Donauinsel

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Schrägluftaufnahme vom 21. April 1997
Daten zum Objekt
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48° 13' 35.84" N, 16° 24' 44.14" E  zur Karte im Wien Kulturgut

Im Zuge des Baus eines Entlastungsgerinnes im ehemaligen Überschwemmungsgebiet (Neue Donau), das die 1870-1875 regulierte Donau (Donauregulierung) an ihrem linken Ufer begleitete, entstand zwischen den beiden Flussläufen eine rund 20 Kilometer lange und bis zu 300 Meter breite Insel, die zu einem Naherholungsgebiet ausgebaut wurde.

Die "Neue Donau" wurde nach langen Diskussionen im Gemeinderat, die mit einer mehrheitlichen Beschlussfassung seitens der SPÖ endeten, zwischen 1. März 1972 und 1988 angelegt. Abschluss der Baggerarbeiten war am 13. Oktober 1987, wobei die Teilbenützung der nördlichen Teile bereits möglich war.

Im Mai 1973 wurde der "Wettbewerb Donaubereich Wien“ ausgeschrieben, der viele bis dahin unbeachtete Auswirkungen behandelte, die Donauinsel in den gesamtstädtischen Planungsprozess einband (siehe unten) und der zunehmenden Politisierung des Projektes Rechnung trug.[1] Vor allem von der Opposition kam zu dieser Zeit eine vehemente Kritik an Großprojekten, die als unnötige Belastung des Steuerzahlers angeprangert wurden. Im Falle der Donauinsel bezog sich dies auf die weiterführenden Pläne der Stadtbauplanung, nicht auf den Hochwasserschutz selbst.

1983 wurde das Areal vom Gemeinderat als "Erholungsgebiet" freigegeben. Die offizielle Benennung erfolgte am 7. Mai 1984 durch den Gemeinderatsausschuss für Kultur. Seit 1984 wird alljährlich im Sommer das "Donauinselfest" abgehalten.

Als Donauinseln im Wiener Raum können historisch betrachtet auch die Inseln des bis 1868-1875 großteils unregulierten Donaustroms bezeichnet werden, vor allem der Obere Werd und der Untere Werd (Werd oder Wörth = Insel), die spätere Leopoldstadt. Auch das Gänsehäufel war einst eine Insel im unregulierten Strom.

Die Planungsphasen

Vorentwurf Nordteil, Gottfried und Anton Hansjakob (1976)

Die erste Phase des "Wettbewerbs Donaubereich Wien"

Die Ausschreibung des Wettbewerbs fand auf nationaler Ebene im Mai 1973 statt. Einsendefrist der Bearbeitung war Dezember 1973, die Beurteilung der Projekte durch die Jury fand im Mai und Juni 1974 statt. Von den 44 eingesandten Projekten wurden elf prämiert und fünf schließlich für die weitere Bearbeitung herangezogen.

Während der laufenden Ausschreibung kam es durch die bereits begonnenen Bauarbeiten zu erheblichem Zeitdruck. Am 29. Mai 1974 stellte die Jury fest, dass der erste Kilometer der Donauinsel nach "fast ausschließlich wasserbautechnischen Überlegungen“[2] gebaut worden war: die steilen Ufer ließen kaum eine Nutzung zu. Am nächsten Tag fand mit Bürgermeister Leopold Gratz eine Aussprache statt, in der die Jury um das Aussetzen der Bauarbeiten ansuchte, was Gratz jedoch ablehnte. Stattdessen forderte er im Hinblick auf die bald stattfindende zweite Wettbewerbsstufe Vorschläge der Jury für eine rasche und effiziente Abwicklung derselben, versicherte der Jury für ihre Ideen volle Unterstützung und ließ auch Möglichkeiten prüfen, die laufenden Bauarbeiten mit den Juryplanungen zu vereinbaren. Zu diesem Zweck trat man auch an die beteiligten Planungsbüros heran und beauftragte sie mit der Planung von "Sofortmaßnahmen" für bereits im Bau befindliche Bereiche.

