Zwangsarbeiterlager Handelskai 286
48° 12' 52.68" N, 16° 25' 10.60" E zur Karte im Wien Kulturgut
Zwischen 1942 und 1945 befanden sich zahlreiche Lager auf Wiener Boden. Einerseits waren dies Lager für Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter, andererseits Sammellager für zur Deportation vorgesehene Jüdinnen und Juden. Darüber hinaus wurden mit Ende des Zweiten Weltkriegs auch Flüchtlingslager eingerichtet.
Eine Liste des Wilhelminenspitals[1] verzeichnet die dort behandelten Ausländerinnen und Ausländer. Die Liste enthält Aufnahmezahl, Vor- und Zuname, Geburtsdatum, Geburtsort (Land), Eintritt, Austritt, "Bestimmungsort" mit Firma und Wohnadresse (mit den zeitgenössischen Straßennamen).[2] In die Bearbeitung aufgenommen wurden nur jene Adressen, bei denen "Lager" angegeben war, beziehungsweise nur jene Firmenlager, die als solche bezeichnet wurden.
In 2., Handelskai 286 befand sich laut dieser Liste ein Lager für russische Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter der nationalsozialistischen Zeit.
Am 21. März 1944 richtete die Erste Donau-Dampfschiffahrts-Gesellschaft einen Antrag zur Barackenaufstellung an die Gemeindeverwaltung des Reichsgaues Wien, Hauptabteilung, Bauwesen, G/4, Baupolizei. Dabei sollten eine neu aufgestelle Baracke genehmigt und die "bereits aufgestellten Baracken auf dem im beiliegenden Situationsplan bezeichneten Grundflächen" nachträglich genehmigt werden.[3] Der Donau-Dampfschiffahrts-Gesellschaft wurden auf mehreren vom Kühlhaus der Stadt Wien gepachteten Grundflächen
"Wohnbaracken zur Unterbringung von ausländischen Arbeitern bewilligt.
Wie aus beiliegendem Situationsplan zu ersehen ist, haben wir bisher 5 Wohnbaracken, 1 Abort- und 1 Waschbaracke zur Aufstellung gebracht. (Siehe Situationsplan I, II, III, IV, V, VI und VII) [...]
Hiebei sei bemerkt, dass die Baracke III uns von dem Rüstungsausbau zugeteilt wurde, hingegen die Wohnbaracken VI und VII wir seinerzeit von unserem Barackenlager II., Handelskai 135, wegen der damaligen Verminderung der Belegschaft, abgetragen und im Barackenlager / II., Handelskai 286 aufgestellt haben."
Die Donau-Dampfschiffahrts-Gesellschaft suchte in der Folge darum an,
"an Stelle des derzeit in einer Wohnbaracke untergebrachten Krankenzimmers ein den dortigen Verhältnissen entsprechendes Krankenzimmer, sowie Isolierraum und Tagesraum zu schaffen.
Durch die schlechte Verköstigung des Vereines für Volksernährung, wodurch 10% der Ostarbeiter auf Grund eines ärztlichen Gutachtens an Furunkulose erkrankten, sind wir ebenfalls gezwungen, in der Form Abhilfe zu schaffen, dass wir in diesem Lager eine eigene Küche errichten."
Grund für die eingereichten Maßnahmen, die am 19. August 1944 bewillgt wurden, war ein Bescheid des Gewerbeaufsichtsamtes Wien, Abt. 7 vom 27. Jänner 1944 gewesen, dass im Gemeinschaftslager II., Handelskai 286, durch einen staatlichen Gewerbearzt große Mängel festgestellt worden waren. So war in mehreren Wohnstuben "Überbelag vorhanden. Der Luftraum für jede Arbeitskraft darf im Schlafraum 7 cbm nicht unterschreiten." Zudem waren die "meisten Stuben [...] unsauber gehalten" und die Leitung sollte "für eine einheitliche tägliche Reinigung der Räume" sorgen und diese einmal wöchentlich "desinfizierend [...] scheuern". Auch die "Abortanlage ist nicht ausreichend und eine weitere Anlage zu errichten. Für je 20 Mann muss mindestens ein Abort vorhanden sein." Daneben wurde noch auf die mangelhaft eingerichteten Krankenzimmer, die fehlende Absonderungsmöglichkeit "infektiös Erkrankter" und die unzureichende Beschaffenheit der Haupt- und Verbindungswege im Lager hingewiesen.
Ein weiteres Lager der Donau-Dampfschiffahrts-Gesellschaft bestand am Handelskai 135.
Siehe auch: Zwangsarbeit, Zwangsarbeiterlager, Lager in Wien
Quellen
- Wiener Stadt- und Landesarchiv, M.Abt.209 - Wilhelminenspital, A1 – Direktionsakten: Mappe 47: "Suchaktion Ausländer"
- Wiener Stadt- und Landesarchiv, M.Abt. 236, A24 - Baracken: Erste Donau-Dampfschiffahrts-Gesellschaft
- Wiener Stadt- und Landesarchiv, Bundespolizeidirektion Wien: Historische Meldeunterlagen
- Brigitte Rigele: Bearbeitung der Liste des Wilhelminenspitals (1999)
Literatur
- Stefan August Lütgenau: Zwangsarbeit im "Reichsgau" Wien 1938-1945. In: Studien zur Wiener Geschichte. Jahrbuch des Vereins für Geschichte der Stadt Wien 59 (2003), S. 167-186
- Stefan August Lütgenau / Maria Mesner / Alexander Schröck: Der Einsatz von Zwangsarbeit während der NS-Zeit bei der Stadt Wien. Studie verfasst im Auftrag des Magistrats der Stadt Wien, Magistratsabteilung 8, Wiener Stadt- und Landesarchiv. Wien 2000
- Stefan August Lütgenau / Maria Mesner / Alexander Schröck: Die Wiener städtischen Unternehmungen in der Zeit des Nationalsozialismus: Exposé zu einer historischen Studie über den Einsatz von Fremd- und ZwangsarbeiterInnen. Wien 2000
Einzelnachweise
- ↑ Wiener Stadt- und Landesarchiv, M.Abt.209 - Wilhelminenspital, A1 – Direktionsakten: Mappe 47: "Suchaktion Ausländer".
- ↑ Irrtümer bei den Bezirken und Hausnummern sind nicht ausgeschlossen.
- ↑ Siehe Wiener Stadt- und Landesarchiv, M.Abt. 236, A24 - Baracken: Erste Donau-Dampfschiffahrts-Gesellschaft.