Rundansicht von Wien, Niklas Meldeman (1530)
Überblick
Der sogenannte "Meldeman-Plan" (nach seinem Zeichner Niklas Meldeman) zeigt die Stadt Wien während der Ersten Türkenbelagerung. Er ist weniger eine topographisch exakte Wiedergabe der geographischen Situation Wiens, als vielmehr eine bildhafte Beschreibung der Vorgänge rund um die Belagerung der Stadt. Der originale kolorierte Holzschnitt (Druck von sechs Stöcken) ist heute im Wien Museum am Karlsplatz (Inv. Nr. 48.068).
Entstehungsgeschichte
Der Nürnberger Briefmaler, Formschneider, Drucker und Verleger Niklas Meldeman (in Nürnberger Quellen zwischen 1522 und 1551 genannt) hatte wie andere auch erkannt, dass Berichte – und vor allem Bildberichte – über die Belagerung Wiens durch die Türken sicherlich gute Absatzchancen hatten, wenn sie nur rasch genug erschienen.
Nach seiner eigenen Schilderung begab er sich daher bereits wenige Tage nach Ende der Belagerung hier her, um nach geeigneten Bildvorlagen zu suchen, und erfuhr:
"das ein beruembter Maler zu Wien, … der on das auff s. Steffans thurn in der selben belegerung verordent gewest ist, … für sich selbst, als der Türck noch vor der stat gelegen, auff dem hohen sant Steffans thurn die gantz belegerung gerings vmb zu landt vnt wasser, herwiderumb auch, des kriegsuolcks gegenwer inn der stat wider die Türcken, alles wie es an im selbst ergangen vnd augenscheinlich gewest ist, verzeychent vnnd abgemacht habe."
Es gelang Meldeman, diese Darstellung (oder Darstellungen) zu erwerben. Bereits Anfang Mai 1530, nach wenig mehr als einem halben Jahr, war der Holzschnitt schon gedruckt. Wer jener "beruembte Maler" war, und wer die Werkvorlage für den Holzschnitt angefertigt hatte, darüber gibt es verschiedene Mutmaßungen, die letztlich allesamt nicht belegbar sind. Ein achtseitiges gedrucktes Heft, in dem die Ansicht dem Nürnberger Rat gewidmet und auch erläutert wird, und eine gedruckte Darstellung, ein erweiterter Abdruck der bereits im November 1529 erschienenen Relation des Peter Stern von Labach, ergänzen den Plan.
Karteninhalt
Der Rundplan zeigt nach Meldemans Meinung eine völlig neue Art der Darstellung, weshalb er sich veranlasst sah, sie in seiner Widmungsschrift zu rechtfertigen und zu erläutern. Um den Stephansdom, der im Aufriss dargestellt ist, breitet sich die Umgebung gleichsam nach außen geklappt bis zu den Wienerwaldhängen, dem Leithagebirge und den kleinen Karpathen aus. Es soll damit die Sicht vom hohen Turm von St. Stephan aus suggeriert werden.
Das Stadtinnere ist von Häusern und Straßen frei gelassen, um Platz für die Darstellung von Persönlichkeiten, sich bereitstellenden Truppen und anderen Szenen zu erhalten, lediglich die wichtigeren Kirchen (durchaus nicht alle, wie Meldeman schreibt) werden gezeigt. Die Hofburg und die Fortifikationen sind entsprechend deutlich hervorgehoben, die Vorstädte und die weitere Umgebung teilweise sehr detailreich eingezeichnet, doch sind die Gebäude großteils sehr allgemein gehalten. Dabei sind große Partien relativ lagerichtig getroffen, andere Orte völlig verschoben. Dem Abschnitt von Nussdorf über Süden bis wieder an die Donau, wo sich ja der Großteil des Geschehens abspielte, ist zu viel Raum gegeben, während der nördliche Teil zusammengedrückt und die Donau eher phantastisch dargestellt ist.
Eindrucksvoll ist die Darstellung der mittelalterlichen Ringmauer, vor der Errichtung der Basteien, sowie die davor liegenden, wild umkämpften Vorstädte, die weitgehend in Trümmern liegen, oder brennend dargestellt werden. Am Horizont ist im Süden der von den Türken schwer in Mitleidenschaft gezogene Grenzbereich von Wien nach Niederösterreich zu sehen, wie etwa die brennenden Ortschaften Mödling und Simmering.
Von besonderem Interesse ist der Plan auch für die Alltags- und Militärgeschichte. So wird das Leben in der belagerten Stadt detailreich wiedergegeben, aber auch das Lagerleben der osmanischen Truppen wird gezeigt, wie etwa die Versorgung durch eine Kamelkarawane.
Es darf jedoch nicht übersehen werden, dass der Zweck war, die Ereignisse zu schildern. Auf diese und nicht auf die Topographie kam es letztlich an. Daher finden sich über den ganzen Rundplan verteilt die verschiedensten Szenen, Kampfhandlungen, Kriegsgräuel etc. Alle wichtig erscheinenden Ereignisse werden ohne Rücksicht auf den zeitlichen Ablauf gleichzeitig dargestellt und zumeist erläutert, wobei die Erläuterungen wie die Abbildungen selbst stets vom Stephansdom, von der Mitte des Plans aus zu lesen sind.
Neben den Erklärungen auf dem Plan finden sich auch Buchstabenangaben, die nur mit Hilfe des Begleitheftes aufgelöst werden können. In den vier Ecken schweben die Wappen von Ungarn (links oben) und Böhmen (rechts oben) sowie der österreichische Bindenschild (links unten) – diese drei Wappen beziehen sich auf Ferdinand I. –, weiters der Wiener Kreuzschild (recht unten), alle auf die Planmitte bezogen. In zwei Lorbeerkränzen finden sich, nunmehr auf den unteren Rand bezogen, das Wappen Nürnbergs und die Signatur Meldemans.
Von seiner Funktion her kann der Rundplan mit Presseerzeugnissen unserer Tage verglichen werden. Trotz seiner Mängel ist er eine wesentliche Quelle sowohl zu historischen als auch topographischen Fragen. Albert Camesina erstelle 1851 eine Nachzeichnung auf Basis des kolorierten Originals, die 1863 vom Gemeinderat als Lithografie herausgebracht wurde. Karl Weiß verfasste dazu eine historische Einleitung.
Quellen
- Reproduktion von Albert Camesina, 1863 erschienen
- Reproduktion: Historischer Atlas von Wien, 13. Lieferung (Wien 2010)
Literatur
- Ferdinand Opll: Wien im Bild historischer Karten. Die Entwicklung der Stadt bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts. Böhlau: Wien/Köln/Weimar 2004
- Albert Camesina: Niclas Meldeman's Rundansicht der Stadt Wien während der Türkenbelagerung 1529. Mit einem erläuternden Vorworte von Karl Weiss. Wien: kaiserlich-königliche Hof- und Staatsdruckerei 1863
- Walter Öhlinger: Kriegsbericht als Rundpanorama, in: Sándor Békési / Elke Doppler (Hg.): Wien von oben. Die Stadt auf einen Blick (Ausstellungskatalog Wien Museum), Metro-Verlag 2017, Wien, S. 136f