Adele Sandrock

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Adele Sandrock als "Christine" in Schnitzlers Liebelei, um 1895
Daten zur Person

Adele Sandrock, * 19. August 1864 Rotterdam (Niederlande), † 30. August 1937 Berlin, Schauspielerin.

Biografie

Ihre Eltern waren Eduard Othello Sandrock, ein ehemaliger deutscher Offizier und späterer Kaufmann, und Johanna Simonetta Sandrock, geborene ten Hagen. Sandrock hatte sieben Geschwister, darunter die Schauspielerin Wilhelmine Sandrock und den Schriftsteller und Maler Christian Sandrock. 1874 übersiedelte sie mit ihrer Familie nach der Scheidung ihrer Eltern nach Berlin und erlernte ab diesem Zeitpunkt die deutsche Sprache.

Sie debütierte 1880 in Rotterdam, spielte kurz darauf in Berlin und war in den folgenden Jahren in der Provinz, aber auch am Hoftheater Meiningen tätig, bis sie 1883 am Deutschen Theater Berlin als "Minna von Barnhelm" den Durchbruch schaffte. 1884 holte sie Heinrich Laube ans Wiener Stadttheater; schlagartig berühmt wurde sie mit der Rolle der Iza in Dumas' "Der Fall Clemençeau". In den folgenden Jahren entwickelte sie sich am Deutschen Volkstheater von der jugendlichen Liebhaberin zur kraftvollen Tragödin. Ab 1895 spielte sie am Burgtheater klassische Frauengestalten (Debüt als Maria Stuart) und Rollen in Gesellschaftsstücken (nach dem Erfolg als Christine in Schnitzlers "Liebelei" folgten weitere Schnitzler-Rollen), die sie durch dämonische Leidenschaftlichkeit zur Wirkung brachte. Schnitzler, mit dem sie auch eine Liebesbeziehung einging, hatte sie 1893 kennengelernt, als sie eine Rolle in seinem Stück "Das Märchen" annahm. Dadurch hat Sandrock, die zu diesem Zeitpunkt bereits eine bekannte Schauspielerin war, wohl dazu beigetragen, Arthur Schnitzler als Theaterschaffenden bekannt zu machen.[1] Ein überlieferter Briefwechsel zwischen Sandrock und Schnitzler gibt Einblicke in die wechselhafte Beziehung der beiden zueinander. Zuvor hatte sie mit Max Burckhard eine Liebesbeziehung unterhalten.

1894 machte Sandrock Bekanntschaft mit Karl Kraus und gehörte gemeinsam mit Schnitzler Kraus' Kaffeehausrunden an. Zwischen 1899 und 1904 ist ein regelmäßiger Schriftverkehr zwischen Kraus und den beiden Schwestern Sandrock belegt, der sich im Bestand der Wienbibliothek im Rathaus befindet. Sandrocks Porträt hing sogar in Kraus' Schreibzimmer.

Als im März 1898 der Vertrag ihrer Schwester Wilhelmine, die schon vor Adele Sandrock am Hofburgtheater als Schauspielerin angefangen hatte, nicht erneuert wurde, kündigte Adele Sandrock ihr Engagement. Die beiden Schwester konnten unter großer medialer Aufmerksamkeit nicht nur eine Audienz beim Kaiser erwirken, sondern auch eine Gnadenpension für Wilhelmine. Ursprünglich beantragen beide Schwestern ihr Ausscheiden aus dem Burgtheater und jeweils eine Gnadenpension.[2] Adele blieb jedoch zunächst noch weiterhin für das Hofburgtheater tätig und ging erst 1904 wegen weiterer Unstimmigkeiten aufgrund ihres Lebensstils wieder ans Volkstheater beziehungsweise zu Max Reinhardt ans Deutsche Theater in Berlin (1905–1910), gastierte aber auch an anderen Berliner Bühnen und kehrte immer wieder auch ans Volkstheater zurück. Das Ausscheiden aus dem Burgtheater wurde von Adele Sandrock in ihrer späteren Lebenslaufbahn bereut. Versuche, durch Kontakte und Freunde wieder auf die Bühne des Burgtheaters zu kommen, waren vergebens.[3]

