Reichsfilmkammer, Außenstelle Wien
48° 12' 8.47" N, 16° 21' 4.77" E zur Karte im Wien Kulturgut
Die Reichsfilmkammer
Die Reichsfilmkammer war eine Körperschaft öffentlichen Rechts und eine Untergliederung der Reichskulturkammer, die am 22. September 1933 mit dem "Reichskulturkammergesetz"[1] im Deutschen Reich eingerichtet wurde. Die Reichskulturkammer und ihre Untergliederungen waren der Aufsicht des Reichsministers für Volksaufklärung und Propaganda unterstellt. Die Reichsfilmkammer wurde bereits zuvor am 14. Juli 1933 mit dem "Gesetz über die Errichtung einer vorläufigen Filmkammer" geschaffen[2] und in der Folge der Reichskulturkammer untergeordnet. Gemäß § 2 dieses Gesetzes hatte die Filmkammer die Aufgabe „das deutsche Filmgewerbe im Rahmen der Gesamtwirtschaft zu fördern, die Belange der einzelnen Gruppen dieses Gewerbes […] zu vertreten […].“ Ferner hatte gemäß § 3 der Filmkammer anzugehören, "wer gewerbsmäßig oder gemeinnützig als Unternehmer Bildstreifen herstellt, vertreibt oder aufführt oder wer als Filmschaffender bei der Herstellung von Bildstreifen mitwirkt. Die Aufnahme in die Filmkammer kann abgelehnt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aus denen sich ergibt, daß der Antragsteller die für die Ausübung erforderliche Zuverlässigkeit nicht besitzt." Die Reichsfilmkammer entschied also, wer Filme produzieren und wer Kinos betreiben durfte, um diese Filme zu zeigen.
Die Reichsfilmkammer in Österreich
Nach dem sogenannten "Anschluss" Österreichs an das Deutsche Reich erlangten das "Reichskulturkammergesetz" und somit auch die Bestimmungen über die Reichsfilmkammer mit der "Verordnung über die Einführung der Reichskulturgesetzgebung im Lande Österreich" vom 11. Juni 1938 hierzulande Geltung.[3] Die Reichsfilmkammer, Außenstelle Wien war eine Fachorganisation der Reichsfilmkammer. Sie nahm im April 1938 ihre Arbeit auf und war bis kurz vor dem Ende des Zweiten Weltkrieges tätig. Ihren Sitz hatte die Außenstelle, die von Dr. Peter Zimmer geleitet wurde, in Wien 7, Siebensterngasse 42.[4] Zimmers Nachfolger als Leiter der Außenstelle war seit 1940/1941 Dr. Kurt Hammer. Sein Stellvertreter war Dr. Julius Führmann, der seit 1939 in der Außenstelle beschäftigt war. Der Zuständigkeitsbereich der Außenstelle erstreckte sich auf ganz Österreich, außer Tirol und Vorarlberg, auch wenn nur Kinoakten von Wiener Kinobetrieben überliefert sind. Die Außenstelle beschäftigte sich mit Anträgen zur Aufnahme in die Reichsfilmkammer, politischen Beurteilungen und Nachweisen der Abstammung der Kinobetreiber und Filmschaffenden. Auch bei Arisierungsverfahren war die Außenstelle beteiligt. Schließlich kontrollierte die Reichsfilmkammer, welche Filme gezeigt werden durften und die Preisgestaltung.
Kinoakten
Die Kinoakten der Reichsfilmkammer, Außenstelle Wien gelangten nach Ende des Zweiten Weltkrieges in die Obhut des Bundes der Österreichischen Lichtspieltheater in Wien 7, Neubaugasse 1, also unweit des Sitzes der Außenstelle. Zuvor wurde sie im April 1945 vom Kinobedarfshändler Ing. Fritz Strohmaier vor der Vernichtung bewahrt, der die Akten, laut Erhebungen ca. 778 an der Zahl, in seiner Wohnung in der Mariahilfer Straße unterbrachte. Die beiden Leiter der Außenstelle, Dr. Hammer und Dr. Führmann hatten kurz vor dem Einmarsch der Roten Armee in Wien die Verbrennung der Akten angeordnet, was allerdings durch die Mitarbeiter der Außenstelle boykottiert wurde. Strohmaier wurde von Kulturstadtrat Dr. Viktor Matejka aufgefordert, diese Akten dem Ing. Leopold Eichberger, einem Referenten im Kulturamt der Stadt Wien und vormaligen NSDAP-Mitglied, auszufolgen. Dieser wiederum brachte die Akten in die Räumlichkeiten des besagten Bundes der Österreichischen Lichtspieltheater. Allerdings waren Ende 1945 nur mehr ein Drittel der Akten vorhanden. Wann und durch wen die fehlenden Akten, die sich mit Kinobetrieben in ganz Österreich – außer Tirol und Vorarlberg – befassten, verschwanden, ist nicht mehr nachvollziehbar.[5] Jedenfalls existieren heut nur mehr 149 Kinoakten der Reichsfilmkammer, Außenstelle Wien. Nach der Errichtung der Landeskammer Wien im Jahr 1946[6] und in der Folge des Fachverbandes der Lichtspieltheater[7], der die Agenden des Bundes der Österreichischen Lichtspieltheater übernahm, gelangten auch die verbliebenen Kinoakten in die Landeskammer Wien.
Quellen
- Strafsache gegen Leopold Eichberger und andere, WStLA, Landesgericht für Strafsachen, A11 – Vr-Strafakten: 2447/1945.
- Wiener Stadt- und Landesarchiv, Reichsfilmkammer, Außenstelle Wien
- Wiener Stadt- und Landesarchiv, Wirtschaftskammer Wien, Fachverband der Lichtspieltheater
Literatur
- Reichstheaterkammer (Hg.), Deutsches Bühnen-Jahrbuch. Theatergeschichtliches Jahr- und Adressenbuch. 50. Jahrgang, Berlin 1939, 153-154.
- Reichstheaterkammer (Hg.), Deutsches Bühnen-Jahrbuch. Theatergeschichtliches Jahr- und Adressenbuch. 51. Jahrgang, Berlin 1940, 143-144.
- Wolfgang Benz – Hermann Graml – Hermann Weiss (Hg.), Enzyklopädie des Nationalsozialismus, München 1997, 680-681.
- Klaus Vögl, Kino in Wien 1938-45, in: Wiener Geschichtsblätter 51 (1996) 1, 36-57.
- Walter Fritz: Kino in Österreich 1929-45. Der Tonfilm. Wien: Österr. Bundesverl. 1991.
Einzelnachweise
- ↑ Reichskulturkammergesetz, RGBl I 105/1933, 661-662.
- ↑ Gesetz über die Errichtung einer vorläufigen Filmkammer, RGBl I 82/1933, 483-484.
- ↑ Verordnung über die Einführung der Reichskulturgesetzgebung im Lande Österreich, RGBl I 90/1938, 624-625.
- ↑ Reichstheaterkammer (Hg.), Deutsches Bühnen-Jahrbuch. Theatergeschichtliches Jahr- und Adressenbuch. 50. Jahrgang, Berlin 1939, 153-154 und Reichstheaterkammer (Hg.), Deutsches Bühnen-Jahrbuch. Theatergeschichtliches Jahr- und Adressenbuch. 51. Jahrgang, Berlin 1940, 143-144.
- ↑ Strafsache gegen Leopold Eichberger und andere, WStLA, Landesgericht für Strafsachen, A11 – Vr-Strafakten: 2447/1945.
- ↑ Handelskammergesetz, BGBl I 56/1946.
- ↑ Fachgruppenverordnung, BGBl I 47/1947.