Heinrich Strecker
Heinrich (Josef) Strecker, * 24. Februar 1893 Wien, † 28. Juni 1981 Baden bei Wien, Violinist, Komponist und Verleger.
Biografie
Der Sohn des Schneidermeisters Heinrich (Franz) Strecker und Theresia Strecker, geborene Bernold, verbrachte seine frühe Kindheit in Teschen (Ciescyn/Polen) und Graz. Nach der Scheidung der Eltern lebte er bei seiner Großmutter Maria Strecker in Wien, wo er bereits als 4-Jähriger mit dem Klavier- und etwas später auch mit dem Geigenspiel begann. Nach dem plötzlichen Tod der Großmutter schickte ihn sein Vater ins Lazaristen-Collegium in Theux/Belgien, wo er eine spezielle Musikausbildung erhielt, mehrere Musikinstrumente erlernte, sang und komponierte.
Obwohl für den Priesterberuf bestimmt, kehrte er 1910 vorzeitig nach Wien zurück und wohnte bei seinem Onkel. Neben dem Besuch des Reform-Lyzeums nahm er Stunden in Musiktheorie bei Kamillo Horn am Neuen Wiener Konservatorium. 1912 schied er im Streit vom Onkel. Er verdiente sich seinen Lebensunterhalt zunächst mit Klavierunterricht und besuchte auch die Ausbildungsklasse für Violine am Neuen Wiener Konservatorium. Daneben dirigierte er unter anderem Jugendorchester und war als Kinopianist tätig. Im Februar 1914 legte er in Wels die Externistenmatura ab und meldete sich am 1. August 1914 als Einjährig-Freiwilliger. Während des Kriegs lernte Strecker, der als Oberleutnant abrüstete, Alfred Steinberg-Frank kennen und mit ihm als Textdichter begann eine langjährige Zusammenarbeit. Strecker komponierte Wienerlieder und Schlager, ab 1920 veranstaltete er sogenannte "Strecker-Abende", an denen er nur eigene Kompositionen aufführte, außerdem war er musikalischer Leiter und Klavierbegleiter im Kabarett "Nixe" (Wien II, Lilienbrunngasse 2) und bei vielen Anlässen. 1922 gründete er seinen eigenen Verlag den "Wiener Excelsior Verlag", 1928 erhielt er die Vollkonzession für den Buch-, Kunst- und Musikalienhandel. Um diese Zeit war er einer der beliebtesten und meist gespielten Komponisten seiner Branche, ab 1924 war er auch im neuen Medium, dem Radio präsent. Besonders oft wurde das Lied "Drunt' in der Lobau" (op. 290, Text: Alois Klampferer (Ps. Eckhardt) und Fritz Löhner (Beda)) gespielt. Trat er früher gemeinsam mit der Sängerin Lilly Buresch auf, so war spätestens seit August 1924 Ludmilla (Vilma) Hammer (1911–1990) die Interpretin seiner Lieder. Hammer, die später als Hannerl Elsner bekannt wurde, war seit 1932 auch seine Lebensgefährtin.
Strecker sympathisierte mit dem neuen Regime in Deutschland und trat bereits am 1. Februar 1933 der NSDAP bei. Er komponierte auch einschlägige Lieder, unter anderem "Wach auf, deutsche Wachau" mit dem Text von Mauriz Hans Heger und organisierte zahlreiche illegale Parteiveranstaltungen. Er wurde Wiener Fachgruppenleiter der Komponisten, Schriftsteller und Musikverleger der NSDAP sowie 1935 Gauobmann der NS Kulturgemeinde Wien. Im April 1936 wurde er wegen seiner illegalen Tätigkeit verhaftet und zu sechs Monaten Anhaltelager Wöllersdorf, allerdings bedingt, verurteilt, ebenso seine Partnerin Hannerl Elsner. Im Juli 1936 verließ er Österreich und ging nach Berlin, wo er Flüchtlingsstatus und finanzielle Unterstützung erhielt. Nach dem "Anschluss" Österreichs im März 1938 kehrte Elsner nach Wien zurück und sang wiederholt Streckers Lied "Deutsch-Österreich ist frei" (Text: Hans Heinz Dum). Ab Ende Juli 1938 lebte Strecker wieder in Wien, seit Mai 1938 war er bereits Vizepräsident der AKM. Er erlebte zahlreiche Aufführungen sowie Feiern zu seinem 50. Geburtstag. Ohne Einverständnis Franz Sobotkas, der in die USA emigriert war, übernahm er Mitte März 1939 dessen Verlag die "Edition Bristol" und die im Verlag erscheinende Zeitschrift "Tonfilm Theater Tanz". Anfang Februar 1942 kaufte Strecker von Karl Mayer dessen Musikalienhandlung mit angeschlossenem Theaterkartenbüro in der Burggasse und vereinigte alle seine Betriebe unter dem Namen "Musikverlag am Schubertring". In beiden Fällen handelte es sich wohl um Arisierung.
