Wienerwald

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Überblickskarte des Wienerwalds aus der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts
Daten zum Objekt


Wienerwald, 2009

Waldgebirge

Waldgebirge (nordöstlicher Ausläufer der Ostalpen), begrenzt im Osten von der Linie Bad Vöslau-Baden-Mödling-Perchtoldsdorf und den Ausläufern in den westlichen Bezirken Wiens, im Nordosten und Norden von der Donau, im Westen von der Linie Sankt Andrä-Wördern-Königstetten-Tulbing-Sieghartskirchen-Neulengbach-Böheimkirchen-Wilhelmsburg, im Süden von den Flüssen Gölsen, Triesting und Schwechat.

Der nördliche Teil des Wienerwalds gehört zur Flyschzone (hier liegt auch der Schöpfl, mit 893 Metern der höchste Wienerwaldgipfel), der südliche baut sich aus Kalken (Wettersteinkalk, Hauptdolomit) auf. Weitere hohe Erhebungen sind der Hohe Lindkogel (834 Meter) und der Peilstein (716 Meter). Im Norden und Westen dominiert der Laubwald, der Süden wird auch von Nadelwäldern geprägt, an den östlichen und südlichen Abhängen wird Weinbau betrieben.

Der höchste Berg auf Wiener Boden ist der 544 Meter hohe Hermannskogel mit der Habsburgwarte. Die wichtigsten Wasserläufe sind Triesting, Schwechat, Wienfluss sowie große und kleine Tulln. Politisch gehört der Wienerwald zu den Bundesländern Niederösterreich und Wien (Bezirke 19, 18, 17, 16, 14, 13 und 23; Vororte).

Der Wienerwald gehört zum Wald- und Wiesengürtel; der Bau der Höhenstraße sowie der Westautobahn A 1 (Lainzer Tiergarten) und der Außenringautobahn A 23 (vom Knoten Steinhäusl über Alland zur Südautobahn A 2) führten zu Eingriffen in das Landschaftsschutzgebiet.

Der Wienerwald ist ein wichtiges Naherholungsgebiet für die Wiener Bevölkerung, das durch zahlreiche markierte Wanderwege (zu denen auch die "Stadtwanderwege" gehören) erschlossen wird. Für Wintersportler gibt es auf der Hohe-Wand-Wiese (14, Vorderhainbach) einen Schilift mit Flutlichtanlage.

Der Wald - Erschließung und Verwaltung

Mittelalter

Fast der gesamte Raum von Wien war vor der Ansiedlung von Menschen von Urwäldern bedeckt. Auch das Wiener Becken mit seinen geologischen Terrassen (Stadtterrassen) war ursprünglich Waldland; die landwirtschaftliche Nutzungsmöglichkeit führte zum Zurückdrängen des Walds. An der Donau bestanden Auwälder (Auen), die allerdings durch den nach der Donauregulierung abfallenden Grundwasserspiegel und das Ausbleiben von Überschwemmungen dezimiert wurden.

Das Gebiet des Wienerwalds kam in der ersten Hälfte des 11. Jahrhunderts zur Mark Österreich (Grundstückschenkungen Heinrichs II. zwischen Liesing und Piesting an die Babenberger 1002 und 1035); an der Erschließung waren die Klöster Klosterneuburg (gegründet 1106), Heiligenkreuz, Kleinmariazell (beide gegründet 1136) und Mauerbach (gegründet 1313) beteiligt, die Landesfürsten benützten das Gebiet zur Jagd, zu deren Schutz im 12. Jahrhundert bei Schenkungen an Klöster Rodungsverbote ausgesprochen wurden.

Die Habsburger brachten 1276 den Wienerwald in ihren Besitz und erweiterten ihr Herrschaftsgebiet durch den Erwerb einiger Grundherrschaften, darunter Purkersdorf (1333), Gablitz (1333), Sankt Veit (1361) und Auhof (1560), womit der überwiegende Teil des Wienerwalds landesfürstlicher Besitz war (Forstmeister, Waldamt).

