Rassenpolitisches Amt der NSDAP

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Daten zur Organisation
Art der OrganisationArt der Organisation NS-Institution Gauleitung und Gauamt
Datum vonDatum (oder Jahr) von 1938
Datum bisDatum (oder Jahr) bis 1945
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48° 12' 28.83" N, 16° 21' 33.00" E  zur Karte im Wien Kulturgut

Inhalt:
  1. Die Rassenkunde als ideologische Untermauerung
  2. Das ideologische Konstrukt einer "deutschen Rasse"
  3. Die Verhinderung der Vermischung mit "Artfremden" mit Juden
  4. Rechtliche Grundlagen - Die Nürnberger Rassengesetze
  5. Die Nürnberger Rassengesetze in Österreich
  6. Verwaltungsgeschichte des Rassenpolitischen Amtes der NSDAP
  7. Der Archivbestand Rassenpolitisches Amt im Wiener Stadt- und Landesarchiv
  8. Die Tätigkeit des Rassenpolitischen Amtes der NSDAP
  9. Leitendes Personal des Rassenpolitischen Amtes der NSDAP
  10. Literatur
  11. Quellen
  12. Weblinks

Das Rassenpolitische Amt war Teil der Verwaltung der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei im Gau Wien. Sein Sitz war ab Oktober 1940 in 1., Josef-Bürckel-Ring (Dr.-Karl-Renner-Ring) 3, dem Parlamentsgebäude ("Gauhaus").[1] Das Amt war für Propaganda, Bevölkerungspolitik und die Ausgrenzung ganzer Bevölkerungsgruppen wie Juden, Roma und Sinti, Behinderte und vom NS-Regime als sogenannte "Asoziale" eingestufte Personen zuständig und fungierte von 1938 bis 1945.

Die Rassenkunde als ideologische Untermauerung

Zahlreiche Pseudowissenschaftler und Ideologen und beschäftigten sich im 19. Jahrhundert mit dem Thema Rassenlehre und der angeblichen "Ungleichheit der Menschenrassen". Besonders die Werke des französischen Grafen Artur Gobineau, der diesen Begriff prägte, diente den nationalsozialistischen Machthabern als Grundlage für deren Rassenlehre, die von einer Überlegenheit der "arischen Rasse" und von den "Gefahren der Rassenmischung" sprachen.[2] Der Schriftsteller Houston Stewart Chamberlain verbrachte die Jahre 1888 bis 1908 in Wien. Seine Theorien basierten zum Teil auf denen Gobineaus, in dem er als Beobachter eines Völkergemisches in Wien dieses als schädlich für die Bewahrung der "deutschen Kultur" ansah.[3] Ein weiteres ideologisches Charakteristikum war die sogenannte Eugenik, die sich mit der Heranbildung "rassisch hochwertiger Menschen" durch gezielte und gesteuerte Heirats- und Fortpflanzungspolitik beschäftigte. Dazu gehörte auch die Forderung nach Zwangssterilisationen von Menschen, die dem Rassenideal nicht entsprachen. Am Ende des 19. Jahrhunderts gab es bereits eine Vielzahl an Abhandlungen und Literatur zur Rassenkunde.[4] Diese wurde von den Nationalsozialisten aufgegriffen und umgesetzt.

Das ideologische Konstrukt einer "deutschen Rasse"

Es war eine im Nationalsozialismus anerkannte Theorie, dass die sogenannte "deutsche Rasse" aus mehreren Rassen bestand. Der deutsche Anthropologe Egon Freiherr von Eickstedt lieferte mit zahlreichen Publikationen, darunter dem 1934 erschienenen Werk "Die rassischen Grundlagen des deutschen Volkes", die ideologische Untermauerung dazu.[5]Laut dieser Theorie gehörten zur "deutschen Rasse" folgende Rassen:

