Polnische Schul Vereinssynagoge des Vereins Beth Israel

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Polnische Schul, Postkarte 1899
Daten zum Bauwerk
Art des Bauwerks Synagoge
Datum vonDatum (oder Jahr) von 1893
Datum bisDatum (oder Jahr) bis 1939
Andere BezeichnungAndere Bezeichnung für diesen Eintrag
Frühere Bezeichnung
Benannt nach
Einlagezahl 4293
Architekt
Prominente Bewohner
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Letzte Änderung am 31.10.2023 durch WIEN1.lanm08trj
BildnameName des Bildes Polnische Schul Postkarte 1899.jpg
BildunterschriftInformation, die unterhalb des Bildes angezeigt werden soll Polnische Schul, Postkarte 1899
  • 2., Leopoldsgasse 29

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48° 13' 6.15" N, 16° 22' 38.41" E  zur Karte im Wien Kulturgut

Synagoge (2., Leopoldsgasse 29: Polnische Schul)

Die Polnische Schul bildete bis 1938 das Gebets-, Kultur- und Thorastudienzentrum der Jüdinnen und Juden, die im Laufe des 19. Jahrhunderts aus Polen und später aus dem Kronland Galizien nach Wien gezogen waren und ihre Gebetsriten, Sprache und Tradition mitgebracht hatten und in Wien fortsetzten.[1] Nachdem ihnen das seit 1854 existierende Bethaus in Wien 2, Obere Donaustraße 65 (heute 79) zu klein geworden war, gab der im Jahr 1882 in Wien gegründete Israelitische Bethausverein "Beth Israel" den Bau einer Synagoge in Auftrag.[2]

Vereinsgeschichte des Israelitischer Synagogenvereins "Beth Israel nach polnisch-jüdischem Ritus"

Rekonstruierte Innenansicht der Polnischen Schul
Rekonstruierte Außenansicht der Polnischen Schul

Im Jahr 1882 erfolgte die Eingabe der Proponenten des Israelitischen Bethausvereins "Beth Israel" in Wien für eine Vereinsgründung bei der k. k. Niederösterreichischen Statthalterei. Der Verein bezweckte, "seinen Mitgliedern eine würdige Stätte der Andacht zu verschaffen". Im Jahr 1893 hatte der Verein den Namen "Israelitischer Synagogenverein Beth Israel nach polnisch-jüdischem Ritus in Wien" mit Sitz in Wien 2, Leopoldsgasse 29 angenommen und bezweckte die "Erhaltung des Bethauses und ordnungsgemäße Abhaltung des Gottesdienstes nach alt hergebrachtem Ritus".[3] Die polnische Schul war berühmt für die von Kantor Mayer Schorr geprägte Kantoralmusik, die eine Verbindung zwischen alten ostjüdischen Traditionen und modernerer Gestaltung der Gottesdienste beinhaltete.[4] An die Polnische Schul angeschlossen war eine "Hebräische Schule des Synagogenvereins Beth Israel", die keinen eigenen Verein bildete und dem Vorstand des "Israelitischen Synagogenvereins Beth Israel nach polnisch-jüdischem Ritus in Wien" unterstellt war.[5]
Noch im September 1938 wurden in den Räumen der Polnischen Schul Sprachkurse für Jüdinnen und Juden zur Erleichterung der Berufsumschichtung und Auswanderung abgehalten.[6] Die Löschung des Vereines und Eingliederung in die Israelitische Kultusgemeinde erfolgte durch den Stillhaltekommissar für Vereine, Organisationen und Verbände am 9. März 1939. Unterlagen und Bücher des Vereins wurden während des Novemberpogroms vernichtet.[7]

Baugeschichte der Polnischen Schul

Einreichplan Polnische Schul 2, Leopoldsgasse 29
Wohnhaus 2, Leopoldsgasse 29, Aufnahme 2016

