Gartenbaugebäude
Gartenbaugebäude (1., Parkring 12). Die k. k. Wiener Gartenbaugesellschaft wurde am 2. Mai 1837 zur Hebung des Gartenbaus gegründet und veranstaltete jährlich Ausstellungen in einem Garten auf der Landstraße und anderwärts (so wurde 1862 eine Obst- und Weinbauausstellung im Garten des Roßauer Liechtensteinpalais veranstaltet).
Nachdem der Gesellschaft der Platz gekündigt worden war und sie nicht das Kapital zum Ankauf eines Grundstücks beziehungsweise zur Erbauung einer eigenen Heimstätte aufbringen konnte, gelang es, ein Baudarlehen (350.000 Gulden) aus dem Ausland zu erhalten (Frankfurter Hypothekenbank). Die endgültigen Baukosten beliefen sich auf 439.313 Gulden. Mit diesem errichtete die Gesellschaft auf einem nach dem Abbruch der Braunbastei (1863) und der Einebnung des Stadtgrabens parzellierten Areal zwischen Coburgbastei, Weihburggasse, Liebenberggasse und Parkring (das teilweise auf dem ehemaligen Glacis lag und unentgeltlich zur Verfügung gestellt wurde) 1863/1864 nach Plänen von August Weber im Stil der italienischen Renaissance ein für Ausstellungzwecke geeignetes einstöckiges Gebäude (Baubeginn 20. August 1863, Schlusssteinlegung 14. Dezember 1864). Die Basisreliefs stammten von Mitterlechner, die Gartenanlagenwaren eine Schöpfung des Architekten Poduschka. Ursprünglich nur für Ausstellungen vorgesehen, wurden die am 24. Dezember 1864 eröffneten Blumensäle (wie die drei Säle des Hauses [Hauptsaal 376 m², Nebensäle je 215 m²] genannt wurden) entgegen der ursprünglichen Absicht, sie als „Blumenhalle" für Gartenbauausstellungen zu verwenden, auch von vielen vornehmen Geselligkeitsvereinen (Hesperus, Harmo, Epheu und so weiter) frequentiert, die hier Abend- und Tanzveranstaltungen abhielten. Im ersten Stock befand sich ein Sitzungssaal. Seitlich führten zwei Treppen zu einer Terrasse, unter der sich Kanzlei und Bibliothek sowie eine Turnhalle und die Wohnung des Gebäudeadministrators befanden. Die aus dem ehemaligen Stadtgraben entstandenen Kellerräume bildeten eine 60 m lange unterirdische Halle, die bei Bällen als Restaurant, später als Blumengroßmarkt Verwendung fand.
Am 28. Dezember 1864 fand die Zweite Gründungsliedertafel des Wiener Schubertbunds statt. Carl Michael Ziehrer konzertierte viele Jahre lang in den Blumensälen. Auch kleine Gesangsvereine absolvierten in diesen Sälen ihre Liedertafeln. Als später öffentliche Bälle und Maskenbälle die geschlossenen Veranstaltungen ablösten, büßten die Lokalitäten allmählich ihren vornehmen Charakter ein und sanken zu einem Halbwelttreffpunkt herab. 1865, 1867 und 1869 fanden Arbeiterindustrie-Ausstellungen statt, 1884 eine Ornithologische und eine Hundeausstellung, 1887 eine Bienenausstellung und 1906 eine Möbelausstellung. Am 13. März 1869 wurde bei einem Fest der Firma Wertheim der Josef-Strauß-Walzer „Feuerfest" (Walzer opus 269) uraufgeführt. 1906 konzipierte Otto Wagner einen unrealisiert gebliebenen „Palast der Wiener Gesellschaft". 1913 wurde das Gebäude bis auf den Mitteltrakt, in dem sich die Blumensäle befanden, abgetragen.
1917 konzipierte Adolf Loos ein Denkmal für Franz Joseph I. in einer Säulenhalle, die von hohen Türmen flankiert werden sollte. Am 19. Oktober 1919 richtete man ein Kino („Gartenbaukino") und Verkaufsläden ein, auf dem übrigen Areal auch Tennisplätze und Garagen. Das Kino wurde mit „Columbus entdeckt Amerika" eröffnet, 1930 in ein Tonfilmkino umgestaltet und 1947 von der "Kiba" Kinobetriebsanstalt Gesellschaft m.b.H. erworben. Ende der 50er Jahre legten Erich Boltenstern und Kurt Schlauss für das Gesamtareal einen Verbauungsvorschlag vor, der nur teilweise realisiert wurde. Nach der Demolierung des verbliebenen Mitteltrakts (1959) entstanden zunächst auf der Seite zur Liebenberggasse ein Hotel- und Bürohaus (1, Parkring 12, Gartenbaupromenade 1-3, Coburgbastei 16a, Liebenberggasse 4; Hochhaus mit 13 [entgegen den geplanten 20] Stockwerken, 42 m Höhe) samt einem von Robert Kotas gestalteten Großkino (erbaut 1958-1960; Eröffnung am 19. Dezember 1960 mit „Spartakus" bei Anwesenheit des Hauptdarstellers Kirk Douglas, erste amerikanische Spezial-Bogenleinwand Österreichs). Der zur Weihburggasse hin gelegene Teil des Areals diente einer Autofirma als Verkaufsplatz, bis hier 1984/1985 das Hotel Marriott errichtet wurde (Eröffnung 27. September 1985). Von der Verbauung blieb nur die Gartenbaupromenade ausgenommen (Ausschmückung mit zeitgenössischen Skulpturen, Durchblick auf die Fassade des Coburgpalais).
