Fürsorge

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Fürsorgeamt am Elterleinplatz (1947)
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BildnameName des Bildes Fürsorgeamt.jpg
BildunterschriftInformation, die unterhalb des Bildes angezeigt werden soll Fürsorgeamt am Elterleinplatz (1947)

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Fürsorge. Aus der ursprünglich rein privaten kollektivistischen Hilfeleistung für Arme entwickelte sich im Laufe der Jahrhunderte der Gedanke einer behördlichen Verpflichtung zur Fürsorgeleistung. Im Mittelalter oblag die Armenfürsorge fast ausschließlich kirchlichen Stellen, die durch Spenden aus der Bevölkerung unterstützt wurden; die Bürgergemeinde leistete ebenfalls ihren Beitrag (Bürgerspital). Der Gedanke einer Ablöse des religiös-karitativen Wirkens durch eine staatliche Fürsorge setzte sich Ende des 18. Jahrhunderts durch.

Die Organisation des Fürsorgewesens (bei gleichzeitig beginnender Trennung der Hilfeleistung für Arme und Kranke) geht im Wesentlichen auf Einrichtungen zurück, die Joseph II. 1783 geschaffen hatte, die jedoch eng mit der Tätigkeit kirchlicher Stellen (die sich bereits ab dem Mittelalter der Fürsorge gewidmet hatten) zusammenhing. Dies galt in besonderem Maße für die Armenfürsorge. Bis 1816 hatte die Wohltätigkeitshofkommission die Leitung des Armenwesens inne, nach ihrer Auflösung gingen ihre Aufgaben an die Stadthauptmannschaft über. 1817 wurde die Fürsorge zwar hinsichtlich der Kosten zur Gemeindesache erklärt, doch behielt sich die Landesregierung die Verwaltung vor. 1836 wurde die Mitwirkung der Regierung auf Oberaufsicht und Kontrolle beschränkt; über die Verwaltung sollte eine Lokalkommission entscheiden. Allmählich setzte sich der Gedanke durch, dass die Fürsorge eine soziale Verpflichtung der Gemeinde sei und diese auch die Armengesetze erlassen sollte. Dennoch wehrte sich die Stadtverwaltung bis in die 1830er Jahre, die Fürsorge gänzlich zu übernehmen.

Erst Bürgermeister Czapka drängte auf eine Übergabe des Armenwesens in die städtische Verwaltung, die mit 1. Juni 1842 vollzogen wurde; zum selben Zeitpunkt wurde dem Magistrat die Leitung der sieben Versorgungshäuser in und außerhalb Wiens übergeben, wogegen die sechs Armenfonds zu einem allgemeinen Versorgungsfonds vereint werden sollten, deren Verwaltung dann ebenfalls der Stadt übertragen wurde. Von diesem Zeitpunkt an begannen die Aufgaben des Wiener Magistrats im eigenen Wirkungsbereich (1842 Einrichtung eines Armendepartements). Im Lauf der Zeit erwies sich, dass die Pflichten, die man den Gemeinden aufbürdete, größer waren, als sie im Gesamten bezeichnet worden waren; die liberale Verwaltung suchte deshalb die Fürsorge auf ein Minimum zu beschränken (für das Armenwesen wurden 1861 6,3, 1871 7,2 und 1881 6,2% des Gemeindebudgets zur Verfügung gestellt, wobei der größte Teil der Beträge zur Deckung des Abgangs beim allgemeinen Versorgungsfonds Verwendung fand). Das am 3. Dezember 1863 erlassene Heimatrechtsgesetz (Reichsgesetzblatt 105/1863) legte schließlich fest, dass die Gemeinden in der Armenfürsorge tätig zu werden hätten, ebenso auch, welche Kategorien von Personen der Hilfeleistung teilhaftig werden sollten.

