48° 10' 16.59" N, 16° 16' 29.57" E zur Karte im Wien Kulturgut
Geriatriezentrum Am Wienerwald, bis 1994 Versorgungsheim Lainz beziehungsweise Pflegeheim Lainz (13., Versorgungsheimplatz 1); Alters- beziehungsweise Pflegeheim Lainz der Stadt Wien, ursprünglich Versorgungsheim der Stadt Wien, bis 2015 Geriatriezentrum am Wienerwald, 2015 Standort geschlossen. Von Oktober 2015 bis März 2019 Nachnutzung als Unterkunft für Asylwerber und im März 2020 als Betreuungszentrum für mit COVID-19 infizierte Touristen.
Monarchie
Neben dem Lainzer Tiergarten auf dem Gebiet der ehemaligen Gemeinden Lainz und Ober-St.-Veit gelegen, wurde das Versorgungsheim unter Bürgermeister Karl Lueger 1902-1904 nach Plänen des Stadtbauamts unter Leitung des Vizebaudirektors Rudolf Helmreich und des städtischen Architekten Johann Scheiringer erbaut und am 12. Juli 1904 (nach Überführung der Pfleglinge aus dem Bürgerversorgungshaus und dem Versorgungshaus "Zum blauen Herrgott" hieher) in Betrieb genommen. Die fachliche Projektleitung lag bei Jakob Dont (ab 1904 Leiter der Magistratsabteilung XIb).
Die nach dem Pavillonsystem erbaute Anstalt umfasst 31 Gebäude, die durch eine 4.000 Meter lange Gleisanlage miteinander verbunden wurden, und war für die Unterbringung von Personen, die ohne fremde Hilfe außerhalb von Anstalten nicht mehr eigenständig leben konnten, vorgesehen. Im Mittelpunkt der Anlage befindet sich die Anstaltskirche (Karl-Borromäus-Kirche (13)). Die Monumentalbüste Franz Josephs I. (heute 18., Bastiengasse 36-38; Kaiser-Franz-Joseph-Denkmal) schuf Georg Leisek, das Luegerdenkmal (vor Pavillon XIV) Theodor Franz Khuen (enthüllt 8. September 1906). Für die Ausschmückung der Kirche wurden 1903/1904 eigens die Bezirkswappen durch Hugo Gerard Ströhl erfunden und entworfen.
Erste Republik
1922 wurde das Versorgungsheim von der sozialdemokratischen Stadtverwaltung grundlegend modernisiert. Abgesehen von den zwei Dienstleistungsangeboten ("Gesundenheim" und "Krankenheim") kann der Wandel, der sich in den 1920er Jahren vollzog, als Transformation von einem multifunktionalen Unterbringungsort für alte, gebrechliche und kranke Menschen hin zu einem ausdifferenzierten, nach modernen medizinischen Kriterien ausgerichteten Alten- und Pflegeheim umschrieben werden.
Eine Institution dieser Größenordnung verschlang zu allen Zeiten entsprechende kommunale Finanzmittel. Mitte der 1920er Jahre standen in Lainz bei Normalbelag 5.728 Betten zur Verfügung, ein Jahrzehnt später knapp 5.500. Die beeindruckende Bettenkapazität konnte aber niemals wirklich die Nachfrage befriedigen, weshalb man immer wieder versuchte, Anstaltsinsassen der billigeren "offenen" Fürsorge zu überantworten.
Zur Heranbildung geschulten Pflegepersonals errichtete man eine anstaltseigene Pflegerinnenschule. Der Personalstand betrug in der Zwischenkriegszeit etwa 780 Mitarbeiter. Das Versorgungsheim wurde in weitgehendem Maß mit Hilfe eigener Anstaltsbetriebe geführt ("Krankenkostküche", eigene Landwirtschaft und eigene Handwerkerabteilungen).
Das Versorgungsheim Lainz fungierte in den 1920er und 1930er Jahren auch als zentrale Drehscheibe für die "geschlossene Altenfürsorge" der Stadt Wien Alle für diese vorgesehenen Personen wurden zuerst in die Aufnahmeabteilung des Versorgungsheims Lainz aufgenommen, dort einer gründlichen ärztlichen Untersuchung und Prüfung unterzogen und sodann in entsprechenden Abteilungen in Lainz oder in andere städtische oder private "Versorgungshäuser" überstellt.