Als sie 1911 engagementlos in Wien lebte, wechselte sie zum Film, in dem sie als skurrile Dame (später als Komische Alte) brillierte und einem breiten Publikum bekannt wurde. Sie wirkte an 77 Stumm- und 83 Tonfilmen mit (darunter "Die Waise von Lowood", 1926; "Der Kongreß tanzt", 1931; "Alles hört auf mein Kommando", 1934; "Die englische Heirat", 1934; "Amphytrion", 1935; "Der Favorit der Kaiserin", 1936). Verewigt hat sie sich als herrschsüchtige Schwiegermutter und geniale Komikerin, wobei ihre dunkle, bedrohliche Stimme die Rollen prägte. Der Rollentausch von der Verführerin hin zur Komischen Alten und ihre zunehmend triester werdende finanzielle Lage wurden von Adele Sandrock schwer verkraftet. Der Erste Weltkrieg und die damit zusammenhängende wirtschaftliche Not zwangen die Schauspiel-Pionierin dazu, jegliche angebotene Rollen annehmen zu müssen.

Sie wohnte in Wien im 1. Bezirk und teilte sich in Berlin-Charlottenburg eine Wohnung mit ihrer Schwester Wilhelmine, die ihre Memoiren "Mein Leben" postum ergänzte und 1940 herausgab. Diesen Lebenserinnerungen folgend, verbrachte Adele Sandrock nach einem Sturz die letzten sechzehn Monate ihres Lebens unter ärztlicher Aufsicht und in Gesellschaft ihrer Schwester. Wilhelmine Sandrock ließ ein Familiengrab am Evangelischen Friedhof Matzleinsdorf mit einem Grabdenkmal von Carl Anselm Zinsler errichten und Adele Sandrock dort bestatten.


Quellen


Literatur

  • Jens Malte Fischer: Karl Kraus. Der Widersprecher. Wien: Paul Zsolnay 2020
  • Friedrich Pfäfflin (Hg.): Aus großer Nähe. Karl Kraus in Berichten von Weggefährten und Widersachern. Göttingen: Wallstein 2008
  • Friedrich Rothe: Arthur Schnitzler und Adele Sandrock: Theater über Theater. Reinbek bei Hamburg: Rohwolt-Taschenbuch-Verlag 1998
  • Richard Bamberger [Hg.]: Österreich-Lexikon in zwei Bänden. Wien: Verlags-Gemeinschaft Österreich-Lexikon 1995
  • Isabella Ackerl / Friedrich Weissensteiner: Österreichisches Personenlexikon der Ersten und Zweiten Republik, Wien: Ueberreuter 1992
  • Jutta Ahlemann: Adele Sandrock. Geschichten eines Lebens. München/Wien: Georg Müller Verlag GmbH 1987
  • Nike Wagner: Geist und Geschlecht. Karl Kraus und die Erotik der Wiener Moderne. Frankfurt am Main: Suhrkamp 1987
  • Herbert Holba / Günter Knorr / Peter Spiegel: Reclams Deutsches Filmlexikon. Filmkünstler aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. Stuttgart: Reclam 1984
  • Hans Markl: Kennst du alle berühmten Gedenkstätten Wiens? Wien [u.a.]: Pechan 1959 (Perlenreihe, 1008) (Register)
  • Walburga Renger: Adele Sandrock. Diss. Univ. München. München 1950
  • Josef Bergauer: Auf den Spuren berühmter Menschen in Wien. Wien: Österreichischer Bundesverlag für Unterricht, Wissenschaft und Kunst 1949, S. 39
  • Ludwig Eisenberg: Das geistige Wien. Künstler- und Schriftsteller-Lexikon, Mittheilungen über Wiener Architekten, Bildhauer, Bühnenkünstler, Graphiker, Journalisten, Maler, Musiker und Schriftsteller. Wien: Daberkow 1889 ff.
  • Österreichisches biographisches Lexikon 1815 – 1950. Hg. von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Wien: Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften / Wien/Graz: Böhlau 1954 - lfd. (Rollen- und Literaturverzeichnis)
  • Rathaus-Korrespondenz, 28.08.1962; 17.09.1964; 27.08.1987
  • Wiener Zeitung, 03.08.1987


Adele Sandrock im Katalog der Wienbibliothek im Rathaus.


Referenzen

  1. Friedrich Rothe: Arthur Schnitzler und Adele Sandrock. Theater über Theater. Berlin: Rowohlt Taschenbuch Verlag 1997, S. 10 ff.
  2. Adele Sandrock, ergänzt und herausgegeben von Wilhelmine Sandrock: Mein Leben. Berlin: Buchwarte-Verlag, 1940, S. 104 f.
  3. Jutta Ahlemann: Adele Sandrock. Geschichten eines Lebens. München/Wien: Georg Müller Verlag GmbH 1987, S. 125