Gundelhof (1., Bauernmarkt 4, Brandstätte 5; Konskriptionsnummer 588).
Gundelhof
Namensgebung
Der Gundelhof wurde nach der angesehenen Tiroler Familie der Gundlach (verballhornt in Gundel) benannt, welche 1495 in den Besitz des Hofs kam.
Geschichte
Zum ersten Mal wird hier 1351 ein Haus erwähnt, das dem Bürgermeister Berthold Poll gehörte und in dem sich eine dem heiligen Thomas geweihte Kapelle befand. 1422 wurde es mitsamt der Kapelle vom Stadtanwalt Hans Zink verkauft, wobei hier vom Haus, "das weilent drei Häuser gewesen sind", die Rede ist. In den Jahren 1434 bis 1461 gehörte es Peter (Lorenz?) Strasser. Die häufige Annahme, dass die Thomaskapelle erst von ihm errichtet worden sei, ist falsch, da sie bereits 1343 erwähnt wird. Es ist aber möglich, dass die Kapelle um 1450 erneuert wurde.
Von Peter Strasser, bei dem der 1458 anlässlich der Landtagsausschreibung von Wiener Neustadt nach Wien kommende Friedrich III. für drei Tage gewohnt hatte, gelangte das Haus 1461 an dessen Witwe Kunigunde, die es 1490 ihrem zweiten Gatten Georg von Gundlach vermachte, der das Gebäude umbauen ließ. Dabei erhielt der Hof seinen Namen. Als Georg von Gundlach 1515 Schulden nicht beglich, wurde das Haus von der Schranne einem Gläubiger zugesprochen. Danach kam es zu einem häufigen Besitzerwechsel.
1607 erwarb der Bürgermeister Augustin Haffner den Gundelhof, ließ die bereits verfallene Thomaskapelle wiederherstellen und gründete eine Messstiftung. Danach wurden hier wieder heilige Messen gelesen. Über seine Gattin Barbara kam 1617 der Bürgermeister Paul Wiedemann in den Besitz des Hauses. Er ließ die Ausstattung der Kapelle erweitern und vergrößerte die Messstiftung. Am 16. Juli 1696 kaufte Bartholomäus Tinti den Hof, dessen in den Freiherrenstand erhobene Familie ihn über 100 Jahre lang besaß.
1800 hatte Erzherzog Ferdinand d'Este, der Bruder Kaiser Josephs II., den Gundelhof erworben und vererbte ihn seinem Sohn, Erzherog Franz, Freiherr von Modena. Am 20. April 1810 verkaufte dieser den Gundelhof an den Juwelier Bruno Neuling, der ihn seinem Sohn Vinzenz vererbte. Salomon Mayer Rothschild wurde am 31. August 1843 Besitzer des Hauses. Noch ein Jahr vor seinem Tod im Jahr 1855 ließ er einen Zubau errichten.
Börse
1802 wurde die erste Wiener Börse vom Haus "Zum grünen Fassel" (1, Kohlmarkt 8-10) vorübergehend hierher verlegt.
Sonnleithnerscher Salon
Im Vormärz befand sich hier der bekannte Sonnleithnersche Salon, der größte musikalische Salon seiner Zeit, der vor allem von Franz Schubert und seinem Freundeskreis, aber auch von Franz Grillparzer und Karoline Pichler besucht wurde.
Architektur
Der Hof bildete einen imposanten Anblick. Rundbogige Gewölbetüren mit vorspringenden Dächern und ein massives Haustor deuteten sein hohes Alter an. Im Hof des Gebäudes standen Verkaufsbuden. Hier wurde bis zur Demolierung der Häuser der Gänsemarkt abgehalten (ursprünglich stand auch der Gänsemädchenbrunnen hier). Der Gundelhof schloss die Brandstätte zum Bauernmarkt hin ab, sodass diese nur durch den Hof oder durch zwei Schwibbogen vom Stephansfreithof aus betreten werden konnte.
Der Komplex beherbergte auch zwei bekannte Gasthäuser, den "Goldenen Stern" und die "Eiche" (in welcher Beethoven oft anzutreffen war).
Nachfolgebauten
1877 ließ die Stadtbaugesellschaft den Gundelhof, den sie 1873 erworben hatte, demolieren und durch ein modernes Miethaus ersetzen, das im April 1945 ausbrannte und 1949 neu aufgebaut wurde.
Gewerbe und Firmen innerhalb des Hauses im Laufe der Jahre
- Gasthäuser "Goldenen Stern" und "Eiche"
- Gänsemarkt im Hof
- Café Hönig
Quellen
Literatur
- Margarete Girardi: Wiener Höfe einst und jetzt. Wien: Müller 1947 (Beiträge zur Geschichte, Kultur- und Kunstgeschichte der Stadt Wien, 4), S. 92 ff. (Gundelhof), 286 (Thomaskapelle);
- Wilhelm Kisch: Die alten Straßen und Plätze von Wiens Vorstädten und ihre historisch interessanten Häuser. (Photomechan. Wiedergabe [d. Ausg. v. 1883]). Cosenza: Brenner 1967, Band 1, S. 400 ff.
- Gustav Gugitz: Das Wiener Kaffeehaus. Ein Stück Kultur- und Lokalgeschichte. Wien: Dt. Verlag für Jugend und Volk 1940, S. 149, 176, 218
- Kobald: Musikstätten. 1929, S. 151
- Franz Baltzarek: Die Geschichte der Börselokalitäten. In: Wiener Geschichtsblätter. Band 26. Wien: Verein für Geschichte der Stadt Wien 1971, besonders S. 193
- Gustav Gugitz: Bibliographie zur Geschichte und Stadtkunde von Wien. Hg. vom Verein für Landeskunde von Niederösterreich und Wien. Band 3: Allgemeine und besondere Topographie von Wien. Wien: Jugend & Volk 1956, S. 347
- Paul Harrer-Lucienfeld: Wien, seine Häuser, Geschichte und Kultur. Band 1, 3. Teil. Wien ²1951 (Manuskript im WStLA), S. 718-720