Österreichische Versicherungs AG
Die Österreichische Versicherungs AG ist eine ehemalige Versicherungsgesellschaft, die als Auffanggesellschaft nach der „Phönix-Liquidiation“ 1936 durch ein Gesetz gegründet und 1959 mit der Austria Versicherung und der Bundesländer-Versicherung fusioniert und aufgelöst wurde.
Gründung der Gesellschaft
1936 erfolgte die Liquidierung der größten österreichischen Versicherungsgesellschaft, der „Phönix-Leben“, die in Österreich einen Marktanteil von 23 % und fast 400.000 Lebensversicherungsverträge, im überwiegenden Maß im Ausland, besaß. Das Defizit, das sich aus ihrer letzten Bilanz im Jahr 1936 ergab, betrug nach verschiedenen Quellen zwischen 250 und 480 Millionen Schilling, auf den heutigen Währungswert umgerechnet eine bis eineinhalb Milliarden Euro. Das Vertrauen in die Lebensversicherungen wäre völlig zerstört worden, wenn nicht durch staatliche Eingriffe der größte Schaden beseitigt worden wäre. Dass die Lebensversicherung nach 1945 bald wieder so großes Ansehen bekam, ist „zu einem beträchtlichen Teil den Maßnahmen, die die Regierung nach 1936 traf, zu verdanken“.[1] Die wichtigste Maßnahme war die Gründung der Österreichischen Versicherungs AG (ÖVAG) als Auffanggesellschaft durch die Kontrollbank. Sie hatte ein Aktienkapital von 5 Millionen Schilling. Aktionäre waren die Wiener Städtische mit 37 %, die Generali Versicherung mit 15 %, die Creditanstalt-Bankverein und das Österreichische Credit-Institut mit je 11 %, die Bundesländer-Versicherung mit 6 % und mit kleineren Anteilen fast alle anderen österreichischen Versicherungen. Neben dem Aktienkapital finanzierte sich die ÖVAG durch die Ausgabe von Anleihen, so dass ihr 14 Millionen Schilling zur Sanierung des Lebensversicherungsgeschäftes zur Verfügung stand.[2] Die ÖVAG übernahm den gesamten inländischen Bestand an Lebensversicherungen der Phönix und anderer Gesellschaften, unter anderem der „Janus“. Es gelang ihr in kurzer Zeit, die rund 200.000 inländischen Lebensversicherungsverträge dieser Gesellschaften umzustellen und neu zu berechnen, wobei es zu gesetzlich geregelten Leistungskürzungen bzw. Laufzeitverlängerungen kam. Verträge mit ausländischen Versicherungsnehmern wurden ausländischen Auffanggesellschaften übergeben.
Entwicklung nach 1938
1938 wurde die ÖVAG von den Nationalsozialisten an den „Deutschen Ring“, einem Wirtschaftsunternehmen der „Deutschen Arbeitsfront“ verkauft, der an die Stelle der deutschen Gewerkschaften getreten war. Sie hieß bis 1945 „Deutscher Ring Österreichische Versicherung Aktiengesellschaft der deutschen Arbeitsfront“. Präsident der Versicherung wurde Josef Mayrhofer, der ein „Pflegebruder“ Adolf Hitlers war. Er leitete das Unternehmen ohne einschlägige Fachkenntnis, aber mit viel gesundem Menschenverstand und ihm verdankt die Versicherungswirtschaft den auch heute noch als „Verwaltungskostenbeitrag (VKB)“ bezeichneten Prämienanteil. Es wurde ein neuer von den deutschen Versicherungen gespeister Fonds mit Sitz in Berlin gegründet, der alle notleidenden österreichischen Lebensversicherungen übernahm. So blieben deren Ansprüche in den ersten Kriegsjahren weitgehend erhalten, u.a. weil es unter großem propagandistischem Aufwand bis 1942 zu einer massiven Steigerung der Prämieneinnahmen und dadurch zu Kapitalzuflüssen kam. Das Kapital wurde jedoch für die Kriegsfinanzierung verwendet und nach 1942 vernichtet. [3] Die ÖVAG hatte mit 59 % den höchsten Anteil an Lebensversicherungen von Juden, die von diesen zu ungünstigen Bedingungen zurückgekauft werden konnten. 1941 wurden jüdische Versicherungen als erloschen erklärt.[4]
1945 fiel das Vermögen der Deutschen Arbeitsfront und damit auch die ÖVAG als „Deutsches Eigentum“ an die Republik Österreich. Was nicht kriegsbedingt durch Reichsanleihen vernichtet worden war, ging durch die währungspolitischen Maßnahmen der Jahre 1945 bis 1947 verloren. Der Anteil der deutschen Reichsanleihen an den Gesamtreserven der ÖVAG betrug 92 % und war wesentlich höher als bei anderen Versicherungsgesellschaften.[5]Die ÖVAG konnte nur durch Zuschüsse der Republik überleben.