Für den Bau der Polnischen Schul konnte der damals weithin bekannte Architekt und Oberbaurat Wilhelm Stiassny gewonnen werden. Die Pläne für den von links, rechts und gegen die Große Sperlgasse von höhergeschossigen Mietshäusern umgebenen, langgestreckten, schmalen, dreischiffigen, einstöckigen Sakralbau mit Kuppel und Laterne wurden 1892/1893 beim Wiener Magistrat eingereicht und genehmigt. Die Grundsteinlegung fand im März 1893 und die Einweihung im September 1893 statt. Man betrat den Gebetsraum durch einen im Freien gelegenen Vorplatz und eine Vorhalle. Am Ende des Raumes neben dem Thoraschrein befanden sich Zimmer für Rabbiner und Kantor. Im Inneren war die Synagoge reich geschmückt. Die architektonische Ausgestaltung erinnerte an orientalische, maurische Stilformen. Entsprechend dem polnischen, orthodoxen Ritus befand sich die "Bimah", das Vortragspult zum Vorlesen aus den heiligen Schriften, vom Thoraschrein abgesetzt zwischen den Reihen der Männer. Die Synagoge bot Platz für 420 Sitzplätze für Männer und auf der Galerie für 217 Sitzplätze für Frauen.[8] Im Jahr 1926 wurde die Synagoge umgestaltet und eine Bibliothek errichtet.[9]

Novemberpogrom

Bereits im Oktober 1938 kam es zu Ausschreitungen gegenüber Synagogen, Bethäusern und jüdischen Einrichtungen. Am 14. Oktober 1938 wurden die Fenster der Polnischen Schul eingeschlagen und dabei auch Juden misshandelt.[10] Während des Novemberpogroms am 10. November 1938 wurde die Polnische Schul in Brand gesetzt und vollkommen zerstört.[11] Drei Thorarollen konnten durch Verwahrung in Eisenkästen in der Kanzlei des Tempelgebäudes vor dem Feuer gerettet werden. Dies bezeugt ein Brief des ehemaligen Schriftführers des aufgelösten Vereins an den Amtsdirektor der Israelitischen Kultusgemeinde Wien Josef Löwenherz vom 2. März 1939.[12]
Die Ruinen des Tempels befanden sich noch bis Ende des Jahres 1939 auf dem Grundstück. Laut einem Bericht des Stillhaltekommissars für Vereine, Organisationen und Verbände über die Liegenschaft vom 10. Februar 1939 hätten die "Abbrucharbeiten (…) bereits begonnen".[13] Im Dezember 1939 meldete das Baupolizeireferat der Verwaltung des Reichsgaues Wien an das Ministerium für innere und kulturelle Angelegenheiten, dass die Polnische Schul "abgetragen sei".[14]

Erinnerungszeichen:

Zwei Gedenkzeichen erinnern daran:

Eigentumsverhältnisse: Arisierung und Restitution

Bereits kurz nach dem Anschluss am 14. März 1938 wurde ein Geldbetrag des Kontos des Vereines von einer Polizeiformation bei der Postsparkassa "requiriert". Die Entscheidung des Stillhaltekommissars, die Liegenschaft zunächst nicht zu enteignen, ergab sich allein "mit Rücksicht auf die grundbücherliche Belastung", daher wurde vom Stillhaltekommissar "von der Einziehung des Grundstückes Abstand genommen" und das gesamte Vermögen des Vereines inklusive Liegenschaft mit Tempelruinen in die Israelitische Kultusgemeinde eingewiesen. Am 13. Juli 1942 musste die Israelitische Kultusgemeinde die Liegenschaft an die "Hollindia" Handelsgesellschaft Lorenz & Co, Wien 3, Beatrixgasse 16, vertreten durch den Alleininhaber Walter Lorenz, zwangsverkaufen.[15] Die von der Israelitischen Kultusgemeinde dafür zu entrichtende "Entjudungsabgabe" belief sich aufgrund eines Bescheides der Vermögensverkehrsstelle vom 19. November 1942 auf 4.500 Reichsmark. Im Jahr 1951 erfolgte aufgrund eines Vergleiches bei der Rückstellungskommission beim Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien die Rückstellung an die Israelitische Kultusgemeinde Wien und 1952 der Weiterverkauf an eine Privatperson: Leopold Anton Bachinger.[16] Im Jahr 1961 erfolgte die Umwidmung in ein Wohnhaus mit Eigentumswohnungen.[17]

Bedeutende Rabbiner und Kantoren

Als Rabbiner der Polnischen Schul fungierte von 1895 bis 1938 Meir (Meier) Meirson (Mayerson), der von 1899 bis 1930 auch Vorsitzender des Rabbinischen Gerichts (Beth Din) der Israelitischen Kultusgemeinde Wiens war. Kantoren waren ab dem Jahr 1897 Mayer Schorr und Emanuel Fraenkel.[18]

