Erich Boltenstern
Erich Boltenstern, * 21. Juni 1896 Wien, † 9. Juni 1991 Wien, Architekt.
Biografie
Nach dem Kriegsdienst (1915–1918) studierte Erich Boltenstern in den Jahren 1918 bis 1922 an der Technischen Hochschule Wien Architektur (Dipl.-Ing. 1922). Dort wurde er unter anderem bei Max von Ferstel, Karl Holey, Karl Mayreder, Oskar Strnad und Siegfried Theiß) ausgebildet und besuchte danach 1922/1923 die Meisterschule bei Hans Poelzig und Bruno Ahrends in Berlin. Anschließend arbeitete er 1923 während seiner Büropraxis bei Alfred Koller am Bau des Hauptbahnhofes in Barcelona, übernahm 1924 bis 1927 die Bauleitung bei Theiß & Jaksch in Hinterstoder beziehungsweise 1927/1928 bei Schulte in Linz.
In Wien war Boltenstern 1928 bis 1934 an der Kunstgewerbeschule Assistent bei Oskar Strnad (1931 erster Preis und Ausführung beim Wettbewerb für das Grazer Krematorium, 1932 Beamtenwohnhäuser für den Wiener Verein in Baden bei Wien, 1933 Mitarbeiter beim Österreichischen Werkbund, 1934 erster Preis beim Wettbewerb für das Kahlenbergrestaurant) sowie 1934 bis 1938 an der Akademie der bildenden Künste bei Clemens Holzmeister. 1935 baute Boltenstern das Kahlenbergrestaurant (Kahlenberg), andere Bauten entstanden außerhalb Wiens. Zudem errichtete er sich 1936/1937 ein eigenes Haus in Hietzing. Als außerordentlicher Professor an der Akademie der bildenden Künste 1938 von den Nationalsozialisten außer Dienst gestellt, konnte er ab da nur mehr als freischaffender Architekt im Bereich Industrie- und Wohnbauten arbeiten.
Nach dem Zweiten Weltkrieg leitete Erich Boltenstern von 1945 bis zur Rückkehr von Clemens Holzmeister 1952 vertretungsweise die Meisterschule für Architektur an der Akademie der bildenden Künste. 1946 wurde er ordentlicher Professor für Wohnbau an der Technischen Hochschule in Wien, koordinierte 1946/1947 den Wiederaufbau der Böhmischen Hofkanzlei (Fußgängerpassage entlang der Wipplingerstraße), baute 1947 Messepavillons und 1953 bis 1962 das Bürogebäude für die Bestattungsanstalt Wiener Verein (3., Ungargasse 41). Aus dem Wettbewerb für den Wiederaufbau der Staatsoper ging er 1947 als Sieger hervor und gestaltete den Zuschauerraum und die Pausenräume (Fertigstellung 1955; Gestaltung des 1. Opernballs 1956). Der Architekt war dabei bestrebt, keine massiven Neuerungen einzubringen und das Erinnerungsbild des Gesamteindruckes weitgehend zu wahren. 1948/1949 reiste Boltenstern nach Schweden und in die Schweiz. Am Bau der städtischen Wohnhausanlage Hubert-Hladej-Hof war er 1949 bis 1951 beteiligt, die Ausgestaltung des Hauptgebäudes der Oesterreichischen Nationalbank wurde ihm 1951/1952 übertragen. 1953 bis 1955 baute er den Ringturm, das erste Hochhaus Wiens nach dem Zweiten Weltkrieg. 1956 begann der Bau des Hotels Europa (1., Neuer Markt). Nach dem Brand der Börse übernahm er zudem den Wiederaufbau dieses Gebäudes (1957–1959; Umwandlung des ausgebrannten Börsesaals in einen Innenhof).