Seit 1940 lebte Strecker in Baden bei Wien, wo er 1942 eine Villa in der Marchetstraße 76 erwarb. In Baden gründete er den bis heute (2024) bestehenden "Heinrich Strecker Bühnen- und Musikverlag". Die letzten Kriegsmonate verbrachte er in Bad Gastein. Um nicht verhaftet zu werden, floh er nach Alpbach (Tirol). Mitte 1946 wurde er kurzfristig verhaftet, jedoch am 22. August 1946 aus gesundheitlichen Gründen wieder freigelassen. Später kam es zu einer neuerlichen Anklage, jedoch wurde das Verfahren gegen Strecker im November 1950 eingestellt. Im Februar 1949 hatte er die "Edition Bristol" an Franz Sobotka zurückstellen müssen.
Nach dem Krieg konnte sich Strecker unbehelligt seiner Verlagstätigkeit widmen und komponierte wieder. Seine Popularität resultiert besonders aus seinen Wienerliedern, wie "Drunt' in der Lobau", "Ja, ja, der Wein ist gut" (Text: Jo Gribitz) und "Grüß mir die Stadt der Lieder" (Text: Bruno Hardt-Warden).
Heinrich Strecker war ab 17. Juni 1917 Stefanie Kronik verheiratet; die Scheidung erfolgte am 30. Juni 1932. Seit 1946 war er in zweiter Ehe mit Anna Schödlbauer verheiratet, die seit 1936 als Geschäftsführerin seines Wiener Excelsior Verlags fungierte. Nach der Scheidung heiratete er in dritter Ehe am 5. Mai 1978 die aus Baden gebürtige Erika Eszler (* ca. 1938).
Seine Witwe Erika Strecker und Raimar Wieser gründeten am 21. Dezember 2000 die "Heinrich Strecker Gesellschaft", die sich unter anderem um das Werk des Komponisten kümmert sowie um die Aufarbeitung des Lebens Streckers, besonders in der Zwischenkriegs- und der NS-Zeit. Seit 2001 findet in Baden alle 2 Jahre der "Internationale Heinrich Strecker Gesangswettbewerb – Cross Over Competition" statt.
Strecker erhielt zahlreiche Ehrungen, Auszeichnungen und Ehrenmitgliedschaften, unter anderem 1972 das Goldene Ehrenzeichen für Verdienste um das Bundesland Niederösterreich, 1978 den Berufstitel Professor und die Ehrenmedaille in Gold der Stadt Wien. 1981 wurde in Baden die Heinrich-Strecker-Gasse nach ihm benannt.