  • Die "nordische Rasse" im nördlichen und nordwestlichen Europa. Sie hatte eine Sonderstellung und beinhaltete das Idealbild eines blonden, blauäugigen, schlanken und hochgewachsenen Menschen.
  • Die "westische (mediterrane Rasse)" im südlichen Europa und Teilen Nordafrikas. Sie beinhaltete das Bild eines eher kleingewachsenen, schlanken Menschen mit dunklerer Hautfarbe und dunklem Haarwuchs.
  • Die "ostische Rasse" in mitteleuropäischen, alpinen Regionen. Sie zeigte schon das Bild eines eher "minderwertigen" Menschen von Statur und Charakter mit kurzem, runden Schädel und dunklem Haar.
  • Die "fälische Rasse" Nordwesteuropas, vor allem in Westfalen und Hessen beheimatet. Gegenüber der "nordischen Rasse" wurden diese Menschen zwar als größer, aber weniger schlank und "formvollendet" angesehen.
  • Die "ostbaltische (hell-ostische) Rasse" im Nordosten Europas, Russland, Polen, Slowenien, Serbien, Albanien und den Karpatenländern. Diese Menschen wurden als eher sehr minderwertig klassifiziert mit einem "gedrungenen", runden und "plumpen" Körperbau.
  • Die "dinarische Rasse" in Kroatien, Bosnien und der Herzegowina, Teilen Albaniens, Österreichs und Süd- und Mitteldeutschlands. Diese Menschen wurden als sehr hochwertig, schlank und "langbeinig" angesehen.

Die daraus hervorgehende Hierarchie lässt sich folgendermaßen auflisten:
An oberster Stelle stand die "nordische Rasse", gefolgt vom der "fällischen" und "dinarischen Rasse".[6] Der Begriff des "Ariers" war im Laufe der nationalsozialistischen Gesetzgebung dem des "deutschen oder artverwandten Blutes" gewichen, da dieser Begriff besser zu definieren war. Auch der Begriff "fremdrassig" verschwand allmählich zugunsten von "artfremd". So wurden alle jene bezeichnet, die nicht "mit den im deutschen Volke vorkommenden Rassen" verwandt waren, also in der Hauptsache Juden und Roma und Sinti.[7]

Die Verhinderung der Vermischung von "Artfremden" und Juden

Im Programm der NSDAP vom 24. Februar 1920 war hinsichtlich der Verhinderung der Vermischung mit "Fremdblütigen" und Juden bereits alles angekündigt, was sich 15 Jahre später nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten in einer Anzahl von Gesetzen niederschlug.[8] Wie sich herausstellen sollte, waren die Juden in der Hierarchie der Rassen an unterster Stelle gereiht. Phantasien und Theorien zu ihrer Vertreibung und Ausrottung gab es bereits im 19. Jahrhundert, im Nationalsozialistischen Machtbereich kamen sie auf grausamste Weise zur Ausführung.

Rechtliche Grundlagen - Die Nürnberger Rassengesetze

Für die nationalsozialistische Rassenideologie waren die "Nürnberger Rassengesetze" maßgebend. Sie basierten auf einer antisemitischen und deutschvölkischen Weltanschauung und bestanden aus dem Blutschutzgesetz (Gesetz zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre, RGBl. I, S. 1146) und dem Reichsbürgergesetz (RGBl. I, S. 1146). Beide Gesetze wurden gemeinsam mit dem Reichsflaggengesetz (RGBl. I, S. 1145) am 15. September 1935 vom Reichstag in Nürnberg angenommen und im Reichsgesetzblatt, Teil I, Nr. 100 am 16. September 1935 erlassen und am 20. September 1945 vom Alliierten Kontrollrat aufgehoben. (zu den Nürnberger Rassengesetze siehe: Gauamt für Sippenforschung der NSDAP)

Verwaltungsgeschichte des Rassenpolitischen Amtes der NSDAP

Das Amt hieß zunächst "Gauamt für Rassenpolitik", später "Rassenpolitisches Amt" (1944). Die Aufgaben des Rassenpolitischen Amtes bestanden aus sogenannter "Praktischer Bevölkerungspolitik" in Propaganda und Schulung, in der Herausgabe von Verlautbarungen, sowie der Betreuung von Organisationen wie dem "Reichsbund deutscher Familien" [9] und dem "Kampfbund für den Kinderreichtum der Erbtüchtigen". Das Rassenpolitische Amt der Gauleitung gliederte sich in die Hauptstellen: 1. Geschäftsführung, 2. Schulung, 3. Propaganda, 4. Praktische Bevölkerungspolitik, 5. Presse und 6. Frauen- und "Mädelarbeit". Die Kreisleitungen des Rassenpolitischen Amtes verfügten über dieselben Hauptstellen, aber über keine Geschäftsführung. Das Amt betrieb mit Hilfe einer eigenen Filmstelle Propaganda- und Aufklärungspolitik.