Quellen

Literatur

  • Pierre Genee: Wiener Synagogen 1825-1938. Wien: Löcker 1987, S. 90-94
  • Pierre Genee: Wiener Synagogen. Wien: Löcker 2014, S. 106
  • Klaus Hödl: Als Bettler in die Leopoldstadt. Galizische Juden auf dem Weg nach Wien. Wien / Köln / Weimar: Böhlau 1994
  • Ursula Prokop: Zum Jüdischen Erbe in der Wiener Architektur. Der Beitrag jüdischer ArchitektInnen am Wiener Baugeschehen 1868-1938. Wien / Köln / Weimar: Böhlau 2016, S. 33
  • Bob Martens / Herbert Peter: Die zerstörten Synagogen Wiens. Virtuelle Spaziergänge. Budapest: Mandelbaum Verlag 2009, S. 51-60
  • Elisheva Shirion: Gedenkbuch der Synagogen und Jüdischen Gemeinden Österreichs. Hg. Vom Synagogen Memorial, Jerusalem. Wien: Berger-Horn 2012 (Synagogen Gedenkbücher Deutschland und Deutschsprachige Gebiete, 5 Österreich), S. 49 f.

Einzelnachweise

  1. Klaus Hödl: Als Bettler in die Leopoldstadt. Galizische Juden auf dem Weg nach Wien. Wien / Köln / Weimar: Böhlau 1994, S. 136.
  2. Pierre Genee: Wiener Synagogen 1825-1938. Wien: Löcker 1987, S. 90.
  3. Wiener Stadt- und Landesarchiv, M.Abt. 119, A32: 4870/1925 (Beth Israel Israelitischer Synagogenverein).
  4. Pierre Genee: Wiener Synagogen 1825-1938. Wien: Löcker 1987, S. 92.
  5. Österreichisches Staatsarchiv, Archiv der Republik, Stillhaltekommissar Wien, IV Ac 31: R 4, Schachtel 571.
  6. The Central Archives for the History of the Jewish People Jerusalem (CAHJP), AW, 270, 2.
  7. Österreichisches Staarsarchiv, Archiv der Republik, Stillhaltekommissar Wien, IV Ac 31: A2/42, Schachtel 556.
  8. Pierre Genee: Wiener Synagogen 1825-1938. Wien: Löcker 1987, S. 90-94, und Pierre Genee: Wiener Synagogen. Wien: Löcker 2014, S. 106, und Bob Martens / Herbert Peter: Die zerstörten Synagogen Wiens. Virtuelle Spaziergänge. Budapest: Mandelbaum Verlag 2009, S. 51-60.
  9. Wiener Stadt- und Landesarchiv, M.Abt. 236, A16: 2. Bezirk, EZ 4293.
  10. Yad Vashem The World Holocaust Remembrance Center: 05/118.
  11. Elisheva Shirion: Gedenkbuch der Synagogen und Jüdischen Gemeinden Österreichs. Hg. vom Synagogen Memorial, Jerusalem. Wien: Berger-Horn 2012 (Synagogen Gedenkbücher Deutschland und Deutschsprachige Gebiete, 5: Österreich), S. 58.
  12. The Central Archives for the History of the Jewish People Jerusalem (CAHJP), AW, 1573, 2.
  13. Österreichisches Staatsarchiv, Archiv der Republik, Stillhaltekommissar Wien, IV Ac 31: A2/42, Schachtel 556, und Archiv der IKG nach 1945, Depot Czerningasse, Bestand B 1 AD XXVI, A, d, AD-GV Rückstellungen Synagogengründe, Mappe: Leopoldsgasse 29.
  14. Wiener Stadt- und Landesarchiv, M.Abt. 119, A6: 22874/1939..
  15. Österreichisches Staatsarchiv, Archiv der Republik, Stillhaltekommissar Wien, IV Ac 31: A2/42, Schachtel 556.
  16. Österreichisches Staatsarchiv, Archiv der Republik, Vermögensverkehrsstelle, Lg. 8483, Band 2, Schachtel 532, und Wiener Stadt- und Landesarchiv, M.Abt. 119, A41: 2. Bezirk, 127.
  17. Bob Martens / Herbert Peter: Die zerstörten Synagogen Wiens. Virtuelle Spaziergänge. Budapest: Mandelbaum Verlag 2009, S. 60.
  18. Elisheva Shirion: Gedenkbuch der Synagogen und Jüdischen Gemeinden Österreichs. Hg. vom Synagogen Memorial, Jerusalem. Wien: Berger-Horn 2012 (Synagogen Gedenkbücher Deutschland und Deutschsprachige Gebiete, 5: Österreich), S. 50.