Ferdinand Raimund (Bestände)
Der Raimund-Bestand in der Wienbibliothek im Rathaus
Die Wienbibliothek im Rathaus verfügt über die bedeutendsten Sammlungen zu den beiden zentralen Autoren des "Wiener Volkstheaters" (Hein) im 19. Jahrhundert: zum einen über einen großen Nestroy-Bestand, zum anderen über den Nachlass von Ferdinand Raimund. Beim Raimund-Bestand handelt es sich allerdings um keinen vollständigen Nachlass. Der Kustos der Wienbibliothek Karl Glossy (ab 1889 deren Direktor), der 1879 gemeinsam mit dem Germanisten August Sauer eine Raimund-Werkausgabe herausbrachte, bedauert in der Einleitung zur Edition der Briefe Raimunds an seine Lebensgefährtin Antonie Wagner, dass nach dem Tod "Tonis" 1879 der literarische Nachlass in den Besitz der Schwestern geraten sei und diese dann "den größten Teil verbrannten und die Manuskripte bei Krämerläden in der Umgebung feilboten"[1]. Nur die Originalmanuskripte der Stücke und einige wenige andere Schriften seien erhalten geblieben. Den Grund für den Vernichtungsfuror der Schwestern sieht Glossy in der Bigotterie der Schwestern, die die uneheliche Beziehung Tonis zu Raimund missbilligt hätten.
Der erhaltene Nachlassteil wurde von der damaligen Stadtbibliothek (heute: Wienbibliothek im Rathaus) 1879 und 1893 erworben. Die darin enthaltenen Bühnenmanuskripte Raimunds bilden die Grundlage der Raimund-Editionen, beginnend bei Glossy und Sauers Werkausgabe 1881 bis zur 2013 gestarteten Historisch-kritischen Ausgabe, die die „Edition der zu allen Stücken erhaltenen Originalhandschriften Raimunds ohne größere Eingriffe“[2] zum Ziel hat und die ein Team von Volksstück-Experten veranstaltet (Hermann Böhm, Jürgen Hein, Johann Hüttner, Johann Lehner, Matthias Mansky, Walter Obermaier, Johann Sonnleitner, Friedrich Walla).
Weitere Raimund-Bestände finden sich am Österreichischen Theatermuseum, das ein zeitgenössisches Manuskript (Theatertext) unbekannter Hand zum Stück "Der Barometermacher" bewahrt, sowie in der Handschriftensammlung der Österreichischen Nationalbibliothek, die ein zeitgenössisches Manuskript unbekannter Hand sowie das Zensurmanuskript zum "Alpenkönig" besitzt. In der Musiksammlung der Österreichischen Nationalbibliothek findet sich Philipp Jakob Riottes Partitur zu "Moisasurs Zauberfluch".
Inhalte
Der Raimund-Bestand der Wienbibliothek im Rathaus besteht aus 228 Inventarnummern und einer Mappe. Es handelt sich um Entwürfe, Einlagen, Zensur- und Soufflierbücher seiner Stücke sowie 200 Briefe von Raimund an Charlotte und Antonie Wagner. Die Theaterstücke Raimunds wiesen in ihrer zeitgenössischen Umsetzung auf der Bühne einen hohen Musikanteil auf. In der Wienbibliothek im Rathaus finden sich autographe Partituren und Partiturabschriften von Kompositionen zu Raimund-Stücken von Wenzel Müller und Joseph Drechsler. Raimund selbst versuchte sich ebenfalls als Komponist: Im Teilnachlass Karl Glossy fanden sich zehn Notenhandschriften Raimunds. Es handelt sich dabei um Melodieentwürfe zu den beiden Stücken "Der Bauer als Millionär" und "Die gefesselte Phantasie" – darunter befindet sich ein Entwurf des berühmten Duetts "Brüderlein fein".
Der Raimund-Bestand der Wienbibliothek im Rathaus wurde teilweise digitalisiert, die Manuskripte der Stücke sind kostenfrei in der Digitalen Bibliothek abrufbar.
Quellen
- Wienbibliothek im Rathaus: Nachlass Ferdinand Raimund
- Wienbibliothek im Rathaus: Teilnachlass Karl Glossy
- Wienbibliothek Digital: Ferdinand Raimund
Literatur
- Carl Glossy und August Sauer: Vorrede. In: Ferdinand Raimund’s sämmtliche Werke. Bd. 1. Wien: Carl Konegen 1881, S. III–IX
- Carl Glossy: Einleitung. In: Ferdinand Raimund: Briefe an Toni Wagner. Wien: Konegen 1894 (Sonderdruck aus dem Jahrbuch der Grillparzer-Gesellschaft, 4 Jg. 1894), S. 145–150
- Jürgen Hein: Das Wiener Volkstheater – Raimund und Nestroy. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1978
- Jürgen Hein, Walter Obermaier: Zur Ausgabe. In: dies. (Hg.): Ferdinand Raimund: Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe, Bd. 1 (Der Barometermacher auf der Zauberinsel; Der Diamant des Geisterkönigs). Wien: Deuticke 2013, S. 147–150