Alfred Wödl
Alfred Wödl, * 25. November 1934 Wien, † 22. Februar 1941 Wien.
Biografie
Alfred Wödl kam als lediger Sohn der späteren Aushilfskrankenschwester Anna Wödl in Wien zur Welt. Seine Großeltern stammten aus Ungarn und hatten sich nicht um die österreichische Staatsbürgerschaft beworben, weshalb er und seine Mutter als "staatenlos" galten. Wenige Wochen vor seiner Geburt hatte Anna Wödl eine schwere Rauchgasvergiftung erlitten und im Laufe der Zeit stellte sich heraus, dass Alfred in seiner Entwicklung beeinträchtigt war. Als er im Alter von zwei Jahren wegen einer Gelenksentzündung in der Kinderklinik Glanzing in Behandlung war, wurde er als "geistig zurückgeblieben" eingestuft. Am 1. April 1939 wurde Alfred in die "Landes Pflege- und Beschäftigungsanstalt für schwachsinnige Kinder in Gugging" aufgenommen. Als uneheliche Mutter verfügte Anna Wödl nicht über das Sorgerecht über ihren Sohn, das bei einer Behörde, der Landesberufsvormundschaft Wiener Neustadt lag. Diese verfügte, dass das Kind nicht ohne behördliche Zustimmung an die Mutter übergeben werden dürfe.
Anna Wödl, die ab November 1939 als Aushilfskrankenschwester im Militärlazarett des Allgemeinen Krankenhauses in Wien angestellt war, besuchte ihren Sohn regelmäßig in Gugging. Über Bekannte erfuhr sie 1940 davon, dass Patient*innen der Städtische Jugendfürsorgeanstalt 'Am Spiegelgrund' über Nacht vorgeblich an die Ostsee "transferiert" wurden und unter unklaren Umständen zu Tode kamen. Später sollte sich herausstellen, dass sie nach Schloss Hartheim bei Linz gebracht und vergast wurden. Aus Solidarität mit diesen Patient*innen und deren Angehörigen fuhr Anna Wödl nach Berlin und protestierte – ohne Erfolg – gegen dieses Vorgehen.
Im Jänner 1941 war auch Alfred für einen Abtransport vorgesehen. Erneut reiste seine Mutter nach Berlin und setzte sich diesmal für ihr eigenes Kind ein. Im Wissen, seine Ermordung nicht verhindern zu können, erbat sie, dass Alfred in Wien sterben dürfe, um ihm zumindest die Qualen der Verschleppung zu ersparen. Schließlich wurde ihr gestattet, ihn nach Steinhof bringen zu lassen, wo er durch eine Injektion sterben würde. Auch wurde ihr zugesagt, dass sie die Leiche ihres Kindes sehen dürfe.
Am 29. Jänner 1941 ersuchte Primar Dr. Erwin Jekelius, ärztlicher Leiter der "Kinderfachabteilung" am Spiegelgrund, schriftlich um die Überstellung Alfred Wödls. Am 6. Februar 1941 wurde das Kind von Gugging in die "Wiener Städtische Jugendfürsorgeanstalt Am Spiegelgrund" überstellt. Wenige Tage später, am 14. Februar, erstellte die Psychologin Dr. Edeltraud Baar ein psychologisches Gutachten über Alfred Wödl, in dem sie ihm "Schwachsinn allerschwersten Grades" attestierte und festhielt, dass bei ihm "keinerlei Bildungsmöglichkeit vorhanden" sei. Am 17. Februar durfte Anna Wödl ihren Sohn ein letztes Mal besuchen. Am 22. Februar 1941 wurde er vom ärztlichen und pflegerischen Personal mit dem Gift Luminal ermordet. Zuvor wurde das abgemagerte und geschwächte Kind noch mit einer Luftencephalographie (dabei wird über eine Punktionsnadel aus dem lumbalen Rückenmarkskanal Liquor entnommen und durch Luft ersetzt) gequält. Wie vereinbart durfte Anna Wödl ihr Kind in der Aufbahrungshalle auf dem Wiener Zentralfriedhof sehen. Alfred Wödl wurde von Dr. Heinrich Gross obduziert, dabei wurden Gehirn und Rückenmark entnommen und präpariert. Die Präparate wurden im April 2002 in einem Ehrenhain am Wiener Zentralfriedhof beigesetzt.
In Wiener Neustadt, wo Anna Wödl viele Jahre lebte, wurde 2013 ein Stolperstein für Alfred Wödl verlegt. In Wien erinnern am Zentralfriedhof das "Denkmal für ermordete Kinder der NS-Euthanasieanstalt 'Am Spiegelgrund'", auf der Baumgartner Höhe ein "Mahnmal für die Opfer vom Spiegelgrund" sowie eine Gedenktafel an die schrecklichen Morde.
Literatur
- Anton Blaha: Anny Wödl – eine mutige Neustädterin. In: Eibisch-Zuckerl. Straßenzeitung – Plattform für soziale Anliegen, Nummer 60, Februar/März 2013, S. 4–7 [Stand: 26.07.2022]
- Waltraud Häupl: Die ermordeten Kinder vom Spiegelgrund. Gedenkdokumentation für die Opfer der NS-Kindereuthanasie in Wien. Wien/Köln/Weimar Böhlau 2006, S. 604
- Gerhard Fürstler / Peter Malina: "Ich tat nur meinen Dienst". Zur Geschichte der Krankenpflege in Österreich in der NS-Zeit. Wien: facultas 2004, S. 33, 304, 394
- Gerhard Fürstler / Peter Malina: Österreichische Pflegepersonen aus der Zeit des Nationalsozialismus, Teil 1: Die Wiener Krankenschwester Anny Wödl. Historische Pflegeforschung. In: Österreichische Pflegezeitschrift März 2003, S. 24–27
- Susanne Mende: Die Wiener Heil- und Pflegeanstalt "Am Steinhof" im Nationalsozialismus. Frankfurt am Main u.a.: Peter Lang 2000, S. 196–198. Hier ist die Zeugenaussage Anna Wödls im Verfahren gegen Dr. Ernst Illing u. a. vom 1. März 1946 abgedruckt, allerdings der Sekundarliteratur folgend, die Akten wurden von der Autorin nicht eingesehen.
- Personendatenbank des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstandes: Wödl, Alfred [Stand: 26.07.2022]