater (heute Volksoper) und wurde im Juni ans Residenztheater in Berlin verpflichtet. Auch Adele wechselte schließlich ans Deutsche Theater zu Max Reinhardt nach Berlin.
In den nächsten Jahren zog sich Wilhelmine Sandrock allerdings zunehmend aus dem Schauspielberuf zurück. 1905 versteigerte sie ihre gesamte Wohnungseinrichtung im Dorotheum mit der Absicht, sich in ein Kloster zurückzuziehen. Nachdem ihre Schwester und Mutter sie wieder davon abbringen konnten, zog Sandrock nach Berlin, wo sie sich gemeinsam mit ihrer Schwester in Berlin-Charlottenburg eine Wohnung teilte.
Als Adele 1937 starb, erwarb Sandrock eine große Familiengruft am Evangelischen Matzleinsdorfer Friedhof, in der Adele beigesetzt wurde und später auch Wilhelmine. Zuvor konnte Wilhelmine Sandrock noch die Biografie Adeles vollenden und gab sie 1940 heraus.
Quellen
- ANNO: Wilhelmine Sandrock gestorben. In: Die Weltpresse, 29.12.1948, S. 6
- ANNO: Wilhelmine Sandrock 80 Jahre. In: (Neuigkeits) Welt Blatt, 07.02.1941, S. 8
- ANNO: Besuch in Hietzing. In: Mein Film, 1938, S. 2
- ANNO: Letzte Fahrt Adele Sandrocks. In: Die Stunde, 03.09.1937
- ANNO: Auktion Wilhelmine Sandrock. In: Illustrierte Kronen Zeitung, 04.05.1905, S. 8
- ANNO: Wilhelmine Sandrock als Gesangssoubrette. In: Prager Tagblatt, 08.08.1898, S. 4
- ANNO: Verpflichtung ans Residenztheater in Berlin. In: Der Humorist, 10.06.1898, S. 2
- ANNO: Audienz beim Kaiser. In: Linzer Tages-Post, 25.03.1898, S. 7
- ANNO: Wilhelmine Sandrocks Vertrag wird nicht erneuert. In: Wiener Allgemeine Zeitung, 18.03.1898, S. 2
- Die Fackel: Der erste wirkliche Erfolg der "Zeit. In: die Fackel, Heft 142, 6. 1903, V. Jahr, S. 14
- Adele Sandrock, ergänzt und herausgegeben von Wilhelmine Sandrock: Mein Leben. Berlin: Buchwarte-Verlag, 1940.
Literatur
- Jens Malte Fischer: Karl Kraus. Der Widersprecher. Wien: Paul Zsolnay 2020
- Nike Wagner: Geist und Geschlecht. Karl Kraus und die Erotik der Wiener Moderne. Frankfurt am Main: Suhrkamp 1987
- Wikipedia: Wilhelmine Sandrock [Stand: 20.02.2024]
- Hermann Bahr. Österreichischer Kritiker europäischer Avantgarden: Wilhelmine Sandrock [Stand: 20.02.2024]
- biografiA: Sandrock Wilhelmine [Stand: 20.02.2024]
Wilhelmine Sandrock im Katalog der Wienbibliothek im Rathaus.