Eine weitgehende Trennung zwischen Armen und Krankenfürsorge wurde durch das Sanitätsgesetz 1870 angestrebt. Mit Gesetz vom 28. November 1873 wurden die ab 1783 bestehenden Pfarrarmeninstitute (die Armenväter wirkten unter Leitung des Pfarrers) aufgelöst und durch von der Gemeinde geschaffene Bezirksarmeninstitute (Konstituierung 8. Februar 1874) ersetzt, die für die nächsten Jahrzehnte die Grundlage der Armenfürsorge bildeten. Daneben blieben private Wohltätigkeitsinstitutionen tätig. Mit Gemeinderatsbeschluss vom 24. Dezember 1873 traten an die Stelle der Pfarrarmenbezirke Gemeindearmeninstitute. Gingen die Liberalen ausschließlich vom Prinzip der Selbstverantwortlichkeit des einzelnen aus, so betonte die christlichsoziale Verwaltung erstmalig ein Interesse der Gesellschaft am Schicksal des Einzelnen und erkannte einen gewissen Anspruch auf Hilfe an; sie ging damit konzeptionell einen wesentlichen Schritt weiter, und in gewissen Grenzen kam es zu einer "socialen Ausgestaltung" der städtischen Armenfürsorge (beispielsweise Versorgungsheim Lainz, Kinderheilanstalten, städtischer Dienst und Arbeitsvermittlungsamt). Obwohl seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts der Aufgabenbereich der Gemeinde immer mehr erweitert wurde (so etwa 1910 durch die Schaffung der Berufsvormundschaft, im Ersten Weltkrieg durch das Ziehkinderaufsichtsgesetz, 1917 durch die Schaffung des Jugendamtes und 1920 durch das Krankenanstaltengesetz), konnte jedoch ab etwa 1860 bis 1938 unabhängig von der jeweiligen politischen Zusammensetzung der Gemeindeverwaltung nicht auf das Wirken privater Vereinigungen verzichtet werden.

In der sozialdemokratischen Ära (1919-1934 beziehungsweise nach 1945) wurden in den 1920er Jahren durch Stadtrat Julius Tandler die Grundsätze der Verpflichtung zur Hilfeleistung seitens der Gemeinschaft und des Rechts auf Hilfeleistung seitens der Betroffenen gesetzlich verankert. Voraussetzung für die durchgreifende Reform des Fürsorgewesens (das nun die Armenfürsorge ablöste) war eine weitgehende Änderung der geistigen, materiellen und organisatorischen Grundlagen. Dass die Sozialdemokraten (neben dem Wohnbau) vor allem das Fürsorge- und Gesundheitswesen in den Mittelpunkt ihrer Aktivitäten stellten, war in der Ersten Republik das Verdienst Tandlers, der damit Punkte des aus der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg stammenden, sozialdemokratischen Kommunalprogramms vollzog; eine Verbesserung der Fürsorgeleistungen wurde auch deshalb zur unabdingbaren Forderung der Zeit, weil neben anderen Faktoren die Inflation der beginnenden 1920er Jahre und die starke Zuwanderung aus den auf dem Boden der österreichisch-ungarischen Monarchie selbständig gewordenen Nationalstaaten das Fürsorgebedürfnis stark gehoben hatten. Die von Tandler durchgeführte grundlegende Reform des Fürsorgewesens ("Wiener System") stützte sich auf die am 30. Juni 1921 vom Gemeinderat beschlossenen Leitsätze für die Organisation und Wirkungsweise der Fürsorgezweige; dabei kam es neben inhaltlichen auch zu organisatorischen Reformen. Tandler legte unter anderem folgende Grundsätze fest: Individualfürsorge kann rationell nur in Verbindung mit Familienfürsorge geleistet werden; aufbauende Wohlfahrtspflege ist vorbeugende Fürsorge; der Jugendfürsorge ist eine Vorrangstellung einzuräumen; die Organisation der Wohlfahrtspflege muss in sich geschlossen sein. Diesen Forderungen trug das neugeschaffene Wohlfahrtsamt Rechnung. Man unterscheidet zwischen Erwachsenenfürsorge (offen und geschlossen), Kinder- und Jugendfürsorge (offen und geschlossen) sowie sonstigen Maßnahmen der sozialen Fürsorge. Die Gesamtausgaben stiegen in der Ersten Republik von 54,5 Millionen Schilling (1924) auf 122,5 Millionen Schilling (1931), um dann infolge der angespannten Budgetsituation auf 106,7 Millionen Schilling (1933) abzusinken. Die bereits im Zeichen der Weltwirtschaftskrise, aber auch wegen der einschneidenden Kürzung der Ertragsanteile von der sozialdemokratischen Gemeindeverwaltung begonnene Sozialsparpolitik setzte sich erst recht in den Jahren des autoritären Ständestaates (1934-1938) fort.

