Ottokar Fischer
Ottokar Fischer (Künstlername: O. F. Marteau), * 10. November 1873 Leschan (Lešany), Mähren, † 1. Dezember 1940 Wien, Zauberkünstler.
Biografie
Ottokar Fischer wurde am 10. November 1873 in Leschan (Mähren) als Sohn eines Oberlehrers geboren und kam im Alter von 10 Jahren nach Wien. Die Begegnung mit einem Bekannten seiner Eltern, der einige Kartenkunststücke beherrschte, ließen den jungen Mann alles andere vergessen und sich neben der Schule nur mehr der Zauberkunst ergeben. Aus unvorhergesehenen Familienumständen unterbrach er sein Studium und absolvierte zuerst eine Mechaniker-Lehre. Später wurde er Beamter und widmete sich nebenbei der Magie, die ihn nicht mehr losließ. Von der großen Bühnenshow nahm er Abstand, als ihn 1891 der Künstler A. Fredmar beeindruckte, der ohne große Apparate auskam. Seither widmete er sich nur noch der Fingerfertigkeit.
Im März 1893 gab Ottokar Fischer seine erste größere Vorstellung in privatem Kreis, lernte Englisch und Französisch, studierte die Fachbücher der damaligen Zeit, vervollkommnete sein autodidaktisch angelerntes Wissen, als er zufällig von dem deutschen Händler Carl Willmann angeschrieben wurde, über den Wiener Zauberkünstler Georg Heubeck einen Nachruf zusammenzustellen. Fischer kontaktierte die Witwe und fand den totgesagten Heubeck bei guter Gesundheit. Durch Heubeck lernte er die schönsten Kunststücke Johann Nepomuk Hofzinsers kennen und schätzen. Wöchentlich besuchte er den Altmeister, der selbst ein Schüler Hofzinsers war und entlockte ihm die Geheimnisse des großen Kartenkünstlers. Heubeck wusste das Talent Fischers zu schätzen und unterrichtete bis zu seinem Tod im März 1899.
Fischer ist es zu verdanken, dass die Kunststücke Hofzinsers nicht verloren gingen. In zwei Büchern – "Hofzinsers Kartenkünste" von 1910 und "Hofzinsers Zauberkünste" schrieb er seine Forschungsergebnisse nieder. Das zweite Buch erschien erst nach seinem Tod 1942 durch die Hilfe seines Freundes Fredo Marvelli. Außerdem verfasste Fischer 1929 in wenigen Wochen das "Wunderbuch der Zauberkunst" für den Sachbuchverlag A. Perthe. Es ist noch heute eines der meist gesuchten Bücher über die Grundlagen der Magie. Selbst viele amerikanische Zauberkünstler schätzen die englische Übersetzung von 1931, die in einer Umfrage der Zeitschrift "MAGIC" zu den 10 wichtigsten Zauberbüchern des 20. Jahrhunderts gezählt wurde. 1938 erschien das Buch "Aus Eins mach Zehn" im Saturn-Verlag, Fischer führte auch zwischen 1913 und 1928 ein eigenes Zaubergeschäft und war Herausgeber der Zeitschrift "Magische Telefunken".
Um seinen 32. Geburtstag herum hatte Fischer wohl mit finanziellen Schwierigkeiten zu kämpfen, die ihn dazu veranlassten, bei der Druckerei Jahoda & Siegel einen Posten als Administrator von Karl Kraus zu übernehmen. Dabei war er für Kraus' Post zuständig, aber auch in persönliche Anliegen involviert, etwa bei der Wohnungssuche. Allerdings gestaltete sich die Zusammenarbeit als äußert schwierig, da es immer wieder zu Problemen kam, was sich auch im Schriftverkehr zwischen Fischer und Kraus wiederspiegelt. Als Fischer 1907 kündigte, schienen beide darüber erleichtert zu sein. 1910, als er sich bereits aus dem Dienstverhältnis mit Karl Kraus gelöst hatte, erschien sein Buch "Kartenkünste" im Verlag Jahoda & Siegel.
Sein Erfolg stellte sich mit seinem Engagement am legendären Kratky-Baschik Zaubertheater 1898 ein, zuerst als Amateur unter dem Künstlernamen O. F. Marteau. 1901 unternahm er eine Tournee nach Italien, Rumänien und durch die österreichischen Alpenländer, die ihm einen gewissen Bekanntheitsgrad brachte. Er kehrte zum Zaubertheater zurück und führte es bis zu seiner Schließung 1911. 1908 gründete er mit dem Wiener Lehrer Ludwig Brunner den "Magischen Klub Wien". Lange Jahre war er Präsident und Ehrenpräsident dieses weltweit anerkannten Klubs. Wenn jemand von der Wiener Magischen Schule sprach, meinte er im Grunde Ottokar Fischer und seinen Kreis.
Ottokar Fischer verstand es, seine Liebe zur Magie, seine Sammlerleidenschaft und sein großes Wissen in den Dienst der Sache zu stellen. Er war mit vielen großen Zauberkünstlern in aller Welt befreundet. Ein reger Briefverkehr dokumentiert seine Verbindungen in alle Kontinente. Man findet seine Beiträge unter anderem in Houdinis Zeitschrift "The Conjurer’s Monthly Magazine" ebenso wie in "The Sphinx", der "Magie" und der "Zauberwelt".
In der NS-Zeit wurde Fischer geschnitten, da er sich nicht in das System einfügen wollte. Er hatte um seine Anerkennung zu kämpfen und starb mehr oder weniger verbittert.
Fischers Sammlung, die heute in alle Winde verstreut ist, soll 1500 Bände alter Zauberbücher, 2500 Mappen mit Plakaten, Theaterzetteln, Programmen, Besprechungen, Photos und Bildern von Zauberkünstlern umfasst haben. Außerdem gab es eine Menge historischer Zauberapparate. Ottokar Fischer starb am 1. Dezember 1940 in Wien und ist am Wiener Zentralfriedhof in einem Familiengrab begraben.
Literatur
- Österreichisches Biographisches Lexikon: Ottokar Fischer
- Friedrich Pfäfflin (Hg.): Karl Kraus und Georg Jahoda. Der Satiriker und sein Drucker und Verleger. Göttingen: Wallstein Verlag 2023