Die zweite Phase des "Wettbewerbs Donaubereich Wien"

Uferprofile, Arbeitskreis 1 (1975)
Uferprofile, Arbeitskreis 1 (1975)

Nach der Strukturierung eines Arbeitsprogramms begann die zweite Wettbewerbsphase im November 1974. Aus den fünf Planungsbüros wurden zwei Arbeitskreise gebildet, die Planungen sollten in mehreren Tagungen und gemeinsam mit Experten, Verwaltungsstellen der Stadt und mit der Jury bis November 1976 abgeschlossen werden. Durch den Einsturz der Reichsbrücke am 1. August 1976 und die Koordination mit dem darauffolgenden "Projektwettbewerb Reichsbrücke" verzögerte sich die Schlusssitzung allerdings bis Mai 1977.

Während der Jurysitzungen wurden vor allem die Ausführungsplanungen des Mittelteils heftig diskutiert. Erst im November 1976 fand man eine Kompromisslösung: eine kurzfristige Bebauung wurde ausgeschlossen, sollte durch die Inselbreite und die Verschwenkung des Entlastungsgerinnes für die Zukunft aber möglich bleiben.[3]

Die international besetzte Wettbewerbs-Jury gab unter anderem die Empfehlung ab, dass die Charakteristika der Stromlandschaft soweit wie möglich erhalten werden sollten. Die Donauinsel selbst sollte in überwiegendem Maße für Erholungszwecke genutzt werden. Ein ausgewogenes Verhältnis zwischen gestalteten Sport- und Erholungsflächen sei anzustreben.

Im Juli 1977 richtete man die "Koordinationsstelle Donauraum Wien" als Nachfolgeorganisation des Wettbewerbs ein.

Im Rahmen dieses unkonventionellen Planungsmodells, dem so genannten Wiener Modell, wurden konkrete Empfehlungen zur Stadtentwicklung im weiteren Donaubereich erarbeitet und 1977 ein "Leitprojekt Donaubereich Wien" erstellt. Darin wurden Funktion und Zonierung von Donauinsel und Neuer Donau festgelegt.

Ab Mitte der 1970er-Jahre waren zwei Landschaftsarchitekturbüros in die Planung eingebunden und für die Gestaltung der Donauinsel verantwortlich: Gottfried und Anton Hansjakob (München) sowie Marija und Wilfried Kirchner (Wien). Sie standen unter einem enormen Zeitdruck, da die Bauarbeiten bereits seit fünf Jahren im Laufen waren. Das bisherige Fehlen eines Gestaltungskonzeptes hatte zu offenkundigen Mängeln geführt. Massive Kritik war die Folge: von "der Fadennudel", "Spaghettiinsel" und "Pissrinne" war in den Medien die Rede. Die landschaftsgestalterischen Planungen mussten nun die vorauseilenden Bauarbeiten einholen.

Landschaftsarchitektonische Gestaltung der Donauinsel

Ausführungsplan Mittelteil, Arbeitskreise 1 und 2 (1979)

Die Insel selbst gliedert sich nach den Vorgaben des "Leitprojekts Donaubereich Wien" in drei Teile. Diese Dreigliederung bewirkte auch eine differenzierte landschaftsarchitektonische Gestaltung des Inselkörpers: Sowohl Norden als auch Süden wurden als "naturnahe Bereiche" gestaltet. Die Oberfläche der Insel bekam eine Modellierung, die unterschiedliche Standortbedingungen für die Pflanzenwelt und differenzierte Lebensräume für die Tierwelt schuf. Altbaumbestände blieben bestehen, indem man die Dammschüttung entsprechend aussparte beziehungsweise verlagerte. Auch Altarmbereiche wie Zinkerbachl und Toter Grund wurden samt der umgebenden Vegetation erhalten und in die Modellierung integriert.

