Burghart Schmidt

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Daten zur Person
PersonennameName der Person im Format Nachname, Vorname Schmidt, Burghart
Abweichende NamensformAlternative Formen des Namens wie z.B. Pseudonyme oder Mädchennamen im Format Nachname, Vorname
TitelAkademische Titel (abgekürzt), Amtstitel, Adelstitel
Geschlecht männlich
Wien Geschichte WikiIdentifier/Persistenter URL zur Seite  365514
GNDGemeindsame Normdatei 128581387
Wikidata
GeburtsdatumDatum der Geburt 30. November 1942
GeburtsortOrt der Geburt Wildeshausen 4066114-3
SterbedatumSterbedatum 13. Februar 2022
SterbeortSterbeort Wien 4066009-6
BerufBeruf Philosoph, Hochschullehrer
ParteizugehörigkeitAngabe der Partei (bei PolitikerInnen)
EreignisEreignis, mit dem die Person in Verbindung gebracht wird
Nachlass/Vorlass Wienbibliothek im Rathaus
Siehe auchVerweist auf andere Objekte im Wiki 
RessourceUrsprüngliche Ressource 
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Letzte Änderung am 4.08.2023 durch WIEN1.lanm09p15
BestattungsdatumDatum der Bestattung 
FriedhofFriedhof, auf dem eine Person begraben wurde
Grabstelle
  • 4., Argentinierstraße 35/21 (Letzte Wohnadresse)
Familiäre Beziehung
Berufliche Beziehung
Beziehung, Bekanntschaft, Freundschaft

Burghart Schmidt, * 30. November 1942 Wildeshausen, † 13. Februar 2022 Wien, Philosoph.

Biografie

Burghart Schmidt wurde am 30. November 1942 in Wildeshausen (Landkreis Oldenburg) geboren. Er wuchs in Wilhelmshaven auf, wo er auch Abitur machte. Obwohl er der Heimat an der Nordseeküste stets verbunden blieb, ging Schmidt 1962 an die Eberhard-Karls-Universität Tübingen, um sein Neigungsstudium Biologie (mit den Nebenfächern Chemie und Physik) aufzunehmen, das er 1966 abschloss. Anschließend nahm Schmidt ein zweites Studium auf und schrieb sich ebenfalls in Tübingen für die Fächer Philosophie und Kunstgeschichte ein; das Zweitstudium beendete er 1970.

Schon während seines Biologiestudiums lernte Schmidt den berühmten Philosophen Ernst Bloch kennen, der sich, als es im August 1961 zum Bau der Berliner Mauer kam, im Westen aufgehalten hatte und es vorzog, nicht mehr an die Universität Leipzig zurückzukehren. Er ließ sich stattdessen in Tübingen nieder. Schmidt avancierte zum Assistenten Blochs und wurde bald dessen rechte Hand. Dies im buchstäblichen Sinne, denn Blochs schwerwiegende Sehbehinderung wurde nach 1968 derart gravierend, dass Bloch ohne Schmidts Augen und Hände kein Publizieren mehr möglich gewesen wäre. Schließlich mutierte Schmidt zum wichtigsten Motor für die Gesamtausgabe Blochs, die es bei Suhrkamp bis 1977 auf 16 Bände (sowie einen Ergänzungsband) brachte. Zudem war Schmidt auch an anderen Bloch-Editionen federführend bzw. maßgeblich beteiligt, wie an den vierbändigen "Leipziger Vorlesungen" oder der zweibändigen Auswahl der Briefe Blochs (beides Frankfurt/M.: Suhrkamp 1985).

