Joseph Buttinger
Joseph Buttinger, * 30. April 1906 Reichersbeuern (Bayern), † 4. März 1992 New York (USA), sozialdemokratischer Politiker, Schriftsteller.
Herkunft, Familie und Ausbildung
Joseph Buttinger entstammte einer österreichisch-deutschen Arbeiterfamilie (seine Mutter war eine gebürtige Bayerin). Die Familie – neben Joseph Buttinger gab es noch drei weitere Kinder – lebte zunächst in Deutschland, wo der Vater als Bau- und Bergarbeiter wechselnde Beschäftigung fand. 1915 musste er zur österreichischen Armee einrücken, während die Mutter mit den Kindern ins Heimatdorf des Vaters, ins oberösterreichische Waldzell, gebracht wurde. Buttinger beschreibt diese Zeit als "schlimme Jahre – Hunger fast jeden Tag, kein Geld für Kleider und Schuhe"[1]. Buttinger besuchte 6 Jahre lang die Volksschule und arbeitete ab seinem 13. Lebensjahr als Knecht bei einem Bauern. In den Jahren 1921-1924 absolvierte er eine Ausbildung zum Glasschleifer in der Glasfabrik Schneegattern. Hier fand Buttinger auch Anschluss zur Sozialdemokratie. Im Jahr 1924 wurde Buttinger arbeitslos, erst 1926 fand er wieder eine Anstellung als Hortleiter der sozialdemokratischen "Kinderfreunde" in St. Veit a. d. Glan in Kärnten.
Politisches Engagement in der Zwischenkriegszeit
Mit 24 Jahren wurde Joseph Buttinger 1930 zum Parteisekretär der SDAP für den Bezirk St. Veit a. d. Glan ernannt, wobei er sich als couragierter Kämpfer gegen die erstarkende nationalsozialistische Bewegung in Kärnten erwies. Nach den Februarkämpfen 1934 organisierte Buttinger die illegalisierte sozialistische Bewegung in Kärnten und wurde Landesleiter der "Revolutionären Sozialisten" (RS). Im Mai 1934 wurde er verhaftet, ins Villacher Polizeigefängnis eingeliefert und nach drei Monaten unter der Bedingung freigelassen, Kärnten zu verlassen. Er übersiedelte sodann nach Wien. Hier übernahm er die Funktion eines so genannten "Länderreferenten" der RS und wurde Mitglied ihres Zentralkomitees. 1935 wurde er in der Nachfolge von Manfred Ackermann bzw. Karl Hans Sailer zum Obmann der RS gewählt. Bis 1938 wurde er als Einziger vom ZK der RS nicht verhaftet, was darauf zurückzuführen ist, dass Buttinger in der Wohnung seiner damaligen amerikanischen Lebensgefährtin und späteren Ehefrau Muriel Gardiner, die an der Universität Wien Medizin studierte, eine sichere Bleibe fand. Mit Gardiner war Buttinger bereits im Jahr 1934 über die sozialistische Gruppe "Der Funke" in Verbindung gekommen (im August 1939 heirateten sie schließlich in Paris). Als Obmann der RS verfolgte Buttinger eine Einheitsfront-Politik mit der illegalisierten KPÖ und unterhielt zu diesem Zweck enge Kontakte mit dem ZK der KPÖ.
