Traditionsbuch
Traditionsbücher (auch Sal- oder Schenkungsbuch, codex/liber traditionum, liber testamentorum, liber testificationis) wurden insbesondere von Klöstern, Stiften und Kirchen des südostdeutsch-österreichischen Raums vom 9. bis zum 13. Jahrhundert geführt. Sie beinhalten in kopialer Form (Traditions-)Urkunden über Schenkungen, Verleihungen, Tauschhandlungen und dergleichen. Als im 10. Jahrhundert die Notitia allmählich die Urkunde verdrängte, etablierte sich das Traditionsbuch als Sammlung von Abschriften der Einzelakte. Schließlich fertigte man diese auch nicht mehr einzeln aus, sondern trug sie unmittelbar ins Traditionsbuch ein und ersetzte damit die Urkunde. Im ausgehenden 12. und 13. Jahrhundert traten auch Aufzeichnungen historiografischen oder urbariellen Charakters hinzu. Mit dem Aufkommen der Siegelurkunde seit dem 12. Jahrhundert verloren die Traditionsbücher an Bedeutung und wurden einerseits zu einfachen Kopialbüchern, andererseits zu Urbaren.
Aufbau der Traditionsnotiz
Die einzelnen Einträge, also die jeweilige Traditionsnotiz, beginnt gewöhnlich mit einer einleitenden Veröffentlichungsformel (Publicatio) lautend „notum sit omnibus“ (allen sei bekannt, o. ä.). Darauf folgt die eigentliche Übertragung durch Schenkung (traditio/donatio), meist von Grundstücken, aber auch von Hörigen. Abschließend steht dann eine Liste von Zeugen für das Rechtsgeschäft, die nach altem Rechtsbrauch „per aures (ad)tracti“, an den Ohr(läppch)en gezogen wurden. Die in der Regel undatierten Einträge sind zum Teil protokollarisch direkt nach dem Rechtsakt in das Buch notiert worden.
Zweck und Bedeutung
Grundzweck der Bücher war die Sicherung des Kirchenvermögens, also ein rechtlicher. Zudem erfüllten sie administrative, historiografische und sakrale Aspekte. Für den Wiener Raum sind vor allem die Klosterneuburger - und mit großem Abstand die Göttweiger - Traditionsbücher von Bedeutung, da viele Orte in denselben erstmals Erwähnung finden. Auch lassen sich Siedlungs- und Herrschaftsformen sowie über die Zeugenreihen die einflussreichen Personen der Region festmachen.
Quellen
- Maximilian Fischer [Hg.]: Codex traditionum ecclesiae collegiate Claustroneoburgensis : continens donationes, fundationes commutationesque hanc ecclesiam attinentes ab Anno Domini 1108 usque circiter 1260; adjectis et indice. [Klosterneuburg] (FRA II/4). Wien: Kaiserliche Akademie der Wissenschaften 1851
- Adalbert Franz Fuchs [Hg.]: Die Traditionsbücher des Benediktinerstiftes Göttweig (FRA II/69). Wien und Leipzig: Hölder-Pichler-Tempsky A.-G. Kommissions-Verleger der Akademie der Wissenschaften in Wien 1931
- Besiegelte Traditionsnotiz: Wiener Stadt- und Landesarchiv, Hauptarchiv-Urkunden, U1: 1
Literatur
- Heinrich Fichtenau: Das Urkundenwesen in Österreich vom 8. bis zum 13. Jahrhundert (MIÖG Erg.-Bd. XXIII). Wien-Köln-Graz: Hermann Böhlaus Nachfahren 1971.
- Peter Johanek: Zur rechtlichen Funktion von Traditionsnotiz, Traditionsbuch und früher Siegelurkunde. In: Peter Classen [Hg.] Recht und Schrift im Mittelalter (Vorträge und Forschungen 23). Sigmaringen: 1977, S. 131-163
- Heinrich Koller: Zur Anerkennung bayerischer Traditionsnotizen durch die Kurie. In: Archivalische Zeitschrift 75 (1979), S. 102-116
- Oskar von Mitis: Studien zum älteren österreichischen Urkundenwesen. Wien: 1912.
- Stephan Molitor: Das Traditionsbuch. Zur Forschungsgeschichte einer Quellengattung und zu einem Beispiel aus Südwestdeutschland. In: Archiv für Diplomatik 36 (1990), S. 61-92
- Oswald Redlich: Ueber bairische Traditionsbücher und Traditionen. In: MIÖG 5 (1884) 1-82
- Christoph Paul Sonnlechner: Die Entwicklung einer reformierten Benediktinerabtei in der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts. Studien zu den Göttweiger Traditionsbüchern (Diplomarbeit Universität Wien 1995)
- Heinrich Wanderwitz: Traditionsbücher bayerischer Klöster und Stifte. In: Archiv für Diplomatik 24 (1978), S. 359-380
- Joachim Wild: Besiegelte Traditionsnotizen. In: Archivalische Zeitschrift 80 (1997), S. 484-500