Historischer Atlas von Wien
Entstehungsgeschichte
Das wissenschaftliche Atlaswerk entstand im Rahmen des von Commission internationale pour l'histoire des Villes im Jahr 1968 beschlossenen europäischen Städteatlasprojektes. In Österreich erhielt das Projekt durch die Gründung des Ludwig-Boltzmann-Instituts für Stadtgeschichtsforschung in Linz und Wien in den Jahren 1976 und 1978 und durch eine vertraglich festgelegte Kooperation mit dem Wiener Stadt- und Landesarchiv seine institutionelle Verankerung. Nach Auflösung des Linzer Institutes im Jahr 1995 übernahm die ursprüngliche Außenstelle in Wien die Leitung. Bei der Erarbeitung des wissenschaftlichen Gesamtkonzeptes wurde beschlossen, der Stadt Wien auf Grund ihrer Bedeutung als Primate City ein eigenständiges, vom Österreichischen Städteatlas gesondertes Atlasprojekt zu widmen. Das von Renate Banik-Schweitzer und Gerhard Meißl erarbeitete inhaltliche Konzept sah die Produktion einer Fülle von thematischen Karten und die Reproduktion richtungsweisender Planungskarten vor. Der Atlas erschien im Zeitraum 1981-2015 in 17 Lieferungen zu je zehn bis 15 Karten; die Karten werden durch thematisch gegliederte wissenschaftliche Kommentarbände ergänzt. Die wissenschaftlichen Gesamtleitung hatten Felix Czeike, Renate Banik-Schweitzer, Ferdinand Opll, Gerhard Meißl und Andreas Weigl (kartographische und technische Leitung bis 1990 Erich Kopecky beziehungsweise seit 1990 Hans-Michael Putz) in Zusammenarbeit des Ludwig-Boltzmann-Instituts für Stadtgeschichtsforschung (mit 31. Dezember 2011 aufgelöst) mit dem Wiener Stadt- und Landesarchiv und ab 1998 dem Verein für Geschichte der Stadt Wien (Druck: Kartographische Anstalt Freytag-Berndt und Artaria, Wien: Verlag Jugend und Volk Verlags-GmbH, Wien-München beziehungsweise 1994-2000 J&V-Edition Wien-Dachs Verlag GmbH., Pichler-Verlag, ab 2003 im Selbstverlag).
Inhalt
Ziel des Atlas ist die Darstellung, in welcher Form und in welchem Ausmaß Topographie und Grundbesitzverhältnisse Standort- und Nutzungsentscheidungen mitbestimmt haben, wie diese die Sozialtopographie Wiens geprägt haben und letztere wiederum auf Mentalitäten und kollektives Handeln eingewirkt hat. Der Historische Atlas enthält mit Schwerpunktbildung auf das 18. bis 20. Jahrhundert thematische Karten zur Siedlungsentwicklung (unter anderem Wachstumsphasen, Erstnennung von Siedlungsnamen), Wirtschaftsstruktur (unter anderem Arbeits-, Kapital- und Bodenmarkt, Betriebs- und Wohnstätten, Verkehr, Ver- und Entsorgung) und Sozialstruktur (unter anderem Bevölkerung, Konfession, Familien- und Haushaltsstruktur, Bildung, Erwerbstätigkeit, Gesundheits- und Fürsorgewesen, Wohnverhältnisse, Sozialschichtung, Kultur und Freizeit) sowie Karten zum Bereich Politik und Verwaltung (unter anderem Kataster, Verwaltungsgliederung, Grundherrschaften, Steuern, Wahlergebnisse, Vertretungskörper, Stadtplanung). In den thematischen Karten werden die verschiedenen, die Stadtentwicklung beeinflussenden Einzelfaktoren in langen Zeitreihen quantifiziert dargestellt, in den Kommentaren die Wechselwirkungen mehrerer Faktoren analysiert. Ergänzt wurden die Lieferungen des Historischen Atlas von Wien durch hochqualitative Reprints einer Reihe historisch bedeutsamer Karten und Ansichten zur Wiener Stadtgeschichte vom 16. bis zum 20. Jahrhundert. Darüber hinaus erschien die 13. Lieferung des Atlas in Form einer mit Scroll- und Zoomfunktionen versehenen DVD mit 20 wichtigen historische Karten und Ansichten und einem von Karl Fischer verfassten wissenschaftlichen Kommentar.
Ziel des Atlas ist es für vertiefende Studien zur stadträumlichen Entwicklung eine kartographisch aufbereitete Basis zu liefern; in den thematischen Karten werden die verschiedenen, die Stadtentwicklung beeinflussenden Einzelfaktoren in langen Zeitreihen quantifiziert dargestellt, in den Kommentaren die Wechselwirkungen mehrerer Faktoren analysiert.
Gliederung
Der Historische Atlas von Wien ist in fünf Hauptgebiete gegliedert:
- Historischer Atlas von Wien – Wachstumsphasen
- Historischer Atlas von Wien – Stadtwirtschaft und Infrastruktur
- Historischer Atlas von Wien – Demographische Entwicklung
- Historischer Atlas von Wien – Flächennutzung, Landbesitz und politisches System
- Historischer Atlas von Wien – Historische Karten und Ansichten
Zudem finden sich fünf Kommentarbände:
- Band 1: Andreas Weigl, Demographischer Wandel und Modernisierung in Wien (2000);
- Band 2: Ferdinand Opll, Erstnennung von Siedlungsnamen im Wiener Raum (1981);
- Band 3: Maren Seliger, Karl Ucakar, Wahlrecht und Wählerverhalten in Wien 1848-1932. Privilegien, Partizipationsdruck und Sozialstruktur (1984);
- Band 4: Ferdinand Opll, Alte Grenzen im Wiener Raum (1986);
- Band 5: Walter Sauer, Grund-Herrschaft in Wien 1700-1848 (1993).
(siehe auch Österreichischer Arbeitskreis für Stadtgeschichtsforschung)
Literatur
- Renate Banik-Schweitzer: Der Historische Atlas von Wien. Zur Halbzeit. In: Pro Civitate Austriae 14 (1991), S. 53-60
- Renate Banik-Schweitzer: Die Generierung von Karten mit Hilfe georeferenzierter Daten für den Historischen Atlas von Wien. In: Pro Civitate Austriae NF 15 (2010), 5-7
- Ferdinand Opll: Der Europäische Historische Städteatlas. Projekt - Ziele - Leistungen. In: Pro Civitate Austriae NF 15 (2010), 9-20