Emigration und weiterer Lebensweg
Unmittelbar nach dem "Anschluss" im März 1938 flüchtete Buttinger nach Paris, wo er auf Vorschlag von Friedrich Adler zum Obmann der neuen "Auslandsvertretung der österreichischen Sozialisten" (AVÖS) gewählt wurde. Ende 1939 verließ er mit Muriel Gardiner Frankreich und emigrierte in die USA, wo sich beide jahrelang in der Flüchtlingshilfe engagierten. Gleichzeitig nahm er auch hier noch seine Funktion als Obmann der AVÖS wahr, ehe er Ende 1941 mit der Begründung austrat, "daß wir ohne Verbindung zum Land nicht fortfahren können, weiterhin Parteileitung zu spielen"[2]. Hintergrund war ein Richtungsstreit innerhalb der sozialistischen Emigration, wo sich Friedrich Adler mit seinem Kurs der Verweigerung der Zusammenarbeit mit den Gastländern durchsetzte. Fortan hielt Buttinger sich abseits seiner Tätigkeiten in der Flüchtlingshilfe vom politischen Engagement unter den europäischen Emigranten fern und widmete sich verstärkt theoretischen Arbeiten. Ein Ergebnis dieser Beschäftigung stellt etwa sein im Jahr 1949 als Manuskript gedrucktes, 1953 im bundesdeutschen Verlag für Politik und Wirtschaft erschienenes Buch über die Geschichte der RS in Österreich dar ("Am Beispiel Österreichs"), das nach seiner Publizierung große Diskussionen auslöste. Von 1945 bis 1947 war Buttinger Europadirektor des "International Rescue Committee" in Paris und Genf, einer privaten amerikanischen Organisation, die sich der Hilfe für politische Flüchtlinge verschrieben hatte. In der Folge unternahm er mehrere Studienreisen nach Vietnam und etablierte sich in der amerikanischen Öffentlichkeit als Ostasien-Experte. Ab den fünfziger Jahren engagierte sich Buttinger, nach New York zurückgekehrt, vor allem für Vietnam-Flüchtlinge und galt bald als einer der besten Kenner des Vietnamkrieges. 1955 wurde er auch Obmann der "American Friends of Vietnam" (bis 1960). Neben einer speziellen Vietnam-Studienbibliothek baute er eine ca. 50.000 Bände umfassende sozialpolitische Studienbibliothek ("Buttinger-Library") mit den Schwerpunkten Sozialismus, Soziologie, Ökonomie und Exilliteratur auf, die er 1971 der neu errichteten Universität Klagenfurt vermachte und die den Grundstein für die dortige Universitätsbibliothek bildete. Die Vietnam-Studienbibliothek ist heute Teil der Universitätsbibliothek der Harvard University.
Werke
- [unter dem Pseudonym Gustav Richter] Die legalen Arbeiterorganisationen und der Sozialismus in Österreich. Karlsbad: Selbstverlag 1937
- Am Beispiel Österreichs. Ein geschichtlicher Beitrag zur Krise der sozialistischen Bewegung. Köln: Verlag für Politik und Wirtschaft 1953
- Vietnam. A dragon embattled. 2 vol.: Vol. 1: From colonialism to the Vietminh. Vol. 2: Vietnam at war. London: Pall Mall 1967
- Der kampfbereite Drache. Vietnam nach Dien Bien Phu. Wien [u.a.]: Europaverlag 1968
- Vietnam. A political history. London: Deutsch 1969
- Rückblick auf Vietnam. Chronologie einer gescheiterten Politik. Klagenfurt: Kärntner Druck- und Verlagsanstalt 1976
- [gem. mit Muriel Gardiner] Damit wir nicht vergessen. Unsere Jahre 1934–1947 in Wien, Paris und New York. Wien: Verlag der Wiener Volksbuchhandlung 1978
- Ortswechsel. Die Geschichte meiner Jugend. Aus dem Amerikanischen von Peter Aschner. Frankfurt/Main: Verlag Neue Kritik 1979
Literatur
- Freud Museum London / Institut für Historische Sozialforschung Wien [Hg.]: Code Name 'Mary'. Das außergewöhnliche Leben von Muriel Gardiner. Mit Beiträgen von Carol Seigel, Herbert Posch, Markus Stumpf, Julia Brandstätter, Florian Wenninger. Wien 2024
- Biographisches Handbuch der deutschsprachigen Emogration nach 1933-1945 / International Biographical Dictionary of Central European Emigrés 1933-1945. Hg. vom Institut für Zeitgeschichte / Research Foundation for Jewish Immigration, New York in Zusammenarbeit mit Werner Röder und Herbert A. Strauss. Band 1: Politik, Wirtschaft, Öffentliches Leben. Bearbeitet von Dieter Marx Schneider und Louise Forsyth. München [u.a. ]: De Gruyter Saur 1980
- Manfred Marschalek: Untergrund und Exil. Österreichs Sozialisten zwischen 1934 und 1945. Wien: Löcker 1989 (Sozialistische Bibliothek. Abteilung 1: Die Geschichte der österreichischen Sozialdemokratie, 3)
- Jean Maitron / Georges Haupt [Hg.]: Dictionnaire biographique du mouvement ouvrier international. Band 1: Autriche. Paris: Éditions Ouvrières 1971
- Philipp Strobl: Thinking Cosmopolitan or How Joseph Became Joe Buttinger. In: Austrian Lives. Contemporary Austrian Studies 21. Innsbruck: Innsbruck Univ. Press; New Orleans: Univ. of New Orleans Press 2012, S. 92-122
Weblinks
- Wikipedia: Joseph Buttinger
- Das Rote Wien. Weblexikon der Wiener Sozialdemokratie: Joseph Buttinger
- Universität Klagenfurt: Joseph Buttinger