In den wesentlichen Punkten blieb eine Kontinuität im Fürsorgeapparat und in den organisatorischen Strukturen erhalten; Änderungen entsprangen einerseits den akuten Finanznöten (Einsparungen bei den innovativen Jugend- beziehungsweise Gesundheitsfürsorgeaktivitäten), andererseits bei ideologisch motivierten Begradigungen (beispielsweise Auflassung des Tandlerschen Reform-Kinderheims Wilhelminenberg) und einer verstärkten "Konfessionalisierung" der kommunalen Fürsorge. Während der Zeit des nationalsozialistischen Regimes (ab 1938) kam es im Zusammenhang mit der allgemeinen "Rechtsangleichung" allmählich zur Einführung des "reichsdeutschen" Fürsorgerechts. Den neuen Machthabern ging es im Bereich der Fürsorgepolitik insbesondere um die Schaffung leistungsfähiger Bezirksfürsorge-Verbände sowie hinsichtlich der Fürsorge um die Beseitigung des klassischen Heimatrechtsprinzips zugunsten des Aufenthaltsprinzips. Der nationalsozialistischen Fürsorge war daran gelegen, die bisher beträchtlichen finanziellen Aufwendungen (insbesondere für "unheilbare, minderwertige und asoziale" Personen) zu verringern; ab 1939 hatten Jüdinnen und Juden endgültig keine Chance auf Fürsorgeunterstützung mehr. Neben der kommunalen Fürsorge spielte die NSDAP-Organisation "Nationalsozialistische Volkswohlfahrt (NSV)" eine gewichtige Rolle. Basis aller nationalsozialistischen Fürsorge waren erbbiologische und rassenhygienische Überzeugungen, die sich in der Fürsorge-Praxis bevorzugt zugunsten der "Erbgesunden" und "sozial Hochwertigen" auswirkten, das heißt Belohnung der guten "Volksgenossen" und Ausgrenzung (beziehungsweise letztliche Vernichtung) von nicht zum "deutschen Volk" zählenden Personengruppen sowie der "entarteten" Teile desselben (darunter "Asoziale", "Erbkranke", Juden, "Zigeuner", Homosexuelle und Prostituierte). Versorgungsanstalten, Erholungsfürsorge, Erwachsenenfürsorge, Familienfürsorge, Kinder- und Jugendfürsorge. Zum historischen Überblick siehe auch Sozialwesen.

Videos

Gesunde Kinder - Tüchtige Bürger (1937), Zitat: WStLA, Filmarchiv der media wien, 004 (Ausschnitt)
Budget-Film: Fürsorge (1952), Zitat: WStLA, Filmarchiv der media wien, 128H (Ausschnitt)
Die junge Stadt (Filmdokument III) (1954), Zitat: WStLA, Filmarchiv der media wien, 125A1-3 (Ausschnitt)
Eine Stadt sorgt für ihre Kinder (1963), Zitat: WStLA, Filmarchiv der media wien, 218 (Ausschnitt)
Fürsorge? Um Gottes Willen! (1973), Zitat: WStLA, Filmarchiv der media wien, 358 (Ausschnitt)

Quellen


Literatur

  • Das Wohlfahrtsamt der Stadt Wien und seine Einrichtungen. 1921-1931. Wien: Magistrat der Stadt Wien 1931
  • Blätter für das Wohlfahrtswesen der Stadt Wien 20 (1921) ff.
  • Das öffentliche Armenwesen in Wien. Eine Skizze seiner geschichtlichen Entwicklung. Hg. vom Magistrat der Stadt Wien. Wien: Verlag für Jugend und Volk 1946
  • Maren Seliger / Karl Ucakar: Wien. Politische Geschichte 1740 - 1895. Wien: Jugend & Volk 1985 (Geschichte der Stadt Wien, 1), S. 181 ff. und Register
  • Felix Czeike: Wirtschafts- und Sozialpolitik der Gemeinde Wien in der ersten Republik (1919 - 1934). Band 2. Wien: Verlag für Jugend und Volk 1959 (Wiener Schriften, 11), S. 141 ff.
  • Salomon Rosenblum: Die sozialpolitischen Massnahmen der Gemeinde Wien. Bern: Haupt 1935 (Berner wirtschaftswissenschaftliche Abhandlungen, 11)
  • Hermann Hartmann: Die Wohlfahrtspflege Wiens. Gelsenkirchen: Stück & Lode 1929
  • Josef Karl Mayr: Zwei Reformatoren der Wiener Armenfürsorge. In: Jahrbuch des Vereins für Geschichte der Stadt Wien 8 (1949/1950), S. 110 f.
  • Gerhard Melinz / Susan Zimmermann: Sozialpolitisierung der Fürsorge oder radikale Sozialreform? Kommunale Wohlfahrt in Budapest und Wien vor 1914. In: Wiener Geschichtsblätter 47 (1992), S. 84 ff.