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Quellen
Literatur
- Statuten und Reglement der k. k. Gartenbau-Gesellschaft (in der Folge: Gartenbau-Gesellschaft) in Wien. 1838
- Darstellung des Entstehens und Wirkens der k. k. Gartenbau-Gesellschaft in Wien. 1864
- Volkskalender. 1865, S. 184 f.
- Österreichische Revue. Band 9. 1867, S. 171 ff.
- Alfred Burgerstein: Die k. k. Gartenbau-Gesellschaft in Wien 1837-1907. 1907
- Paul Kortz: Wien am Anfang des 20. Jahrhunderts. Ein Führer in technischer und künstlerischer Richtung. Hg. vom Oesterreichischen Ingenieur und Architekten-Verein. Wien: Gerlach & Wiedling 1906. Band 2, 1906, S. 345
- Monatsblatt des Vereins für Geschichte der Stadt Wien. Wien: Verein für Geschichte der Stadt Wien 1919-1938. Band 34,1917, S. 60
- Renate Wagner-Rieger [Hg.]: Die Ringstraße. Bild einer Epoche. Die Erweiterung der Inneren Stadt Wien unter Kaiser Franz Joseph. Band 1. Wiesbaden: Steiner 1969-1981, S. 132
- Renate Wagner-Rieger [Hg.]: Die Ringstraße. Bild einer Epoche. Die Erweiterung der Inneren Stadt Wien unter Kaiser Franz Joseph. Band 4. Wiesbaden: Steiner 1969-1981, S. 485 f.
- Renate Wagner-Rieger [Hg.]: Die Ringstraße. Bild einer Epoche. Die Erweiterung der Inneren Stadt Wien unter Kaiser Franz Joseph. Band 7. Wiesbaden: Steiner 1969-1981, S. 25
- Peter Panholzer: Die Blumensäle am Parkring (Zur Gesch. der Gartenbau-Gesellschaft und ihrer Ausstellunggebäude), in: Alte und moderne Kunst. Österreichische Zeitschrift für Kunst, Kunsthandwerk und Wohnkultur. Band 13. Heft 100. Innsbruck / Salzburg: AMK-Verlag / Wien: Österreichischer Bundesverlag 1968, S. 16 ff.
- Geretsegger-Peintner: Otto Wagner. Salzburg: 31978, S. 17 f., 24, 204, Abb. 243 ff.
- Otto Antonia Graf: Otto Wagner. 1985, S. 530 ff., Abb. 745 ff.
- Münz-Künstler: Der Architekt Adolf Loos. 1964, S. 170 ff., Abb. 232 ff.
- Rukschcio-Schachel: Adolf Loos. 1982, S. 516 ff., Abb. 596 ff.
- Hochhaus Wien 1, Parkring, in: Der Aufbau. Fachschrift der Stadtbaudirektion Wien. Band 17. Wien: Compress / Jugend & Volk 1962, S. 392 ff.
- Anton Eipeldauer: 125 Jahre Österreichische Gartenbau-Gesellschaft 1837-1962. 1962
- Gustav Gugitz: Bibliographie zur Geschichte und Stadtkunde von Wien. Hg. vom Verein für Landeskunde von Niederösterreich und Wien. Band 1: Geschichte, historische Hilfswissenschaften, Festungswerke und Kriegswesen, Rechtswesen, Kulturgeschichte, Sittengeschichte. Wien: Touristik-Verlag 1947, S. 322 ff. (Ausstellungen)
- Gustav Gugitz: Bibliographie zur Geschichte und Stadtkunde von Wien. Hg. vom Verein für Landeskunde von Niederösterreich und Wien. Band 3: Allgemeine und besondere Topographie von Wien. Wien: Jugend & Volk 1956, S. 321 (Blumensäle), 343 (G.-Gesellschaft)
- Richard Perger: Straßen, Türme und Basteien. Das Straßennetz der Wiener City in seiner Entwicklung und seinen Namen. Wien: Deuticke 1991 (Forschungen und Beiträge zur Wiener Stadtgeschichte, 22)
- Peter Schubert: Schauplatz Österreich. Band 1/3: Wien. Wien: Hollinek 1976, S. 19 f.
- Justus Schmidt / Hans Tietze: Dehio Wien. Wien: A. Schroll 1954 (Bundesdenkmalamt: Die Kunstdenkmäler Österreichs), S. 190.
- Burkhardt Rukschcio / Roland Schachel: Adolf Loos. Leben und Werk. Salzburg: Residenz Verlag 1987, S. 516 ff.