Ernest von Koerber

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Ernest von Koerber
Daten zur Person

Ernest von Koerber, * 6. November 1850 Trient (Trento, damals Tirol, seit 1919 Italien), † 5. März 1919 Baden bei Wien, Jurist, Ministerpräsident.

Biografie

Ernest von Koerber wurde als Sohn des Gendarmerieoffiziers Joseph von Koerber (1815-1878) und dessen Ehefrau Ernestine (1822-1905) geboren. Zu seinen Verwandten und Vorfahren zählten hohe Beamte und Offiziere. Nach dem Besuch der Theresianischen Akademie studierte er Rechts- und Staatswissenschaften an der Universität Wien (Promotion 1872).

Nach der Absolvierung des Gerichtsjahres trat er 1874 in das Handelsministerium ein, beschäftigte sich vor allem mit dem öffentlichen Verkehrswesen und avancierte rasch in der Beamtenhierarchie. 1895 wurde er zum Generaldirektor der österreichischen Staatsbahnen bestellt und bereitete die Umwandlung der Generaldirektion in das k.k. Eisenbahnministerium vor, das am 17. Jänner 1896 seinen Betrieb aufnahm und bis 11. November 1918 bestand.

Nachdem er 1897 bis 1898 als Handelsminister im Kabinett Gautsch und 1899 als Innenminister im Kabinett Clary-Aldringen Regierungserfahrung gesammelt hatte, bestellte ihn Kaiser Franz Joseph I. am 18. Jänner 1900 zum Ministerpräsidenten eines Beamtenkabinetts, in dem er auch das Innenressort sowie ab 1902 auch das Justizressort übernahm. Seine Versuche, durch gesetzliche Maßnahmen einen Ausgleich zwischen den Nationalitäten Cisleithaniens zu finden und die deutsch-tschechische Obstruktion im Reichsrat zu beenden, misslangen. Er konnte aber im Reichsrat ein Milliardenprogramm zur Belebung der Wirtschaft (darunter der Bau des Donau-Oder-Kanals und von Bahnstrecken sowie der Ausbau des Hafens in Triest) durchsetzen. Durch Beharrlichkeit gelangen ein finanzieller Ausgleich mit der ungarischen Reichshälfte (1902/1903) und die Vorbereitung versöhnlicher Besuche des Kaisers in Prag, in Deutschböhmen und Galizien. Zwangsmaßnahmen gegen die Presse lehnte er ab; auch das Vereinswesen (insbesondere der Arbeiterschaft) blieb in seiner Regierungszeit unbehelligt.

Auch wenn seine Regierungszeit eine leichte Beruhigung im Konflikt der Nationalitäten brachte, scheiterten tiefgreifende Reformen (etwa eine Wahlrechtsreform, eine Verwaltungsreform oder die Erweiterung der Sozialgesetzgebung) im Parlament. Am 31. Dezember 1904 legte Koerber sein Amt aus gesundheitlichen Gründen zurück und lebte dann zurückgezogen, ohne sich in der Öffentlichkeit zu engagieren. Weite Reisen führten ihn in dieser Zeit bis Südamerika, außerdem fungierte er als Kurator-Stellvertreter der Akademie der Wissenschaften, deren Ehrenmitglied er 1906 wurde.

Erst im Februar 1915 wurde er gemeinsamer Finanzminister von Österreich-Ungarn und übernahm nach der Ermordung von Karl Graf Stürgkh im Oktober 1916 das Amt des Ministerpräsidenten. Schon bald nach dem Tod Kaiser Franz Josephs trat Koerber im Dezember 1916 zurück, nicht zuletzt, weil er sich mit Kaiser Karl I. nicht verstand und dessen Nachgiebigkeit, etwa gegenüber Ungarn, missbilligte.

Nach dem Zerfall Österreich-Ungarns Ende Oktober 1918, der Verzichtserklärung des Kaisers vom 11. November und der Gründung Deutschösterreichs als Republik am 12. November 1918 wurde Koerber als Präsident des am 6. Februar 1919 beschlossenen deutschösterreichischen Verwaltungsgerichtshofes in Aussicht genommen; am 14. Februar 1919 wurde aber Karl Grabmayr, letzter Präsident des k.k. Reichsgerichts, zum VwGH-Präsidenten ernannt. Koerber starb drei Wochen später.


Literatur

  • Neue Deutsche Biographie. Band 12: Kleinhans – Kreling. Berlin: Duncker & Humblot 1980
  • Biographisches Wörterbuch zur deutschen Geschichte. Begründet von Hellmuth Rössler und Günther Franz, bearbeitet von Karl Bosl [u.a.]. München: A. Francke 1973-1975
  • Alfred Ableitinger: Ernest von Koerber und das Verfassungsproblem im Jahre 1900. Österreichische Nationalitäten- und Innenpolitik zwischen Konstitutionalismus, Parlamentarismus und oktroyiertem allgemeinem Wahlrecht. Wien [u.a.]: Böhlau 1973 (Studien zur Geschichte der österreichisch-ungarischen Monarchie, 12 ; Schriften des Franz-Josef-Mayer-Gunthof-Fonds, 9)
  • Österreichisches Biographisches Lexikon. Band 4. Wien: Österreichische Akademie der Wissenschaften 1966
  • Hans Markl: Kennst du die berühmten letzten Ruhestätten auf den Wiener Friedhöfen? Band 1: Zentralfriedhof und Krematorium (Urnenhain). Wien: Pechan 1961, S. 29
  • Neue österreichische Biographie. 1815–1918. Band 1. Wien [u.a.]: Amalthea-Verlag 1923


Ernest von Koerber im Katalog der Wienbibliothek im Rathaus.

Weblinks