Bezirksvertretungen
Mit der "Provisorischen Gemeindeordnung für Wien" vom 6. März 1850 (die nach der Revolution 1848 vom Gemeinderat auf der Grundlage der "Skizze für einen Entwurf" des Innenministers Franz Graf Stadion ausgearbeitet worden war und auch die Eingemeindung von 34 Vorstädten vorsah) wurden neue politische Vertretungskörper notwendig; in jedem der Bezirke zwei bis acht (seit 1861: zwei bis neun) wurden 18 Bezirksausschüsse gewählt (aus jedem Wahlkörper sechs), deren Aufgaben in einem Statut festgelegt wurden und die aus ihrer Mitte mit absoluter Stimmenmehrheit den Bezirksvorsteher wählten (§§ 52, 53). Die Ausschussmitglieder übten ihr Amt unentgeltlich aus (§ 58) und waren berufen, mit dem Bezirksvorsteher die Sonderinteressen ihres Bezirks zu vertreten (§ 120). Der Sachinhalt findet sich (teils wörtlich) im Gemeinderatsbeschluss vom 15. Oktober 1861 (Originalstatut für die Bezirksvorsteher und Bezirksvertretungen) sowie in den Gemeindeordnungen von 1882 und 1890. Der erste Bezirk erhielt erst 1864 eine Bezirksvertretung, die sich jedoch aus sechs Gemeinderäten zusammensetzte. Die Bezirksausschüsse wurden im Oktober 1851 gewählt; da jedoch die Wahl der Bezirksvorsteher infolge vielfacher Opposition nicht zustande kam, wurden die Bezirksvertretungen im Dezember 1851 sistiert und erst 1861 wiederbelebt.
Als mit Gesetz vom 19. Dezember 1890 30 Vorortgemeinden zur Gänze und 19 weitere zum Teil eingemeindet wurden, erhielt Wien am selben Tag ein neues Gemeindestatut, das (§ 19) Bezirksvorsteher und Bezirksausschüsse vorsah (18 Gemeindemitglieder, die im Bezirk wohnen mussten, jedoch nicht dem Gemeinderat angehören durften; sie wählten den Bezirksvorsteher, der jedoch vom Gremium des [1890 geschaffenen] Stadtrats bestätigt werden musste); die Funktionsdauer betrug sechs Jahre; eine Geschäftsordnung beschloss der Gemeinderat am 15. Oktober 1891. Das Gemeindestatut vom 24. März 1900 führte anstelle der Bezirksausschüsse die Bezirksvertretungen ein; seine Mitglieder erhielten den Titel Bezirksrat (§ 42).
Die Ausrufung der Republik (12. November 1918) führte zu einem Umbau der Stadtverfassung. Das Gemeindestatut vom 29. April 1920 erhöhte die Zahl der Bezirksräte auf 30 und setzte die Funktionsperiode mit fünf Jahren fest. Die Stadtverfassung vom 1. Oktober 1920 brachte keine inhaltlichen Veränderungen. Die Geschäftsordnung von 1891 wurde erst am 1. Juli 1932 durch eine neue ersetzt. Im Ständestaat (1934-1938) blieben die Funktionen der Bezirksvertretungen und Bezirksvorstände zwar erhalten, doch wurden diese vom Bürgermeister ernannt; außerdem erfolgte eine sachliche Beschränkung auf Fürsorgeangelegenheiten. Die Nationalsozialisten übertrugen 1938 die Aufgaben den Bezirkshauptmannschaften (die ab 1934 magistratische Bezirksämter hießen).
1945 wurden wieder Bezirksvertretungen eingerichtet; bis zur Wahl am 25. November 1945 mussten sie vom Bürgermeister bestellt werden. Probleme ergaben sich infolge des von den Alliierten nicht anerkannten Gebietsänderungsgesetzes 1946, weshalb erst 1954 erstmals nach dem Zweiten Weltkrieg Bezirksvertretungswahlen abgehalten werden konnten (30 Bezirksräte pro Bezirk). Am 22. Juli 1955 wurde eine neue Geschäftsordnung erlassen. Die Novellierung der Verfassung von 1978 hält die Zahl der Bezirksräte variabel (30 bis zu 50.000 Bezirksbewohnern, je zwei für je weitere 5.000, maximal jedoch 50). Seit 1987 bestehen die Bezirksvertretungen in Bezirken bis zu 50.000 Einwohnern aus 40 Mitgliedern. Diese Zahl erhöht sich je weitere 4.000 Einwohner um zwei, wobei jedoch die Höchstzahl 60 beträgt. Einwohner sind alle natürlichen Personen, die im Bezirk ihren Hauptwohnsitz haben, es besteht also keine Einschränkung mehr auf österreichische Staatsbürger.
Zu den Rechtsgrundlagen der Bezirksvertretungen gehört die Geschäftsordnung der Bezirksvertretungen, welche den internen Geschäftsgang regelt und vom Gemeinderat beschlossen wird (zuletzt am 31. Mai 1985, abgeändert am 27. März 1987). Die Wahl der Mitglieder der Bezirksvertretungen erfolgt nach dem allgemeinen Wahlrecht; die näheren Bestimmungen enthält die Wiener Gemeindewahlordnung (zuletzt in der Fassung Landesgesetzblatt für Wien 34/1987). Siehe auch Gemeinderatswahlen (Wahlergebnisse).
Literatur
- Josef Rauchenberger [Hg.]: Bezirksvertretungen in Wien. Historische Entwicklung, Rechtsgrundlagen, Aufgaben, Dezentralisierung, Wahlergebnisse, Personenindex, Rückblick und Zukunft. Wien: PR-Verlag 1990
- Peter Csendes: Die Entwicklung der Wiener Bezirksvertretungen. In: Ebenda, S. 21 ff.
- Josef Ponzer: Die rechtliche Beurteilung der Wiener Bezirksvertretungen. In: Ebenda, S. 27 ff.
- Friedrich Brunner: Die Organisation der "neuen" Dezentralisierung der Verwaltung der Stadt Wien. In: Ebenda, S. 33 ff.
- Personenindex. In: Ebenda, S. 341 ff.
- Czeike: Bezirksvertretungen und Magistratische Bezirksämter. Eine Dokumentation der bisherigen Entwicklung. In: Handbuch der Stadt Wien. Band 90. Wien: Verlag für Jugend und Volk 1976, S. II/40 ff.