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Das Husarenkino (9., Alser Straße 56) war ein von 1914 bis 1918 betriebenes Schlauch-Eck-Kino mit 1913 226 Sitzplätzen (Stand 24. Dezember 1913) sowie 1918 236 Sitzplätzen (Stand 26. Jänner 1918).
Gründung
Josef Ritter von Tonello (auch bekannt als Josef Ritter Tonello, Josef Tonello, Josef Tonello von Stramare oder Josef Ritter Tonello di Stramare) eröffnete das Kino Anfang 1914. Ein Bericht zum am 24. Dezember 1913 durchgeführten Lokalaugenschein vermerkte, dass alle darin angemerkten Änderungen noch vor Eröffnung des Kinos erbracht werden müssten. So mussten etwa die Tür des Operateurraums ausgewechselt und eine Wendeltreppe durch eine gerade Treppe ersetzt werden.
Bauliche Situation in den Gründungsjahren
Aus einem Grundriss aus der Zeit geht hervor, dass es zwei Warteräume, einen davon mit Buffet, eine Garderobe, ein Büro sowie eine Nische für Musik gab.
Die Eingänge zum Kino befanden sich an der Alser Straße, die Saalausgänge führten auf den Hernalser Gürtel. Ein Notausgang führte in den Innenhof des Hauses. Die Sanitäranlagen waren getrennt in eine Damen- und eine Herrentoilette, die über einen der beiden Warteräume erreicht werden konnten.
Lizenzentzug
Das Kino unter Josef Ritter von Tonello war jedoch von kurzer Dauer, da am 16. Februar 1914 eine Exekution durch das K. k. Bezirksgericht Hernals vollstreckt wurde, bei der alle „in der Wohnung [und] im Geschäftslokale befindlichen beweglichen Sachen jeder Art und [die] im § 296 EO. angeführten Papiere und Einlagebücher“ gepfändet wurden. So wurde laut Exekutionsbewilligung auch die Konzession für das Kinounternehmen entzogen.
Grund für den Verlust des Kinos waren seit 1909 bestehende Schulden, die Tonello dem Wiener Juwelier Karl Taussig nicht zurückgezahlt hatte. Es handelte sich um insgesamt 636 Kronen samt fünf Prozent Zinsen, sodass die Schulden zum Zeitpunkt der Exekutionsbewilligung 792 Kronen und 4 Heller betrugen. Zusammen mit den Gebühren für die Exekution (12 Kronen 85 Heller) musste Tonello demnach einen Betrag zahlen, der 2020 umgerechnet rund 4.608,76 Euro betragen würde. Die Exekution wurde am 2. März 1914 abgeschlossen. Nachdem Tonello im Zuge der Exekution auch die Kinokonzession entzogen wurde, wurde das Kino vermutlich für einige Zeit geschlossen.
Neuübernahme des Kinos
Julius Pipping, ein 1878 in Brandreis an der Elbe geborener Berufsschauspieler, der 1917 als Invalide um die Konzession ansuchte, plante gemeinsam mit der Kinoübernahme auch dessen Umbau. Pipping erhielt die Lizenz 1917 vorerst für ein Jahr, 1918 folgte eine Lizenzverlängerung um ein weiteres Jahr. Doch das kleine Kino wurde vermutlich bereits Ende August 1918 wieder geschlossen.
Das Kino ist erst unter der Leitung durch Pipping als „Husarenkino“ in den Dokumenten der Gemeinde Wien nachweisbar.
Ein Grundriss des Kinos aus der letzten Direktionszeit verweist auf wenige bauliche Veränderungen. Der Saalplan blieb weitestgehend unverändert, doch ist tatsächlich die Wendeltreppe nicht mehr zu sehen, hingegen eine gerade Treppe, die direkt von der Alser Straße zugänglich war. Die einstige Garderobe wurde zu einem Durchgang vom Saal in den Eingangsbereich beziehungsweise in den ersten Warteraum, in welchem sich auch die neue Garderobe befand. Auch die Nische für die Musiker ist nicht mehr ausgewiesen, dafür eine Wand an gleicher Stelle.