Quellen
Bühnenwerke (Auswahl)
- Achtung Grenze (Text: Franz Gribitz), 1923, Die Hölle
- 's letzte Mal. Volksstück(Text: Rudolf Rohrbacher), 28.3.1926, Rolandbühne
- Was man aus Liebe tut. Revue (Text: Joe (Franz) Gribitz), 4.2.1927, Favoritener Colosseum
- Es war in Wien vor 100 Jahren. Ein Schubert Bilderbuch (Text: Max Leo Deutsch und Hans Spirk), 16.2.1928, Varieté Westend (17., Johann-Nepomuk-Berg-Platz)
- Loreley (Text: Max Leo Deutsch), 1.4.1929, Varietee(!) Colosseum (15., Schanzstrasse)
- Erzherzog Johann. Operette (Text: Max Leo Deutsch und Hans Spirk), April 1929, Varieté am Matzleinsdorferplatz
- Das ist urweanerisch. Revue (Text: Max Leo Deutsch), 1.5.1929, Margarethener Orpheum
- Mutterl. Eine volkstümliche Revue (Text: Max Leo Deutsch und Hans Spirk), 31.5.1929, Orpheum Graz
- Herzog Hannes. Ein Lustspiel aus der grünen Steiermark (Text: Max Leo Deutsch und Hans Spirk), 16.6.1929, Orpheum Graz
- Die Kleine vom Zirkus. Operette (Text: Bruno Hardt-Warden und Max Leo Deutsch), 31.12.1930, Neues Operettentheater (Margarethener Orpheum)
- Wenn am Tivoli die roten Rosen blühen (Text: Max Leo Deutsch mit Gesangseinlagen von Alfred Steinberg-Frank und (Beda=) Fritz Löhner), 17.(?)10.1931, Tivoli Theater Varieté (12., Wilhelmstraße)
- Mädel aus Wien. Wiener Operette (Text: Fritz Gerold und Joe (Franz) Gribitz nach einer Idee von Robert Bodanzky), 20.1.1932, Bürgertheater
- Ännchen von Tharau (Text: Bruno Hardt-Warden), 21.9.1933, Stadttheater Breslau -- 2.11.1935, Stadttheater Innsbuck -- 8.2.1940, Raimundtheater
- Der ewige Walzer. Operette (Text: Bruno Hardt-Warden und Rudolf Köller), 5.2.1938, Staatstheater Bremen -- 18.5.1938, Volksoper
- Küsse im Mai (Text: Bruno Hardt-Warden), März 1938, Chemnitz -- vollständige Überarbeitung unter dem Titel "Honeymoon", 30.6.2002, Baden bei Wien
Literatur
- Monika Kornberger: "Einmal sang die Liebe uns ein Lied". Deutsche Schlager der Zwischenkriegszeit und seine Protagonisten in Wien (Dissertation Graz) 2018
- Monika Kornberger: Heinrich Strecker und Mauriz Hans Heger, zwei "Vorkämpfer des nationalen Liedes". In: Musikhistorische Forschungsbeiträge aus Niederösterreich. Hg. von Christian Fastl und Peter Gretzel. St. Pölten 2017, S. 139–169 (= Studien und Forschungen aus dem Niederösterreichischen Institut für Landeskunde 68)
- Matthias Kauffmann: "Deutsches Gefühlsleben, kriegerischer Geist und Freundestreue". Operettenideologie im "Dritten Reich" am Beispiel von Heinrich Streckers "Küsse im Mai" und "Ännchen von Tharau". In: Österreichische Musikzeitschrift 71/3. Wien: Hollitzer 2016, Seite 30–37
- Kevin Clarke: "Ich reiss mir eine Wimper aus stech' dich damit tot!". Die Entnazifizierung der NS-Operette von 1945 bis 2015. In: Leichte Muse im Wandel der Zeiten [...]. Konzeption und Leitung: Anno Mungen und Johann Casimir Eule. Stiftung Staatstheater Nürnberg 2016
- Ursula Schwarz: Das Wiener Verlagswesen der Nachkriegszeit. Eine Untersuchung der Rolle der öffentlichen Verwalter bei der Entnazifizierung und bei der Rückstellung arisierter Verlage und Buchhandlungen (Diplomarbeit Wien) 2003
- Raimar Wieser, Peter Ziegler: "Liebes Wien, du Stadt der Lieder". Heinrich Strecker und seine Zeit. Wien: Amalthea 1997
- Raimar Wieser: Heinrich Strecker und Baden. Eine Zusammenstellung. Baden 1993 (= Neue Badener Blätter 4/1)
- Peter Wehle: Singen Sie wienerisch? Eine satirische Liebeserklärung an das Wienerlied. Wien: Ueberreuter 1986
- Murray G. Hall: Österreichische Verlagsgeschichte 1918-1938, 2 Bände, Wien -- Köln -- Graz: Böhlau 1985
- Österreichisches Musiklexikon Online: Heinrich Strecker [Stand: 07.10.2024]
- Website: Heinrich Strecker – Bühnen- und Musikverlag [Stand: 07.10.2024]
Heinrich Strecker im Katalog der Wienbibliothek im Rathaus.