VS Sonnleithnergasse 32
48° 10' 35.69" N, 16° 21' 44.20" E zur Karte im Wien Kulturgut
Volksschule für Knaben, 10., Sonnleithnergasse 32.
Die Volksschule Sonnleithnergasse 32 war eine öffentliche Volksschule für Knaben im 10. Wiener Gemeindebezirk, Favoriten. Im selben Gebäude, allerdings mit einem anderen Eingang und deshalb unter der Adresse Bernhardtstalgasse 19 befand sich eine Volksschule für Mädchen. Beide Volksschulen gingen in der heutigen VS Quellenstraße 142 auf.
Schulgründung
Im Jahr 1902 erwarb die Gemeinde Wien nach einem Gemeinderatsbeschluss vom 2. September 1902 von den Fürstinnen Rosine und Ignatia Wrede zwei Baustellen an der Quellengasse (frühere Bezeichnung für die Quellenstraße) zwischen Sonnleithnergasse und Bernhardtstalgasse im ungefähren Ausmaße von 1.456 Quadratmetern zur Erbauung einer Doppelvolksschule, also einer Volksschule für Knaben und Mädchen in jeweils getrennten Abteilungen.
Das Projekt für Schulbau und -einrichtung wurde erst mit Gemeinderatsbeschluss vom 27. Februar 1903 genehmigt und angeordnet. Der Trakt in der Sonnleithnergasse war für die Knabenvolksschule bestimmt und sollte bereits bis zum Beginn des Schuljahres 1903/1904 fertiggestellt sein. Der Trakt in der Bernhardtstalgasse 19 war für die Mädchenvolksschule bestimmt, sollte jedoch wohl aus Zeit- und/oder Kostengründen erst bis zum Beginn des Schuljahres 1904/1905 benützungsfähig eingerichtet sein.
Der Bau wurde am 23. März 1903 begonnen und Anfang September vollendet. Gegen Mitte September war der Knabentrakt in der Sonnleithnergasse wie vorhergesehen vollständig benützungsfähig eingerichtet und diente zunächst zur Unterbringung der Knaben- und Mädchenvolksschule. Am 27. Oktober 1903 wurde der Trakt feierlich eingeweiht. Der bereits im September 1903 baulich vollendete Mädchentrakt des Schulgebäudes wurde dann im Jahr 1904 eingerichtet, zu Beginn des Schuljahres 1904/1905 in Benützung genommen und am 14. Oktober 1904 eingeweiht.
Die beiden Volksschulen hatten jeweils eine eigene Leitung. Im Schuljahr 1905/1906 stand die Volksschule für Knaben unter der Leitung von Oberlehrer Alois Neumann und beherbergte eine Gesamtzahl von 834 Schülern, die auf 14 Klassen aufgeteilt waren. Davon war ein Schüler altkatholisch, 26 Schüler gehörten der evangelischen Konfession an, neun Schüler waren [Juden|jüdisch]] und der Rest war römisch-katholisch. Alle Lehrkräfte waren römisch-katholisch.
Schulausstattung
Das Schulgebäude bestand aus drei dreistöckigen, mit Falzziegeln gedeckten Gassentrakten, vor welchen sich kleine, abgeschlossene Vorgärten befanden. Das Gebäude enthielt für jede der beiden Volksschulen 14 Lehrzimmer, einen Turnsaal samt Ankleideraum, eine Kanzlei, ein Konferenzzimmer, drei Lehrmittelzimmer, eine Schuldienerwohnung und eine Waschküche. Der Knabenturnsaal wurde vor dem Ersten Weltkrieg vom städtischen Knabenhort sowie in den Wintermonaten vom Wiener Volksküchenverein für die Ausspeisung armer Schulkinder verwendet. Der geräumige gemeinsame Hof wurde als Sommerturn- und Spielplatz benützt. Die Zwischendecken der Innenräume waren als Tramböden zwischen Traversen ausgeführt, während jene der Gänge, Stiegen und Aborträume als Flachziegelgewölbe konstruiert waren. Dreiarmige 1,7 Meter breite Pfeilerstiegen mit eisernen Geländern und Stufen aus Granit vermittelten die Verbindung der 4,4 Meter hohen Geschoße. Die beiden Portale und der Gebäudesockel wurden aus Kunststein ausgeführt.
Ständestaat
In der Zwischenkriegszeit fungierte die Knabenvolksschule als Religionssammelstelle für evangelische und altkatholische Kinder. Die ohnehin schon geringe Zahl an jüdischen Schülern sank in den 1930er Jahren rapide. Im Standesausweis des Schuljahres 1937/1938 werden nur noch zwei jüdische Schüler aufgeführt.
Es ist sehr stark anzunehmen, dass – parallel zur Ausschulung der jüdischen Schülerinnen aus der Mädchenabteilung Bernhardtstalgasse 19 am 14. Mai 1938 – ebenfalls die Ausschulung der wenigen jüdischen Schüler aus der Knabenabteilung Sonnleithnergasse 32 in die Volksschule Eslarngasse 23 im 3. Bezirk stattfand, da im Standesausweis des Schuljahres 1938/1939 keine jüdischen Schüler mehr auftauchen.