Frühe Neuzeit

Um 1500 trennte Maximilian I. Jagd und Forstwirtschaft voneinander (Einrichtung des Waldamts Purkersdorf; die Holznutzung gewann gegenüber der Jagd an Bedeutung); vorgesetzte Behörde des Waldmeisters wurde das Oberstjägermeisteramt. 1512 wurde die erste Waldordnung für den Wienerwald erlassen.

Nach der Ersten Türkenbelagerung (1529) kam es infolge des Baus der Basteibefestigungen und des Wiederaufbaus zerstörter Häuser zu vermehrten Schlägerungen; außerdem wurden im Raum Kaltenleutgeben Kalkbrenner angesiedelt (die einen großen Brennholzbedarf hatten); Rodungen sind noch heute als in die Wälder eingestreute Wiesen erkennbar.

Auch während der Zeit des Merkantilismus kam es ab der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts zu verstärkten Nutzungen (auch Ansiedlung von Waldarbeitern im inneren Wienerwald bis zur zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts). Die Schlägerung von Tannen (für die Einrichtung von Schwemmbetrieben auf Wienfluss und Schwechat) führte ab 1720 zum Vordringen der Buche. 1745 übergab Maria Theresia die Herrschaft Ebersdorf (heute Lobau und Mannswörth) der Gemeinde Wien zur Versorgung des Bürgerspitalfonds. 1755 kam es im Zuge der Trennung des habsburgischen Familienfonds und des Staatseigentums zur Ausscheidung des Wienerwalds aus dem Privateigentum der Habsburger. 1766 wurde für Niederösterreich und Oberösterreich eine Waldordnung erlassen.

1766 gab Joseph II. den waldreichen Prater für die öffentliche Benützung frei. 1770 kam es im Wienerwald zu großflächigen Pflanzungen von Fichten, Lärchen und Kiefern. 1772 wurde der Lainzer Tiergarten als kaiserliches Jagdreservat eingefriedet. Johann I. Fürst Liechtenstein, der die Ruinen Liechtenstein bei Mödling (1807) und Johannstein bei Sparbach (1808) erwarb, ließ deren Umgebung romantisch ausgestalten (Husarentempel bei Mödling, Sparbacher Tiergarten). Eine 1813 erlassene Waldordnung für Niederösterreich führte zur Vermessung und Kartierung der Waldbestände als Grundlage für Ertragsberechnungen sowie zur Bestimmung, dass die Aufsicht über die Wälder in der Forstlehranstalt (Mariabrunn) ausgebildete Forstbeamte zu übernehmen hatten; Holz durfte nur mit Genehmigung geschlägert werden, die freie Begehbarkeit des Wienerwalds wurde eingeschränkt.

Der Wald und die Industrialisierung

Als die 1838 eröffnete Nordbahn einen wirtschaftlichen Kohletransport ermöglichte, ging der Brennholzbedarf stark zurück; in der Folge traten an die Stelle von Niederwäldern zahlreiche Hochwälder. Die Eröffnung der Südbahn 1842 und der Westbahn 1858 (Eisenbahn) erschloss den Wienerwald für größere Bevölkerungsschichten (auch als Sommerfrische); neben die bisherige Forstwirtschafts- und Jagdnutzung trat die Funktion als Erholungsgebiet.

Die Abholzung der dem Staat gehörenden Teile des Wienerwalds aufgrund eines 1870 beschlossenen Gesetzes über die "Veräußerung von Staatseigentum" konnte der Mödlinger Bürgermeister Josef Schöffel 1870-1872 verhindern (1872 Annullierung des Vertrags mit dem Holzhändler Moriz Hirschl). Die Regulierung des Wienflusses wirkte sich negativ auf die Auwälder aus. Im Zuge der zweiten Stadterweiterung (1890/1892) kamen ehemalige Gemeindewälder zu Wien (Hütteldorfer, Ober-Sankt-Veiter, Hadersdorfer Wald). 1905 beschloss der Gemeinderat die Anlage des Wald- und Wiesengürtels.

