Erster österreichischer Wohltätigkeitskongress
48° 11' 54.77" N, 16° 21' 27.50" E zur Karte im Wien Kulturgut
Zwischen 1900 und 1913 fanden in Österreich fünf Wohltätigkeitskongresse (Caritas-Kongresse) statt, zu denen sich die katholischen Wohltätigkeitsvereine versammelten, um über relevante Themen zu beraten. Organisiert wurden sie von den jeweiligen Vorläufer-Organisationen der Caritas.
Der erste "Congreß der katholischen Wohlthätigkeitsvereine Österreichs" tagte von 20. bis 22. Mai 1900 in Wien im Saal des Gesellenvereinshauses, 6., Gumpendorfer Straße 39. Ziel des Kongresses war es, einerseits einen Überblick zu geben über die Vielfältigkeit der Aufgaben der katholischen Wohltätigkeitsvereine, andererseits sollte der Kongress den Weg ebnen für einen festeren verbandlichen Zusammenschluss eben dieser Vereine.
Der Einladung waren 600 Personen gefolgt, darunter 100 Delegierte aus den österreichischen Kronländern, die damit fast vollständig vertreten waren. Darüber hinaus waren auch Gäste aus Ungarn und Deutschland der Einladung gefolgt.
Organisiert wurde der Kongress von der "Centralstelle der katholischen Vereine für freiwillige Armenpflege" auf Anregung von Maximilian Vittinghoff-Schell, im Vorbereitungskomitee waren außerdem auch Franz Martin Schindler und Richard Weiskirchner. Präsident des Kongresses war Graf Dr. Ludwig Belcredi (Präsident des Vinzenzvereins in Brünn), die Vizepräsidenten waren Dr. Heinrich Jordan (Universität Krakau) und Richard Weiskirchner. Zu den Rednern der Begrüßungsversammlung am 20. Mai gehörten unter anderem Kardinal Anton Josef Gruscha, Statthalter Graf Erich Kielmansegg und Bürgermeister Karl Lueger.
Die Beratungen erfolgten in vier Sektionen: Kinderschutz, Jugendfürsorge und Volksbildungswesen, soziales Hilfswesen und Armen- und Krankenpflege. Die Themen waren breit gestreut: in der Sektion Kinderschutz Findel- und Pflegekinderwesen, Krippen, Kinderbewahranstalten und Volkskindergärten, Knabenbeschäftigungsanstalten und Waisenhäuser sowie "Kinder mit dauernden physischen und geistigen Gebrechen"; in der zweiten Sektion männliche Jugendvereinigungen, weibliches Fortbildungswesen und Volksbüchereien; in der Sektion soziales Hilfswesen Lehrlingsschutz, Mädchenpatronagen, Schutz der Fabriksarbeiterinnen und Rechtsschutz; in der vierten Sektion die Verbindung von öffentlicher und privater Armenpflege, häusliche Krankenpflege, Pflege der Augenkranken und Blinden, Fürsorge für Haftentlassene sowie eben die Organisation der privaten Wohltätigkeitsvereine als gemeinsamer Verband.
Der Kongress führte unter anderem auch zu Gründungen neuer Vereine wie beispielsweise dem Verein Kinder-Schutzstationen, dem Zentralverein für Hauskrankenpflege oder eines Komitees für Gefangenenfürsorge, aber auch zur Gründung des Zentralrates für das Armenwesen der Stadt Wien.
In Vorbereitung auf den nächsten Kongress ( 7. bis 8. Juni 1903 in Graz) wurden Struktur und Statuten des "Reichsverbandes der katholischen Wohltätigkeits-Organisationen in Österreich" und des Katholischen Wohltätigkeitsverbandes für Niederösterreich ausgearbeitet, die dort dann auch offiziell gegründet wurden.
Literatur
- Silvia Ursula Ertl: Geschichte der Caritas der Erzdiözese Wien. Die verbandliche Organisierung 1897-1921. Linz: Wagner Verlag 2022
- Ständiges Comité des Congresses: Der Congreß der kath. Wohlthätigkeitsvereine Österreichs in Wien (20. bis 22. Mai 1900). Bericht erstattet von dem Ständigen Comité des Congresses, Wien: Selbstverlag 1900