Das Versorgungsheim Lainz verfügte über zehn Krankenabteilungen (darunter interne, neurologische, chirurgische Abteilungen sowie je eine Abteilung für "Geistessieche" und Tuberkulöse). Weniger im Sinn sozialmedizinischer Dienstleistung, sondern mehr in Richtung moderner Altenheime bestand die Einrichtung von zwei "Ehepaarheimen" mit je 40 Zimmern, in denen alte, erwerbsunfähige Ehepaare ihren Lebensabend verbringen konnten.
NS-Zeit
Während des Zweiten Weltkriegs wurde viele der hier betreuten Personen Opfer der NS-Krankenmorde und die Anlage später zudem als Lazarett genutzt.
346 Pfleglinge des Versorgungsheimes wurden während der Vorbereitungen zur Aktion T4 an die Zentraldienststelle T4 in Berlin gemeldet, wobei ungewiss ist wie viele tatsächlich abtransportiert worden sind. Zunächst wurden die Pfleglinge wahrscheinlich nach Steinhof verlegt, von wo sie anschließend in die Tötungsanstalt Hartheim überstellt und ermordet wurden.
Zweite Republik
Nach 1945 machte sich zwar der Bettenmangel wieder bemerkbar, aber durch die Verlegung der Krankenpflegeschule konnten zusätzlich Zimmer für kranke Alte beziehungsweise für alte Ehepaare hinzugewonnen werden. Darüber hinaus waren Instandsetzungsarbeiten und Umbauten charakteristisch für die Entwicklung in den Nachkriegsjahrzehnten. Im Wesentlichen fand das historisch etablierte System der geschlossenen kommunalen Altenfürsorge seine Fortsetzung. Nichtsdestoweniger ist vor allem ein Wandel in der Binnenstruktur der städtischen Altersheime festzustellen. Die Entwicklung führte in Lainz zum "Alterskrankenhaus".
Umbenennung und Schließung
1994 wurde das Versorgungsheim Lainz in "Geriatriezentrum am Wienerwald" umbenannt, das 2015 geschlossen wurde.
Nachnutzung
Nach der Schließung wurden von Oktober 2015 bis Ende März 2019 manche Gebäude des Komplexes zur Unterbringung von Asylwerbern genutzt.
Am 2. März 2020 wurde von der Stadt Wien im ehemaligen Geriatriezentrum ein Betreuungszentrum mit 58 Betreuungsplätzen für Touristen eröffnet, die sich mit dem Coronavirus infiziert haben. Bei dem Betreuungszentrum handelte es sich um kein Krankenhaus, sondern lediglich um eine Betreuungsunterkunft, in der nur positiv getestete Fälle unterkommen, die nur schwache bis gar keine Symptome haben.
Videos
Nachbar im Herbst (Filmdokument VIII) (1956), Zitat: WStLA, Filmarchiv der media wien, 131AB
Quellen
Literatur
- Ingrid Arias / Sonia Horn / Michael Hubensdorf [Hg.]: In der Versorgung. Vom Versorgungshaus Lainz zum Geriatriezentrum "Am Wienerwald". Wien: Verlagshaus der Ärzte 2005
- Das neue Wien. Städtewerk. Hg. unter offizieller Mitwirkung der Gemeinde Wien. Band 2. Wien: Elbemühl 1927
- Jakob Dont: Das Wiener Versorgungsheim. Eine Gedenkschrift zur Eröffnung. Wien: Verlag der Gemeinde Wien in Kommission bei M. Gerlach 1904
- Gustav Gugitz: Bibliographie zur Geschichte und Stadtkunde von Wien. Hg. vom Verein für Landeskunde von Niederösterreich und Wien. Band 4: Profane Topographie nach den 21 Bezirken (2.-21. Bezirk). Wien: Jugend & Volk 1958, S. 358
- Gerhard Melinz / Gerhard Ungar: Wohlfahrt und Krise. Wiener Kommunalpolitik zwischen 1929 und 1938. Wien: Deuticke 1996 (Forschungen und Beiträge zur Wiener Stadtgeschichte, 29)
- Jahrbuch der Stadt Wien. Jahrgang 1945 ff.
- Kurzgefaßter Führer durch das Wiener Versorgungsheim. Wien: Eigenverlag 1912
- Rathauskorrespondenz, 09.09.2003, 26.05.2006, 04.08.2009, 22.10.2009, 13.01.2010