Ende der 1950er Jahre legte Erich Boltenstern mit Kurt Schlauß einen Verbauungsvorschlag für die Gartenbaugründe vor (Gartenbaugebäude), der aber nur teilweise realisiert wurde (Parkring 12, 1958–1961). Unter Einbeziehung des unzerstört gebliebenen Teils des Althauses baute er 1964 das Felderhaus (1) sowie 1967 bis 1970 das städtische Büro- und Amtshaus am Modenapark (3). Die Adaptierung der Nussdorfer Wehranlage erfolgte 1964 bis 1966 im Zuge der Vorarbeiten für den Hochwasserschutz; an die Stelle der alten handbetriebenen Stemmtore traten Hubschwenktore. Boltenstern war weiters 1964 bis 1966 am Umbau der Aufbahrungshalle des Stammersdorfer Zentralfriedhofs zu einem Krematorium beteiligt, gestaltete 1966 die Aufbahrungshalle am Kagraner Friedhof, baute 1967 bis 1973 das Institutsgebäude der Technischen Hochschule (4., Gußhausstraße 27–29), 1971/1972 die Aufbahrungshalle auf dem Döblinger Friedhof sowie verschiedene andere Aufbahrungshallen auf Wiener Friedhöfen (beispielsweise übernahm er die Umgestaltung der Halle am Ober-St.-Veiter Friedhof 1964 bis 1966 sowie am Neustift am Walde 1974/1975).
Für sein Werk wurde Erich Boltenstern vielfach ausgezeichnet, unter anderem erhielt er 1952 den Preis der Stadt Wien für Architektur und 1959 den Großen Österreichischen Staatspreis.
In der Handschriftensammlung der Wienbibliothek im Rathaus werden Korrespondenzstücke Erich Boltensterns an Felix Braun, Hermine Kunz-Hutterstrasser sowie Oskar Maurus Fontana aufbewahrt.
Nach dem Architekten wurde die Boltensterngasse im 22. Wiener Gemeindebezirk benannt.
Quellen
Weblinks
Literatur
- Judith Eiblmayr [Hg.]: Moderat modern. Erich Boltenstern und die Baukultur nach 1945. Salzburg: Pustet 2005
- Ernst Bruckmüller [Hg.]: Personenlexikon Österreich. Wien: Verlagsgemeinschaft Österreich-Lexikon 2001
- Richard Bamberger [Hg.]: Österreich-Lexikon in zwei Bänden. Wien: Verlags-Gemeinschaft Österreich-Lexikon 1995
- Isabella Ackerl / Friedrich Weissensteiner: Österreichisches Personenlexikon der Ersten und Zweiten Republik. Wien: Ueberreuter 1992
- Franz Knispel: Zur Geschichte der Friedhöfe in Wien. Band 1. Wien: Wiener Stadtwerke – Städtische Bestattung 1992
- Franz Knispel: Zur Geschichte der Friedhöfe in Wien. Band 2. Wien: Wiener Stadtwerke – Städtische Bestattung 1992
- Reinhard Gieselmann: Erich Boltenstern. In: Architektur aktuell 145 (1991), S. 11–12
- Josef Krawina: Pol der Solidität. In memoriam Erich Boltenstern. In: bau 6–7 (1991), S. 16
- Erich Schlöss: Architekt Professor Erich Boltenstern. In: Konstruktiv 16 (1991), S. 26 f.
- Georg Schöllhammer: Skizze für Erich Boltenstern. Noblesse des Neuen Bauens. In: Der Standard, 05.06.1991, S. 14
- Friedrich Achleitner: Österreichische Architektur im 20. Jahrhundert. Ein Führer. Band 3/1: Wien. 1.–12. Bezirk. Salzburg: Residenz-Verlag 1990 (Register)
- Friedrich Achleitner: Österreichische Architektur im 20. Jahrhundert. Ein Führer. Band 3/2: Wien. 13.–18. Bezirk. Salzburg: Residenz-Verlag 1984 (Register)
- Ottokar Uhl: Moderne Architektur in Wien von Otto Wagner bis heute. Wien [u. a.]: Schroll 1966, S. 107 f.
- Lebendige Stadt. Almanach. Band 10. Wien: Amt für Kultur, Volksbildung und Schulverwaltung der Stadt Wien 1963, S. 27 f.