Nach Kriegsausbruch 1914 kam es zu Schlägerungen für Befestigungszwecke, nach 1918 zu illegalen Rodungen und zum Siedlungsbau in einem Teil des Lainzer Tiergartens (Friedensstadt). Die 1926 geschaffenen Österreichischen Bundesforste verwalten den staatlichen Teil des Wienerwalds.

1956 begannen Aufforstungen auf dem Laaer Berg (32 Hektar Stadtwald); 1962-1964 wurden Windschutzaufforstungen im Marchfeld durchgeführt. Die Forstgesellschaft brachte 1975 die "Waldöffnung" (freie Begehbarkeit mit nur geringen Einschränkungen). 1987 wurde die Donauinsel fertiggestellt (ab 1973 Aufforstung von rund 170 Hektar Wald [rund 1,8 Millionen Bäume]). 1956-1992 wurden vom städtischen Forstamt 358,6 Hektar aufgeforstet (Pflanzung von 3,37 Millionen Bäumen), um den Wald- und Wiesengürtel zu schließen. Von den 7.401 Hektar Waldareal innerhalb des Stadtgebiets besitzt die Gemeinde Wien über 70 Prozent; zweitgrößter Waldbesitzer in Wien sind die Österreichischen Bundesforste, 8 Prozent befinden sich im Besitz der Kirche (Schotten, Sankt Peter, Klosterneuburg), ein kleiner Rest in Privathand.

Siehe auch:

Videos

Wienerwald (1967), Zitat: WStLA, Filmarchiv der media wien, 298A/B (Ausschnitt)

Quellen

Literatur

  • Anton Schachinger: Der Wienerwald. 1934
  • Christoph Sonnlechner: Bürger und Wald. Überlegungen zur Nutzung von Wiener Bürgerspitalswäldern im Mittelalter. In: Jahrbuch des Vereins für Geschichte der Stadt Wien Bd. 64 (2010), S. 82-114.
  • Christoph Sonnlechner: Verwaltung von Natur. Ressourcenmanagement und das geschriebene Wort in spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Grundherrschaften. In: Walter Pohl und Paul Herold (Hg.), Vom Nutzen des Schreibens. Soziales Gedächtnis, Herrschaft und Besitz im Mittelalter (= Forschungen zur Geschichte des Mittelalters Bd. 5, Wien 2002), S. 375-394.
  • Anton Scheiblin: Der Wienerwald. In: Ferdinand Lettmayer [Hg.]: Wien um die Mitte des XX. Jahrhunderts - ein Querschnitt durch Landschaft, Geschichte, soziale und technische Einrichtungen, wirtschaftliche und politische Stellung und durch das kulturelle Leben. Wien: 1958, S. 151 ff.
  • Ilse Ellmerich [Hgin.]: Das Buch vom Wienerwald. 1967
  • Erik Arnberger, Rudolf Wismeyer: Ein Buch vom Wienerwald. 1952
  • Gerhard Trumler: Das Buch vom Wienerwald. 1985
  • Karl Fischer: Der Wienerwald. In: Wiener Geschichtsblätter 44 (1989), Beiheft 2/1985
  • B. Plöchinger: Der Wienerwald. 1993
  • Wiener Landschaften (Katalog zur 173. Sonderausstellung des Historischen Museums der Stadt Wien), Wien 1993, S. 146 ff., 158 ff.
  • Anton Kurir, Josef Schöffel. In: Briefmarkenabhandlung der Postdirektion anläßlich des Erscheinens von österreichischen Briefmarken, 02.02.1970, S. 1 ff.
  • Sándor Békési, Elke Doppler: Der Wienerwald. Die Großstadt und ihre Komplementärlandschaft. In: Oliver Kühschelm, Elisabeth Loinig, Stefan Eminger u. Willibald Rosner [Hg.]: Niederösterreich im 19. Jahrhundert, Bd. 2: Gesellschaft und Gemeinschaft. Eine Regionalgeschichte der Moderne. St. Pölten: NÖ Institut für Landeskunde 2021, S. 543–569.