Andreas Treichl
Andreas Treichl, * 16. Juni 1952 Wien, Bankmanager.
Biografie
Andreas Treichl kam als zweiter Sohn von Helga und Heinrich Treichl in Wien zur Welt. Sein Vater war ein angesehener Bankier, der über viele Jahre als Generaldirektor die Creditanstalt leitete. Seine Mutter stammte aus der Verlegerfamilie Ullstein und arbeitete als Übersetzerin. Bruder Michael Treichl (1948–2017) war ebenfalls im Finanzwesen tätig.
Ausbildung und Karriere
Andreas Treichl maturierte 1970 am Schottengymnasium und studierte anschließend von 1971 bis 1975 Volkswirtschaft an der Universität Wien. Der seit seiner Jugend an Kultur, vor allem an Literatur und Musik Interessierte erlernte Klavier und Saxofon und erwog zwischenzeitlich eine Karriere als Dirigent. Schließlich entschied er sich doch für eine Laufbahn im Bankwesen und absolvierte verschiedene Trainingsprogramme bei großen US-amerikanischen Banken wie Citibank (1976), Morgan Stanley (1976) und Brown Brothers Harriman (1977). Ab 1977 arbeitete er in der Kreditabteilung der Chase Manhattan Bank in New York, später war er für dieses Unternehmen auch in Brüssel und Athen tätig. 1983 kehrte Andreas Treichl nach Wien zurück und wurde Bereichsleiter für Großkunden bei der Erste Bank. Ab 1986 war er sieben Jahre lang Vorstandsvorsitzender der Österreich-Tochter der Chase Manhattan Bank. Diese Funktion behielt er auch bei, als das Unternehmen 1993 von der französischen Crédit Lyonnais Austria übernommen wurde. Im Jahr darauf wechselte Treichl als Vorstandsmitglied in die "Erste Österreichische Sparkasse" und verantwortete das Kommerzkundengeschäft und die Auslandsfilialen. 1997 wurde er zum Generaldirektor der Erste Bank der österreichischen Sparkassen AG bestellt, eine Funktion, die er bis Ende 2019 innehatte.
Unter seiner Leitung entwickelte sich die Erste Bank von einer lokalen Sparkasse zu einer führenden zentraleuropäischen Privatkundenbank mit Schwerpunkt auf Osteuropa. Bereits kurz nach seinem Antritt als Generaldirektor kam es zu großen Umstrukturierungen. So fusionierte er die Erste Bank mit der GiroCredit Bank AG und änderte den Namen von "Die Erste österreichische Spar-Casse – Bank AG" in "Erste Bank der oesterreichischen Sparkassen AG". Im Herbst 1997 erfolgte der höchst erfolgreiche Börsengang des Unternehmens. Zwischen 1997 und 2007 schloss sich ein Expansionskurs mit Erwerbungen von Banken in Ungarn, Tschechien, der Slowakei, Kroatien, Serbien, Rumänien und der Ukraine an.
Zudem initiierte er die Gründung der Erste Stiftung, die Hauptaktionärin der Erste Group ist und Teile ihrer Dividenden in die Förderung von Kultur und sozialer Innovation investiert. Bei einem der daraus entstandenen Projekte handelt es sich um die "Zweite Wiener Vereins-Sparcasse", kurz "Die Zweite", eine Bank für Menschen, die aufgrund ihrer finanziellen Problemsituation bei anderen Banken als Kunden abgewiesen werden. Treichl setzt sich seit vielen Jahren für eine bessere Vermittlung von wirtschaftlichen und finanziellen Zusammenhängen im Schulunterricht ein. In Kooperation mit der Erste Stiftung und der Erste Group wurde mit dem Financial Life Park ein Projekt zur Finanzbildung ins Leben gerufen.
In Folge der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008 musste Andreas Treichl faule Kredite und Fehlinvestitionen der Erste Bank eingestehen. Wie viele andere Banken auch, griff das Unternehmen auf staatliche Subventionen zurück, welche innerhalb von wenigen Jahren verzinst zurückgezahlt wurden. Ab 2016 konnte die Bank wieder Gewinne erzielen. Unter Treichls Leitung wurde die Digitalisierung des Unternehmens vorangetrieben und beispielsweise die Internetbanking-Plattform George aufgebaut. 2016 bezog die Erste Bank ihr neues Hauptquartier, den Erste Campus, am Areal des ehemaligen Südbahnhofs.
Politisches Engagement
Im Umfeld von vor allem Erhard Busek engagierte sich Treichl über mehrere Jahre für die ÖVP. 1978 leitete er Buseks sehr erfolgreichen Wien-Wahlkampf. Von 1991 bis 1997 war er Finanzreferent der Partei. Auf seine Empfehlung hin erfolgte 1993 die Übersiedelung der ÖVP-Zentrale vom prestigeträchtigen Palais Todesco in die Lichtenfelsgasse. Treichl, der sich offen für eine Vermögens- und Erbschaftssteuer ausspricht, tritt immer wieder als Kritiker der Wirtschaftspolitik, vor allem der Steuerpolitik, in Erscheinung.
Sonstiges
Zu Jahresbeginn 2021 folgte Andreas Treichl Franz Fischler als Präsident des Europäischen Forums Alpbach nach. Er ist zudem Aufsichtsratsvorsitzender der Erste Stiftung sowie Aufsichtsrat der Wiener Staatsopern GmbH und bekleidet Funktionen in einigen weiteren Unternehmen und Privatstiftungen.
Der 2019 vom Fachmagazin "Euromoney" als "Banker des Jahres 2019" ausgezeichnete Bankmanager ist mit Desirée Treichl-Stürgkh verheiratet. Das Paar hat drei gemeinsame Söhne.
Literatur
- Andreas Treichl wird neuer Präsident des Forums Alpbach. In: Der Standard, 14.05.2020 [Stand: 13.07.2021]
- Erste-Chef Treichl: "Durch Nullzinsen öffnet sich Vermögensschere immer mehr". In: Der Standard, 01.12.2019 [Stand: 13.07.2021]
- Andreas Treichl: Der Abgang des Entertainers. In: Wiener Zeitung, 15.12.2019 [Stand: 13.07.2021]
- Landeshauptmann Häupl verlieh Ehrenzeichen. In: Rathauskorrespondenz, 20.01.2005 [Stand: 13.07.2021]