Dank des Berliner Rassenpolitischen Amts an das Wiener Amt betreffend die Einrichtung einer "Asozialen Kommission", Oktober 1944

Der Archivbestand Rassenpolitisches Amt im Wiener Stadt- und Landesarchiv

Im Wiener Stadt- und Landesarchiv ist ein umfangreicher Archivbestand Rassenpolitisches Amt archiviert, bestehend aus Akten. Die Akten beinhalten die Tätigkeit des Amtes und den umfangreichen Schriftverkehr mit Ämtern und Parteien. Die Archivserien A1 bis A7 enthalten umfangreiche Korrespondenzen zu Juden und "Mischlingen", sogenannten "Fremdrassigen", "farbigen Mischlingen" und "Zigeunern", Zwangsarbeitern und ebenfalls nach NS-Diktion "Asozialen" im Zeitraum 1939 bis 1945. Allen gemeinsam ist, dass das Rassenpolitische Amt Registraturen angelegt hat, die hauptsächlich nach verschiedenen Aktenzahlen, sei es RpA (=Rassenpolitisches Amt)/Zahl/Jahr, nach vierstelligen Zahlen für Juden und mit einem "M" versehen für "Mischlinge" oder nach sechsstelligen Aktenzahlen geordnet sind und die eine bevölkerungspolitische, erbbiologische und rassisch begründete Diskriminierung nicht "Deutschblütiger" verursacht hat.[10]

Die bevölkerungspolitische Tätigkeit des Rassenpolitischen Amtes

Die Aufgaben des Rassenpolitischen Amtes bestanden aus Stellungnahmen zu Personen, die in [Groß-Wien] wohnten, ihre Zugehörigkeit zur "deutschen Volksgemeinschaft" und die daraus folgenden Maßnahmen betreffend. Es kamen Anfragen aus verschiedenen Parteidienststellen. In vielen Fällen war die Gestapo die anzeigende Stelle, aber diese Eingaben kamen auch von Seiten der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt und Privatpersonen an das Rassenpolitische Amt. Das Rassenpolitische Amt verfasste Antwortschreiben und leitete die Fälle an die zuständigen Behörden weiter.

Folgende Themenbereiche sind anzuführen:

  • Dem Rassenpolitischen Amt wurden tausende Ansuchen verzweifelter Hilferufe von Juden, sogenannten "Mischlingen" oder deren Ehepartnern zugeteilt, die an die Gauleitung Wien, den Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich Josef Bürckel oder an Adolf Hitler selbst gerichtet waren. Diese Menschen und/oder deren Angehörige waren Judenverfolgungen ausgesetzt, sie waren delogiert oder gekündigt, liefen Gefahr, deportiert zu werden oder suchten deportierte Familienmitglieder.[11] Sie wehrten sich gegen ihre Einstufung als Juden durch die Nürnberger Rassengesetze und schilderten ihre Lebensgeschichten als Beweis, dass sie unmöglich Juden sein konnten.[12]
  • Das Rassenpolitische Amt beeinflusste und bestimmte über Eheschließungen eines/einer "Deutschblütigen" mit einem/einer Juden/Jüdin oder einem/einer sogenannten "Fremdvölkischen". Oftmals wurden Eheverbote verhängt oder Druck auf die Paare ausgeübt, sich zu trennen, auch drohte die Gestapo mit staatspolitischen Maßnahmen bei Nichtbefolgen dieser Maßnahmen.
  • Das Rassenpolitische Amt war neben anderen Behörden auch für Adoptiv- und Pflegekinder und deren Platzierung in anderen als der Herkunftsfamilie zuständig. Bei Adoptiv- und Pflegekindern ging es darum, ob das Kind "ein erwünschter Zuwachs für das deutsche Volk ist"[13] oder ob die leiblichen Eltern wegen "Asozialität" nicht weiter für ihre Kinder sorgen durften. Hier arbeitete das Rassenpolitische Amt eng mit der "Gau-Adoptionsstelle in der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt" und den Verwaltungen der Kinderheime der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt zusammen.[14]
  • Das Rassenpolitische Amt hatte die allgemeine Aufsicht, Kontrolle und Überprüfung bis in das Privatleben der Betroffenen im Hinblick auf Lebenswandel, Beziehungen, Erziehung und Arbeit. In diesem Zusammenhang wurden insbesondere ausländische Arbeiter und Arbeiterinnen den vielfältigsten Schikanen ausgesetzt.
  • Das Rassenpolitische Amt hatte Einfluss auf den Ausschluss von Juden aus NS-Parteidienststellen, wenn ihre Einordnung als "Jude" publik wurde, so etwa im Fall der Berta Bocher, geboren am 22. Dezember 1877. Sie gab sich als "Arierin" aus und war Mitglied der Ortsgruppe "Klagbaum" der NSDAP Kreisleitung III. Die Ortsgruppe meldete dies am 9. Jänner 1941 dem Rassenpolitischen Amt mit der Forderung Berta Bocher "aus der Ortsgruppe zu entfernen" und sie der "Judenumsiedlung" zuzuführen. Berta Bocher wurde am 6. Februar 1942 in das Ghetto Riga deportiert und überlebte nicht.[15]
  • Das rassenpolitische Amt war die treibende Kraft für die sogenannte Asozialenkommission, in der nach NS-Ideologie eingestufte "Asoziale" den Behörden gemeldet und ihre Einweisung in geschlossene Anstalten veranlasst wurden.