Obwohl Schmidt Lehraufträge bereits nach Wuppertal (1971–75), Hannover (1976) und auch nach Wien (Universität für angewandte Kunst, ab 1977) geführt hatten, konnte er seine eigene wissenschaftliche Karriere erst nach Blochs Tod im Jahr 1977 starten; bis dahin fühlte er sich dem Werk des Freundes verpflichtet. Schmidt promovierte 1981 in Tübingen mit der Studie D"er Widerstand des Realen in der Arbeitsstruktur des Erkennens zum Methodenplan des praxisorientierten Wissens". Drei Jahre später habilitierte er sich in Hannover mit der Arbeit "Kritik der reinen Utopie – eine sozialphilosophische Untersuchung im Feld der Wirksamkeit antizipatorischen Bewusstseins". Es folgten Gastprofessuren in Hannover und Lehrtätigkeiten in Wien (Universität für angewandte Kunst, 1987–1997 sowie Akademie der bildenden Künste, 1983–1997). Dort hat Schmidt Generationen von Studenten geprägt, wie Armin Thurnher in seiner "Elegie auf Burghart Schmidt" betont: "Das aber konntest du gut, ein Lehrender warst du. In ewiger Dankbarkeit denk ich der Benjamin-Stunden, die du uns gabst in der Annagasse im ersten Bezirk, da war’n seine Schriften in Auszügen erst zur Verfügung." Nach Wien waren Schmidt und seine Frau, die Wienerin Ingrid Greisenegger, Ende der 1970er-Jahre übersiedelt. In der Metropole wurde er zu einem unverzichtbaren Fixstern der intellektuellen Szene, der sich mit Friedrich Achleitner, Rudolf Burger, Josef Haslinger, Adolf Holl oder Leo Sprecht im ständigen Austausch befand. Eng war Schmidt auch mit Dorothea Zeemann, der langjährigen Freundin Heimito von Doderers, die nicht nur ihren Bloch kannte, sondern auch zur feinsten Wiener Küche lud. Sein engster Freund aber war Franz Schuh. Schmidt war bei den Wiener Festwochen genauso präsent wie bei den Wiener Vorlesungen und entwickelte die erfolgreiche Wiener Vortragsreihe "Kitsch & Klatsch", die auch als Buch erschien. 1998 wurde Schmidt als Professor für Philosophie und Ästhetik an die Hochschule für Gestaltung in Offenbach am Main berufen. Den Lehrstuhl hatte er bis zur Emeritierung 2011 inne. Seinen Wiener Wohnsitz behielt Schmidt aber bei, genauso hielt er an seiner Gastprofessur an der Universität für angewandte Kunst fest. Auch Bloch und dessen Werk blieb er weiterhin verpflichtet. Schon 1979 war Schmidt beratend beim Aufbau des Bloch-Archivs an der Stadtbibliothek Ludwigshafen am Rhein beteiligt. 1986 wurde er zum Präsidenten der Bloch-Gesellschaft gewählt, 2006 wurde er deren Ehrenpräsident.

Schmidt legte ein umfängliches philosophisches und publizistisches Œuvre vor, bestehend aus zahlreichen Monographien und einem kaum überblickbaren Werk, das in Sammelbänden und Periodika erschien. Auch als Vortragender, vor allem als Redner bei Vernissagen größerer und kleinerer Wiener Kunstausstellungen, erfreute er sich einiger Beliebtheit. "Er war eine fixe Größe von enormer Strahlkraft im österreichischen Kunst- und Literaturbetrieb" – so wurde Gerhard Ruiss im "Standard" nach Burghart Schmidts Tod zitiert.


Werke

  • Der Widerstand des Realen in der Arbeitsstruktur des Erkennens zum Methodenproblem des praxisorientierten Wissens. Tübingen 1982 (Dissertation)
  • Benjamin zur Einführung. Mit einem Beitrag von Willem van Reijen. Hannover: SOAK-Verlag 1983
  • Kritik der reinen Utopie. Eine sozialphilosophische Untersuchung. Stuttgart Metzler 1988 (Habilitationsschrift, zuerst Hannover 1984)
  • Ernst Bloch. Stuttgart: Metzler 1985
  • Das Widerstandsargument in der Erkenntnistheorie. Ein Angriff auf die Automatisierung des Wissens. Frankfurt/M.: Suhrkamp 1985
  • Käufliche und unverkäufliche Schönheit. Revision an der Kritik der Warenästhetik. Wien: Institut für Gesellschaftspolitik 1986
  • Postmoderne – Strategien des Vergessens. Ein kritischer Bericht. Darmstadt, Neuwied: Luchterhand 1986
  • Über: „LAB-ART ist.“ Oder: über die Buchstäblichkeit des Darstellens. Einsatzstellen Peter Daniels im geschichtsdurchsetzten Gegenwartsgeist. Wien: Ed. Splitter 1993
  • Am Jenseits zu Heimat. Gegen die herrschende Utopiefeindlichkeit im Dekonstruktiven. Ein Essay mit Anhang. Wien: Deuticke 1994
  • Kitsch und Klatsch. Fünf Wiener Vortragsessays zu Kunst, Architektur und Konversation. Wien: Ed. Splitter 1994
  • Schriftbild in Collage. Wien: Ed. Splitter 1994 [mit Eugen Gomringer]
  • Zeitökonomie des Individualismus. Giordano Bruno und die Folgen. Wien: Ed. Splitter 1996
  • Kinderphilosophieren. Wien: Ed. Splitter 1997
  • Bild im Ab-wesen. Zu einer Kunsttheorie des Nahezu-Negativen im schwierigen Schein des „Bilderverbots“. Wien: Ed. Splitter 1998
  • Gezeitenalphabet. [Fraktale Poesie]. Wien: Ed. Splitter 1999 [mit Peter Daniel]
  • Teddybär & Gartenzwerg. Zur Philosophie durchputzbar-abwaschbarer Handlichkeit; oder: Über Papst- und Walserdebatte 1998; eine Schmähschrift zum Jahrtausendende. Wien: Ed. Splitter 1999
  • Kopfstand – Buchstand. Erinnerungen an Ernst Bloch in anekdotischen Aufzeichnungen. Wien: Ed. Splitter 2001
  • Überprüfung Österreichs? Schon zeitgeschichtliche Überlegungen zum Alpenrand. St. Ingbert: Röhrig 2001

Quellen

Literatur


Burghart Schmidt im Katalog der Wienbibliothek im Rathaus.


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