Kontroverse um Herrn Josef Ritter von Tonello
Die Wiener Sonn- und Montagszeitung veröffentlichte am 21. Februar 1916 einen Artikel mit dem Titel „Warnung vor einem Hochstapler“, in dem sie vor Geschäften und der Person Josef Ritter Tonello di Stramares warnte, da „mehrere geschädigte Gläubiger“ sich gemeldet hätten. Tonello war demnach „bis zum Jahre 1908 mit dem hohen Klerus in Wien und Rom sowie den Größen der christlichsozialen Partei in enger Beziehung“ gestanden und habe seine Opfer mit seinem Status und seiner guten Wohnung im Domherrenhof „gelockt“. Seine „Opfer“ habe er angeblich dazu gebracht, Geld in der Höhe von 21.500 Kronen (heute ungefähr 135.580 Euro) in Unternehmen zu investieren, die es nicht gab. Doch nicht nur dies – „der edle Ritter“ schlug „einen Gläubiger, welcher in Begleitung des Vollstreckungsorganes zum Exekutionsvollzuge erschienen war, mit dem Ellenbogen in das Gesicht und rief ihm zu, er werde ihn aufspießen wie eine Kröte“, ließ der damalige Artikel warnend aufhorchen.
Am 28. Februar 1916 erschien in derselben Zeitung eine „Berichtigung“, in der sich die Redaktion bei Tonello für seinen Artikel entschuldigte. Es seien Anwälte, Notare und langjährige Geschäftspartner von Tonello mit der Zeitung in Kontakt getreten und hätten alle Anschuldigungen widerlegt. Auch die Identität des „Opfers“ wurde bekanntgegeben – es handelte sich um den Anwalt Hugo Adler, der die Zeitung offenkundig für einen persönlichen Racheakt gegen Tonello missbraucht hatte.
Schließung und Auflösung des Inventars
Im April 1920 wurde die „harte Sitzkasse“ des Kinos im Neuen Wiener Tagblatt zum Verkauf inseriert. Im September 1921 wurde ebenfalls im Neuen Wiener Tagblatt über einen geplanten Einbruch des 27-jährigen Kinooperateurs Alfred Hawelka und seines Komplizen, dem 24-jährigen Malergehilfen Alois Firschik, berichtet. Hawelka sollte der Polizei später gestanden haben, sich Werkzeuge gekauft zu haben, um am nächsten Tag in das wohl bereits schon stillgelegte Husarenkino einzubrechen.
Nachnutzung
In den Kinoakten des Wiener Stadt- und Landesarchivs ist schließlich auch ein Antrag zur „Einrichtung eines provisorischen israelischen Bethauses“ zu finden, dieser ist jedoch nicht ausgefüllt, undatiert und lag augenscheinlich nie einer Behörde vor.
Heute ist am Standort des einstigen Bezirkskinos eine Zweigstelle der Crime Runners, die „Escape Rooms" anbieten. Das Gebäude wurde von außen sichtbar umgebaut und die Türen und Fenster des Kinos lassen sich nur noch erahnen. Auch die Geschichte, die in der Filiale als Escape Room durchgespielt wird, hat nichts mit dem Kinobetrieb des Standorts, oder der Kontroverse um Herrn Tonello zu tun, sondern handelt von einer Bombe aus dem Zweiten Weltkrieg. Zudem wird von den Crime Runners auch nicht die historische Adresse des Kinos (Alser Straße 56) genutzt, sondern es wird der Hernalser Gürtel 24/Ecke Alser Straße als Adresse angegeben.
Siehe auch: Kino
Quellen
- Wiener Stadt- und Landesarchiv, M.Abt. 104, A11: 9. Kino-Alser-Straße-56
- Niederösterreichisches Landesarchiv, XIV 199b, 937 (1913ff.)
- Wiener Sonn- und Montagszeitung, 21.02.1916
- Wiener Sonn- und Montagszeitung, 28.02.1916
- Neues Wiener Tagblatt, 15.09.1921
- Neues Wiener Tagblatt, 26.04.1920
Literatur
- Werner Michael Schwarz: Kino und Kinos in Wien. Eine Entwicklungsgeschichte bis 1934. Wien: Turia & Kant 1992, S. 238