Friedrich Cerha
Friedrich Cerha, * 17. Februar 1926 Wien, † 14. Februar 2023 Wien, Komponist.
Biografie
Friedrich Cerha erhielt im Alter von sieben Jahren von Anton Pejhovsky seinen ersten Violinunterricht und schrieb mit neun Jahren bereits seine ersten Kompositionen.
Im Zweiten Weltkrieg meldete sich Cerha zunächst als Geiger bei der Rundfunkspielschar der Hitlerjugend, um dem herkömmlichen HJ-Dienst zu entgehen. 1943 wurde er als Luftwaffenhelfer eingezogen und meldete sich später zur Offiziersausbildung an, um studieren zu können. Er wurde von der Wehrmacht nach Dänemark versetzt, wo er Kontakte zur dortigen Widerstandsbewegung knüpfte, die ihn bei seinem geplanten Verlassen des Militärs schützte. Er desertierte und flüchtete in die Tiroler Alpen, wo er als Almhüttenwirt und Bergführer das Ende des Kriegs überdauerte.
Danach ging er nach Wien zurück und erhielt dort seine musikalische Ausbildung an der Musikakademie unter anderen bei Alfred Uhl und Váša Příhoda. Gleichzeitig absolvierte er an der Universität ein Studium der Germanistik und der Musikwissenschaft, welches er mit dem philosophischen Doktorgrad abschloss. Danach übernahm er eine Musiklehrstelle an einer Wiener Mittelschule.
Cerha arbeitete aber vor allem als schöpferischer und ausübender Künstler. Schon früh setzte er sich als Geiger und Dirigent für das zeitgenössische Musikschaffen ein. 1958 gründete er gemeinsam mit Kurt Schwertsik das Ensemble "die reihe", welches eine intensive Konzerttätigkeit im In- und Ausland begann und zum wichtigsten Ensemble für die Neue Musik in Österreich wurde.
Ab 1959 unterrichtete Friedrich Cerha an der Wiener Musikhochschule sowohl in den Bereichen "Praktikum für zeitgenössische Musik" als auch "Elektronische Musik" und "Komposition", in welchem Fachgebiet er seit 1973 eine eigene Klasse betreute. Von 1968 bis 1975 hatte er die Leitung der österreichischen Sektion der IGNM (Internationale Gesellschaft für Neue Musik) inne.
Als Komponist zunächst von Webern und Debussy beeinflusst, entwickelte sich Cerha zu einem der führenden lebenden Komponisten in Österreich. Ihm gelang es, über die Entwicklung der Musikstile nach 1945 hinaus zu einer eigenen persönlichen Ausdrucksweise zu gelangen und international Anerkennung zu finden.
Cerha arbeitete in allen Genres. Aus seinem reichhaltigen Werkkatalog seien besonders hervorgehoben: Bühnenkompositionen "Spiegel", "Netzwerk", "Baal" (ein Auftragswerk der Salzburger Festspiele 1981), "Der Rattenfänger" (1987, wie "Baal" auch an der Wiener Staatsoper gegeben), Orchester- und konzertante Werke, darunter "Intersecazioni", "Langegger Nachtmusiken", Konzerte für Soloinstrumente sowie Kammermusik und verschiedene Klavierwerke.
Zu diesem umfangreichen Œuvre kommt weiters die Instrumentation und Fertigstellung des dritten Aktes der Oper "Lulu" von Alban Berg, deren Uraufführung (Paris 1981) Cerha weltweit bekannt gemacht hatte.
Aus den späteren Jahren sind an neuen Werken vor allem Vokal- und Konzertmusik zu nennen. Besonders zu erwähnen sind zwei weitere abendfüllende Opern: "Der Riese vom Steinfeld" nach einem Libretto von Peter Turrini (Uraufführung 2002 an der Wiener Staatsoper) und "Onkel Präsident" nach Franz Molnár (Uraufführung 2013 am Staatstheater am Gärtnerplatz in München und Übernahme im Oktober 2014 an die Volksoper Wien). Bei den Salzburger Festspielen 2016 wurde "Eine blassblaue Vision" für großes Orchester uraufgeführt.
Cerha, der eine Reihe von Auszeichnungen und Preisen erhielt, trat auch als Musikschriftsteller zu Fragen der Aufführungspraxis moderner Musik und des Komponierens hervor. Auch als Betreuer und Mentor einer ganzen Reihe von hervorragenden musikalischen Talenten machte er sich einen Namen.
Der Vorlass des Komponisten befindet sich im "Archiv der Zeitgenossen" an der Donauuniversität Krems.
Quellen
Literatur
- Sabine Töfferl: Friedrich Cerhas Keintaten – Neue Wienerlieder? Wien: Selbstverlag 2014
- Mechanismen der Macht. Friedrich Cerha und sein musikdramatisches Werk. Innsbruck: Studien-Verlag 2013
- Nikolaus Urbanek: Spiegel des Neuen. Musikästhetische Untersuchungen zum Werk Friedrich Cerhas. Bern: Lang 2005
- Lukas Haselböck [Hg.]: Friedrich Cerha. Analysen – Essays – Reflexionen. Freiburg / Breisgau: Rombach 2004
- Friedrich Cerha: Schriften – ein Netzwerk. Wien: Lafite 2001
- Bernhard Günther [Hg.]: Lexikon zeitgenössischer Musik aus Österreich. Komponisten und Komponistinnen des 20. Jahrhunderts. Mit Werklisten, Diskographien, Bibliographien und einer zweisprachigen Einleitung. Wien: Music Information Center Austria 1997