Zweiter Weltkrieg
Die Kriegsereignisse des Zweiten Weltkriegs hatten für die Knabenvolksschule in der Sonnleithnergasse vor allem eine sehr beschränkte Nutzung ihrer eigenen Räumlichkeiten zur Folge. Die immer wiederkehrende Einquartierung der (Feuer-)Schutzpolizei, vor allem im Knabentrakt der Sonnleithnergasse 32, führte immer wieder zu Wechselunterricht, so zum Beispiel bereits im November 1939. Auch der Sicherheits- und Hilfsdienst (SHD), der dem Zweck des Luftschutzes diente und für den Einsatz nach Luftangriffen aufgebaut wurde, belegte am 5. April 1941 die Knabenschule der Sonnleithnergasse 32 vollständig sowie das dritte Stockwerk der Mädchenvolksschule der Bernhardtstalgasse 19. Die Knaben und Mädchen der beiden Volksschulen erhielten wiederum Wechselunterricht in den verbleibenden Stockwerken des Mädchentraktes. Am 29. April 1941 wurden beide Schulen von der Polizei geräumt, aber noch nicht freigegeben. Dies passierte erst am 15. Mai 1941, normaler Unterricht war kurzzeitig möglich. Zehn Tage später, am 24. Mai wurde die Knabenschule wiederum von der Polizei belegt, es wurde wieder Wechselunterricht im Mädchentrakt erteilt, der bis 1944/1945 andauerte.
Als Turnsaal wurde jener der Mädchenvolksschule Bernhardtstalgasse 19 zurückgegriffen, den ebenfalls zahlreiche andere Schulen mitbenützten, wie etwa die Mädchenvolksschule Knöllgasse 61 und das Pädagogische Institut.
Im Juli und Oktober 1943 kam es dann zur fast vollständig das Schulgebäude einnehmenden Einquartierung der Feuerschutzpolizei, weshalb die Schule am 8. und 9. September 1943 samt einem Teil der Schulmöbel in die Räume der Doppelvolksschule Herzgasse 27 übersiedelte, wo ab 11. Oktober 1943 regelmäßiger Unterricht im Rahmen des Wechselunterrichtes mit der dort untergebrachten Knabenvolksschule Rotenhofgasse 35-37 erteilt wurde.
Die Kriegsschäden der Luftangriffe, die zwischen April 1944 und März 1945 in Wien stattfanden, trafen auch das Schulgebäude in der Bernhardtstalgasse/Sonnleithnergasse. Durch die Bombenangriffe kam es beispielsweise aufgrund des beschädigten Daches und des dadurch eintretenden Wassers noch in der Nachkriegszeit zu Wechselunterricht.
Von den Umsiedlungen, Auflösungen, Zusammenlegungen und Namensänderungen zwischen der Mädchenvolksschule Bernhardtstalgasse 19 und der Doppelvolksschule Herzgasse 27 war die Knabenvolksschule Sonnleithnergasse 32 weitestgehend ausgeschlossen. Lediglich bei der zweiten Auflösung der Mädchenvolksschule Bernhardtstalgasse 19 im September 1952 wurden 86 Knaben in die Sonnleithnergasse 32 umgeschult.
Zweite Hälfte 20. Jahrhundert
Während die Knabenvolksschule Sonnleithnergasse 32 noch in den 1950er Jahren im Handbuch der Stadt Wien geführt wird, ist sie im Jahr 1960 nicht mehr auffindbar. Es ist stark anzunehmen, dass die Knabenvolksschule Sonnleithnergasse 32 in die Volksschule Bernhardtstalgasse 19 integriert wurde. Seit dem Jahr 1970 ist im Handbuch der Stadt Wien eine Sonderschule in der Sonnleithnergasse 32 gelistet, wo sich heute ebenfalls ein Sonderpädagogisches Zentrum befindet.
Quellen
- Wiener Stadt- und Landesarchiv, Schule: Bernhardtstalgasse 19 (10/1), B51 – Schulchronik: Bd. 1, 1938-1944
- Wiener Stadt- und Landesarchiv, Stadtschulrat, A9/1 – Standesausweise: Öffentliche Schulen 1916-1945
- Wiener Stadt- und Landesarchiv, Stadtschulrat, B4 – Standesausweise 1876-1915
- Wiener Stadt- und Landesarchiv, Kartographische Sammlung, Pläne der Plan- und Schriftenkammer, P10/2.120422
- Georeferenzierter Kriegsschädenplan von 1946 in Wien Kulturgut
- Handbuch der Stadt Wien. 67. amtlich redigierter Jahrgang. Wien: Verlag für Jugend und Volk [1955]
- Handbuch der Stadt Wien. 84. amtlich redigierter Jahrgang. Wien/München: Verlag für Jugend und Volk 1970
- Verwaltungsbericht der k. k. Reichshaupt- und Residenzstadt Wien im Jahre 1902. Bericht des Bürgermeisters Dr. Karl Lueger. Wien: Gerlach & Wiedling, Buch und Kunstverlag 1904
- Verwaltungsbericht der k. k. Reichshaupt- und Residenzstadt Wien im Jahre 1903. Bericht des Bürgermeisters Dr. Karl Lueger. Wien: Gerlach & Wiedling, Buch und Kunstverlag 1905
- Verwaltungsbericht der k. k. Reichshaupt- und Residenzstadt Wien im Jahre 1904. Bericht des Bürgermeisters Dr. Karl Lueger. Wien: Gerlach & Wiedling, Buch und Kunstverlag 1906