Leitendes Personal des Rassenpolitischen Amtes

Der Leiter des Rassenpolitischen Amtes unterstand direkt dem Gauleiter. Das Handbuch des Reichsgaues Wien von 1941 weist den 1903 in Wien geborenen Sippenforscher Heinz Wamser als Leiter aus. 1941 wurde Wamser zur Wehrmacht eingezogen und es übernahm der 1906 in Kirchtimke geborene Arzt Hermann Vellguth die Position. Hermann Vellguth leitete von 1933 bis 1936 die Abteilung für Erb- und Rassenpflege in Dresden und wurde 1934 Gauamtsleiter des Rassenpolitischen Amtes in Sachsen. Er stieg in der Karriereleiter immer weiter auf, wurde Medizinalrat für Erb- und Rassenpflege im Reichsministerium des Inneren und wurde schließlich 1940 Leiter des Hauptgesundheitsamtes, Hauptabteilung E für Erb- und Rassenpflege[16]

Quellen

Wiener Stadt- und Landesarchiv, Rassenpolitisches Amt

Weblinks

Literatur

  • Helga Amesberger / Brigitte Halbmayr / Elke Rajal: "Arbeitsscheu und moralisch verkommen". Verfolgung von Frauen als "Asoziale" im Nationalsozialismus. Wien / Berlin: mandelbaum 2019
  • Horst Seidler / Andreas Rett: Das Reichssippenamt entscheidet. Rassenbiologie im Nationalsozialismus. Wien / München: Jugend und Volk 1982

Einzelnachweise

  1. Stiege V, Tür 109 bis 114
  2. Horst Seidler / Andreas Rett: Das Reichssippenamt entscheidet. Rassenbiologie im Nationalsozialismus. Wien / München: Jugend und Volk 1982, S. 44.
  3. Wikipedia: Houston Stewart Chamberlain [Stand: 16. 10.2019].
  4. Wikipedia Rassentheorie [Stand: 16. 10.2019].
  5. Wikipedia: Egon von Eickstedt [Stand: 16.10.2019].
  6. Horst Seidler / Andreas Rett: Das Reichssippenamt entscheidet. Rassenbiologie im Nationalsozialismus. Wien / München: Jugend und Volk 1982, S. 48-58.
  7. Horst Seidler / Andreas Rett: Das Reichssippenamt entscheidet. Rassenbiologie im Nationalsozialismus. Wien / München: Jugend und Volk 1982, S. 109-111.
  8. Horst Seidler / Andreas Rett: Das Reichssippenamt entscheidet. Rassenbiologie im Nationalsozialismus. Wien / München: Jugend und Volk 1982, S. 76-78.
  9. Bis 5. Mai 1940 "Reichsbund der Kinderreichen", Umbenennung auf der Reichstagung in Saalfeld
  10. Wiener Stadt- und Landesarchiv, Rassenpolitisches Amt.
  11. Wiener Stadt- und Landesarchiv, Rassenpolitisches Amt, A7/1.
  12. Wiener Stadt- und Landesarchiv, Rassenpolitisches Amt, A6/1.
  13. Wiener Stadt- und Landesarchiv, Rassenpolitisches Amt A7/1: 2431/109.
  14. Wiener Stadt- und Landesarchiv, Rassenpolitisches Amt, A7/1: 2431/119.
  15. DÖW: Personendatenbanken Shoa-Opfer; und Wiener Stadt- und Landesarchiv, Rassenpolitisches Amt, A7/1: 7336/1941.
  16. Wikipedia: Hermann Vellguth [Stand: 16.10.2019], siehe Geschäftseinteilung des Magistrats der Stadt Wien 1941.