Überführung der ÖVAG in die Austria-Versicherung
Das Neugeschäft lief nur langsam an und die ÖVAG bestand in der Nachkriegszeit im Wesentlichen nur aus einer fast wertlosen Hülle. Sie konnte erst nach dem Staatsvertrag durch die nun mögliche Auflösung des Deutschen Eigentums und durch eine Privatisierung saniert werden. 20 % der Aktien erwar die Bundesländer Versicherung und 80 % der Austria Versicherungsverein, der damit auch Lebens- und Sachversicherungen anbieten konnte. Der Name der ÖVAG blieb als Bestandteil unter „Austria Österreichische Versicherungs AG“ bis 1997 erhalten.[6] In weiterer Folge wurde die ÖVAG aufgelöst.
Sitz der Gesellschaft
Sitz der ÖVAG war ab 1939 das Gebäude in 9, Otto-Wagner-Platz 5, das später der Sitz der Wiener Allianz wurde.
Quellen
Literatur
- Hans Thür: Die „Österreichische Versicherungs-AG“ und „Deutscher Ring“. In: Versicherungsgeschichte Österreichs: Das Zeitalter des modernen Versicherungswesens. Band III, Wien: A. Holzhausens Nfg. 1988, S. 703-741
- Wolfgang Rohrbach: Gesundheitswesen und Privatversicherung in Österreich unter besonderer Berücksichtigung des Austria Versicherungsvereins. In: Versicherungsgeschichte Österreichs: Das Zeitalter des modernen Versicherungswesens. Band III, Wien: A. Holzhausens Nfg. 1988, S. 867-974.
- Wolfgang Rohrbach: Von der ÖVAG zur Austria-ÖVAG (1945-1959). In: Versicherungsgeschichte Österreichs: Das Zeitalter des modernen Versicherungswesens. Band III, Wien: A. Holzhausens Nfg. 1988, S. 743-756
- Der Volkswirt vom 20.November 1937, S.21-22
- Dieter Stiefel: Die österreichischen Lebensversicherungen und die NS-Zeit. Wien-Köln-Weimar: Böhlau Verlag 2001
Einzelnachweise:
- ↑ Hans Thür: Die „Österreichische Versicherungs-AG“ und „Deutscher Ring“. In: Versicherungsgeschichte Österreichs: Das Zeitalter des modernen Versicherungswesens. Band III, Wien: A. Holzhausens Nfg. 1988, S. 707.
- ↑ Dieter Stiefel: Die österreichischen Lebensversicherungen und die NS-Zeit. Wien-Köln-Weimar: Böhlau 2001, S. 32 f.
- ↑ Hans Thür: Die „Österreichische Versicherungs-AG“ und „Deutscher Ring“. In: Versicherungsgeschichte Österreichs: Das Zeitalter des modernen Versicherungswesens. Band III, Wien: A. Holzhausens Nfg. 1988, S. 723-730.
- ↑ Dieter Stiefel: Die österreichischen Lebensversicherungen und die NS-Zeit. Wien-Köln-Weimar: Böhlau 2001, S. 122-149.
- ↑ Dieter Stiefel: Die österreichischen Lebensversicherungen und die NS-Zeit. Wien-Köln-Weimar: Böhlau 2001, S. 155.
- ↑ Wolfgang Rohrbach: Gesundheitswesen und Privatversicherung in Österreich unter besonderer Berücksichtigung des Austria Versicherungsvereins. In: Versicherungsgeschichte Österreichs: Das Zeitalter des modernen Versicherungswesens. Band III, Wien: A. Holzhausens Nfg. 1988, S. 935.