Für den Mittelteil – auf der zentralen Entwicklungsachse zwischen der Inneren Stadt und dem Vienna International Centre gelegen – entschied man sich für eine intensivere Gestaltung und Nutzung als multifunktionaler urbaner Park. Dichte Gehölzpflanzungen wechseln mit offenen Wiesen ab, wodurch auf dem langen Inselkörper eine Abfolge verschiedener Teilräume entstand. In diese Grundstruktur wurde Infrastruktur wie Sportflächen, Spielplätze, Gastronomie, und WC-Anlagen eingebettet. Zusätzlich wurde eine abwechslungsreiche Uferlinie mit Promenaden, Badebuchten und Schwimmpontons geschaffen.

Entwicklungsachsen, öffentlicher und privater Verkehr

Kraftwerk Freudenau mit Umgehungsbach, Gottfried und Anton Hansjakob (1994)

Der Bau der Donauinsel entwickelte sich von einem ursprünglich als Hochwasserschutz geplanten zu einem gesamtstädtischen Projekt. Die Verbindung der beiden Donauufer und ihrer Stadtteile sowie die Nutzung der Insel selbst ("Es ist Ziel der Stadt Wien, den Donaubereich zu aktivieren.")[4] wurden zu leitenden Gesichtspunkten.[5]

Zwei Entwicklungsachsen waren vordergründig, im Norden von der Brigittenau über Floridsdorf in Richtung Stammersdorf (Vorort) und im Zentrum von der Leopoldstadt über Kaisermühlen in die Donaustadt beziehungsweise nach Kagran. Die im Zuge des Baus der U-Bahn entstehende Trasse der U1 war von Anfang an miteingeplant. Zudem wurde eine eigene Entwicklungsachse von der Donaustadt nach Stadlau (Vorort) vorgesehen, mit potentieller Verlängerung nach Aspern und Groß-Enzersdorf. Der spätere Ausbau der Nordstrecke der U2 übernahm diese Aufgabe und ist heute die dritte Achse über die Donauinsel, vom Prater über den Handelskai nach Stadlau und Donaustadt bis nach Aspern. Heute hat die Donauinsel direkten Anschluss an die U1 (Station direkt auf der Donauinsel), U2 (Stationen Donaumarina und Donaustadtbrücke) sowie an die U6 (Stationen Handelskai und Neue Donau).

Die Donauuferautobahn A22 und die Bahnhöfe im Einzugsgebiet (Franz-Josefs-Bahnhof, Bahnhof Wien-Praterstern) wurden im Planungskonzept als "trennende Elemente" der beiden Donauufer definiert, waren aber aufgrund ihrer Funktion aus dem Planungskonzept nicht wegzudenken. Geplante Alternativrouten der A22 wurden abgelehnt, die bisherige Route am linken Donauufer als "geringstes Übel" in die Planung eingebunden. Die Überplattung der A22 im Bereich zwischen heutiger Donau-City und Kaisermühlen sowie Übergänge und Grünbrücken sollten für die Milderung der Belastung sorgen. Fuß- und Radwege erhielten dadurch ebenfalls Priorität und sollten die Erreichbarkeit aller Erholungsräume im Donaubereich sicherstellen.

Im Falle einer verstärkten Siedlungsentwicklung der Bezirke 21-23 sollte auf weitere mitgeplante U-Bahn-Trassen zurückgegriffen werden. Neben dem realisierten Ausbau der U1 nach Kagran und der U6 nach Floridsdorf sah man auch den Bau einer U7 vor, die Floridsdorf und Donaustadt von Nordwest nach Südost verbinden sollte. In der Donaustadt wiederum plante man damals die Linie U3 in jener Trasse, in der die U2 später bis Aspern verlängert wurde.

