Annemarie Selinko
Annemarie Selinko, * 1. September 1914 Wien, † 28. Juli 1986 Kopenhagen, Schriftstellerin.
Biografie
Annemarie Selinko war die Tochter von Grete Selinko (geb. Wolf) und Felix Selinko, k. k. Rittmeister und Teilhaber der Firma "Brüder Selinko'", die in der Gonzagagasse einen Textilgroßhandel und in Inzersdorf eine mechanische Weberei betrieb. Drei Jahre nach Annemarie wurde ihre Schwester Liselotte geboren. Die Familie war vom jüdischen zum evangelischen Glauben konvertiert Schon als Dreizehnjährige veröffentlichte Annemarie Selinko ihre erste Kurzgeschichte in einer Zeitschrift. 1930 setzte sie sich in der Jugendbeilage der "Neuen Freien Presse" unter dem Titel "Wir sind nicht wie der 'Schüler Gerber'" mit Torbergs neuem Roman auseinander. Nach der Matura studiert zunächst sie Sprachen und Geschichte an der Universität Wien. Das Studium hat sie abgebrochen, um ans Max-Reinhardt-Seminar zu gehen. Hier freundete sie sich mit der Schauspielerin und Autorin Hertha Pauli an, die zu ihrer Mentorin wurde. Zu Selinkos Bekanntenkreis zählten außerdem Joe Lederer, Franz Theodor Csokor, Willi Frischauer, Hans Habe, Rudolf Kalmar und Ann Tizia Leitich. Ihren Lebensunterhalt verdiente Annemarie Selinko als Journalistin. Für Zeitungen verfasste sie Reportagen und Kurzgeschichten und führte zahlreiche Interviews. Slinkos erster Roman "Ich war ein hässliches Mädchen" erschien 1937. Von der Kritik wurde er als zeitgemäßer Roman einer jungen Autorin für junge Leserinnen gelobt und war auch kommerziell erfolgreich. 1955 verfilmte Wolfgang Liebeneiner das Buch. Aufsehen erregte das Interview, das sie beim Völkerbundtreffen 1938 mit dem französischen Außenminister geführt hat: Sie wurde Korrespondentin der Pariser Tageszeitung "L’Intransigeant". Im selben Jahr erschien ihr zweiter Roman "Morgen ist alles besser". Die Protagonistin Toni Huber schafft den gesellschaftliche Aufstieg vom ungeliebten Waisenmädchen zum damaligen Traumberuf Radiosprecherin. Als Symbol für Unabhängigkeit und Erfolg steht ihre "Junggesellenwohnung" im Hochhaus in der Herrengasse. Auch dieses Buch fand großen Anklang beim Publikum. Selinkos Bücher wurden als kurzweilig, unterhaltsam und als "die gegebene Reise- und Urlaubslektüre" rezensiert. Die Autorin wurde mit Vicki Baum verglichen. In einer Wohnung im Hochhaus soll Annemarie Selinko einen Tag vor dem sogenannten "Anschluss" ihre Flucht nach Dänemark beschlossen haben. Im Juni 1938 heiratete sie den dänischen Diplomaten Kerking Kristiansen. Im Exil schrieb Selinko den Roman "Heute heiratet mein Mann". Die Handlung spielt vor zeithistorischem Hintergrund weist autobiografische Züge auf. Nach der Okkupation Dänemarks durch die Deutschen schlossen sich Annemarie Selinko und ihr Mann dem Widerstand an. 1943 kam sie kurz in Gestapo-Haft. Unter Fischernetzen versteckt, gelang es dem Ehepaar schließlich, im Boot nach Schweden zu entkommen. Beim Schwedischen Roten Kreuz engagierte sie sich als Pflegerin und Dolmetscherin und unterstützte die Initiative des Grafen Folke Bernadotte, der die Freilassung von rund skandinavischer 20.000 KZ-Häftlingen erreichte. Durch Bernadotte wurde die Autorin auf Désirée Clary aufmerksam. Die Biografie der Dame, die zunächst mit Napoleon verlobt war, bevor sie Jean-Baptiste Bernadotte, den späteren König Karl XIV. Johann schon Schweden geheiratet hat, hat Annemarie Selinko zu ihrem Tagebuchroman "Désirée" inspiriert. Der Bestseller wurde in 25 Sprachen übersetzt und 1954 in Hollywood mit Marlon Brando und Jean Simmons in den Hauptrollen verfilmt. Gewidmet hat Annemarie Selinko den Roman ihrer Schwester Liselotte. Diese wurde ebenso wie deren Ehemann Kurt Roeder und die gemeinsame Tochter Antoinette, sowie beide Großmütter im Holocaust ermordet worden. Die Mutter Grete konnte Annemarie Selinko zwar noch nach Dänemark folgen und beging 1946 Selbstmord. 1948 wurde Annemarie Selinko Mutter eines Sohnes. Auf Einladung des P.E.N. Klubs kehrte die Autorin erstmals wieder nach Österreich zurück. Annemarie Selinko begleitete ihren Mann auf seinen diplomatischen Missionen, unter anderem nach Paris und London, wo er von 1964 bis 1977 Botschafter war. Ihren Lebensabend verbrachte die Autorin in Kopenhagen. Sie starb 1986 und wurde in Kopenhagen begraben. Ihr Vermögen vermachte sie einem Fonds, der Stipendien für Studierende der Wirtschaftswissenschaft der Universität Kopenhagen vergibt. In Erinnerung an den Sohn der Schriftstellerin, der 1972 kurz nach dem Abschluss seines Studiums tödlich verunglückt ist, wurde der Mikael Kristiansen-Pris gestiftet.
Quelle
- Wienbibliothek im Rathaus / Tagblattarchiv: Personenmappe Annemarie Selinko (TP 033102)
Literatur
- Ruth Hanisch / Harald R. Stühlinger / Iain Boyd Whyte [Hrsg.]: Metropole Wien. Eine Anthologie zu Architektur und Stadtkultur 1850 – 1945. Basel: Birkhäuser 2025