Siehe auch: Magistratsabteilung 45 - Wiener Gewässer

Videos

Humoristischer Werbe- bzw. Lehrfilm über den Bau der Donauinsel und den Wiener Hochwasserschutz mit Waltraut Haas und Erwin Strahl:

Donauzwilling im Doppelbett (1974), Zitat: WStLA, Filmarchiv der media wien, 477 (Ausschnitt)

Dokumentation über die Freizeitmöglichkeiten in Wien mit Erwin Steinhauer:

Freizeit in Wien (1981), Zitat: WStLA, Filmarchiv der media wien, 039 (Ausschnitt)

Die Errichtung der Donauinsel

2021 wurden in einem Forschungsprojekt am Institut für Landschaftsarchitektur der Universität für Bodenkultur Wien Fachleute als Zeitzeuginnen und Zeitzeugen zum Planungs- und Bauprozess der Donauinsel befragt. Aus dem Interviewmaterial wurden zwei Kurzfilme zu je 16 Minuten produziert. Darin erläutern die Interviewpartnerinnen und -partner den langwierigen Diskussionsprozess, in dem sich die Funktion des Bauprojektes von einem rein technischen Hochwasserschutzvorhaben hin zu einem multifunktionalen Landschaftsraum verlagerte. Zusammen mit zahlreichen Begleit- und Folgeprojekte, wie dem Bau eines Abwassersammelkanals, der Überplattung der Donauuferautobahn und der Errichtung der Donaucity, zählt die Donauinsel zu den zentralen städtebaulichen und landschaftsarchitektonischen Maßnahmen Wiens im 20. Jahrhundert. Dieser Natur- und Erholungsraum ist heute aus dem Wiener Stadtbild nicht mehr wegzudenken.

Interviewt werden: DI Bruno Domany, DI Karl Glotter, Dr. Ulrike Goldschmid, DI Dr. Brigitte Jedelsky (alle Stadt Wien), DI Gottfried Hansjakob (Landschaftsarchitekt, München), DI Marija Kirchner (Landschaftsarchitektin, Wien)

YouTube, BOKU, Institut für Landschaftsarchitektur: Die Donauinsel. Vom technischen Hochwasserschutzprojekt zu einem neuen Landschaftsraum an der Donau, 17 Min. 9 Sek. [Stand: 02.06.2022]
YouTube, BOKU, Institut für Landschaftsarchitektur: Die Donauinsel. Die Gestaltung eines neuen Natur- und Erholungsraumes mitten in der Stadt, 15 Min. 20 Sek. [Stand: 02.06.2022]

Einzelnachweise

  1. Leopold Redl / Hans Wösendorfer: Die Donauinsel. Ein Beispiel politischer Planung in Wien. Wien: Verlag für Gesellschaftskritik 1980 (Österreichische Texte zur Gesellschaftskritik, 3), S. 106.
  2. Stadtbaudirektion Wien [Hg.]: Wettbewerb Donaubereich Wien. Wien: Forum 1977 (Der Aufbau. Fachschrift für Planen, Bauen, Wohnen und Umweltschutz, herausgegeben von der Stadtbaudirektion Wien, 4), S. 8.
  3. Leopold Redl / Hans Wösendorfer: Die Donauinsel. Ein Beispiel politischer Planung in Wien. Wien: Verlag für Gesellschaftskritik 1980 (Österreichische Texte zur Gesellschaftskritik, 3), S. 148.
  4. Stadtbaudirektion Wien [Hg.]: Wettbewerb Donaubereich Wien 2. Wettbewerbsstufe. Wien: Forum 1977 (Der Aufbau. Fachschrift für Planen, Bauen, Wohnen und Umweltschutz, herausgegeben von der Stadtbaudirektion Wien, 6), S. 8.
  5. Stadtbaudirektion Wien [Hg.]: Wettbewerb Donaubereich Wien 2. Wettbewerbsstufe. Wien: Forum 1977 (Der Aufbau. Fachschrift für Planen, Bauen, Wohnen und Umweltschutz, herausgegeben von der Stadtbaudirektion Wien, 6), S. 20-21.