Bruno Pittermann
Bruno Pittermann, * 3. September 1905 Wien, † 19. September 1983 Wien, Bundesbeamter, Politiker, Vizekanzler.
Biografie
Herkunft und Familie
Bruno Pittermanns Vater Eduard stammte aus Tulln, Niederösterreich, und war Wagnergehilfe; 1903 fand er eine Anstellung bei der Krankenkasse in Wien. Seine Mutter Emilie, geb. Wagner, war die Tochter eines Webers aus Mähren.
Im Februar 1930 heiratete Bruno Pittermann Maria Amster, Tochter des Rechtsanwalts Leopold Amster aus Lemberg und seiner Frau Elsa, geb. Pokorny. Das Ehepaar Pittermann hatte eine Tochter, Elisabeth (* 1946), die – als Fachärztin für Innere Medizin – auch eine politische Laufbahn einschlug.
Bildungsweg, Beruf, Politik
Nach der Matura 1924 am humanistischen Gymnasium (3., Kundmanngasse) absolvierte Bruno Pittermann ein Studium der Geschichte und Geographie an der Universität Wien, das er 1928 mit seiner Promotion zum Dr. phil. abschloss. Danach unterrichtete er an der Fachschule für Maschinenbau und Elektrotechnik im Wiener Arsenal, machte gleichzeitig die Lehramtsprüfung und begann mit einem Studium der Rechtswissenschaften. Er war Mitglied der Sozialdemokratischen Partei und Obmann der Sektion "Universität" des Verbandes der Sozialistischen Studenten.
Ab 1929 wirkte er als Sekretär der Kammer für Arbeiter und Angestellte in Klagenfurt, wo er im Bildungs- und Sozialwesen und als Obmann der Sozialistischen Jungfront und der Kärntner Kinderfreunde tätig war, während sich seine Frau als Vorsitzende des sozialdemokratischen Frauenkomitees Klagenfurt engagierte.
Im Zuge der Februarkämpfe 1934 kurzzeitig inhaftiert, musste Pittermann seine Parteiämter aufgeben, arbeitete jedoch illegal für die Revolutionären Sozialisten weiter.
Er schloss sein Studium der Rechte und Staatswissenschaften 1938 ab (Dr. iur.), holte seine Promotion aus politischen Gründen jedoch erst 1946 nach. Er wurde 1938 erneut arbeitslos und lebte anschließend mit seiner Frau im Untergrund.
Politiker der Zweiten Republik
1945 war Bruno Pittermann zunächst enger Mitarbeiter von Johann Böhm im Staatsamt für soziale Verwaltung, danach Erster Sekretär der wiedererstandenen Wiener Arbeiterkammer.
1945 wurde er in den Nationalrat gewählt, dem er bis 1971 angehörte und wo er sich als glänzender Redner profilierte. 1948 wurde er SPÖ-Sekretär und 1949 SPÖ-Klubobmann. Von 1950 bis 1957 fungierte er als stellvertretender SPÖ-Landesparteiobmann in Wien. Er war maßgeblich am Aufbauprogramm der SPÖ 1946 beteiligt, ebenso wie am Mieten- und Wohnungsbeihilfengesetz 1951.
Seit 1952 gehörte Bruno Pittermann dem Ausschuss für politische Angelegenheiten der Beratenden Versammlung des Europarates an, deren Vizepräsident er 1957 wurde.
Nach der Wahl Adolf Schärfs zum Bundespräsidenten wurde Bruno Pittermann am 8. Mai 1957 zum Vorsitzenden der SPÖ gewählt und zwei Wochen später als Vizekanzler angelobt – ein Amt, das er bis 1966 bekleidete. Er hatte erheblichen Anteil an der Endfassung des neuen, 1958 beschlossenen Parteiprogramms, das das umstrittene Linzer Programm von 1926 ersetzte und einen teilweisen Bruch mit der Gedankenwelt des Austromarxismus vollzog. Von 1959 bis 1966 war Pittermann auch mit der Leitung der Agenden des Bundeskanzleramtes - Verstaatlichte Unternehmungen (Sektion IV) betraut.
Nachdem die ÖVP bei den Wahlen am 6. März 1966 die absolute Mehrheit errungen hatte, musste Bruno Pittermann 1967 den Parteivorsitz an Bruno Kreisky abgeben. Er kehrte als Klubobmann ins Parlament zurück und blieb auch noch bis 1976 Präsident der Sozialistischen Internationale, an deren Spitze er seit 1964 gestanden war. Seine Funktionen in der österreichischen Politik legte er 1971 zurück. 1975 musste er sich wegen eines Schlaganfalls völlig aus der Politik zurückziehen; in seinen letzten Lebensjahren erblindete er.
Ehrungen
Bruno Pittermann war Träger zahlreicher Auszeichnungen. Am 27. Februar 1981 wurde er in Würdigung seines Lebenswerkes als Politiker zum Ehrenbürger der Stadt Wien ernannt.
Er wurde am 6. Oktober 1983 in einem Ehrengrab auf dem Wiener Zentralfriedhof bestattet (Gruppe 14C, Nummer 40).
1991 wurde der Bruno-Pittermann-Platz in Wien-Meidling nach ihm benannt.
Werke (Auswahl)
- Die Judenpolitik der Habsburger in Wien an Hand der Judenordnungen von 1421-1782. Diss. Univ. Wien. Wien: 1938
- Wirtschaftssäuberungsgesetz (Verfassungsgesetz vom 12. September 1945 über Maßnahmen zur Wiederherstellung gesunder Verhältnisse in der Privatwirtschaft) mit Erläuterungen hrsg. von Bruno Pittermann. Wien: Ringbuchhandlung 1946
- Gemeinsam mit Erwin Scharf: Das Aufbauprogramm der SPÖ. Wien: Sozialistische Partei Österreichs 1946 (Sozialistische Hefte, 15)
- Die Verwaltungsreform. Vortrag gehalten am 2. April 1948 im E-Werk, Wien IX. Wien: Österreichischer Gewerkschaftsbund o. J.
- Probleme der Demokratie in unseren Tagen. Wien: Österreichischer Gewerkschaftsbund 1949 (Vortragsreihe 1949, Nr. 2)
- Das Mietengesetz 1951 und das Wohnungsbeihilfengesetz. Wien: Wiener Volksbuchhandlung 1951
- Die Sozialisten und die Regierung. Rede des Abgeordneten Dr. Bruno Pittermann zur Regierungserklärung in der Sitzung des Nationalrates am 16. April 1953. Wien: Sozialistische Partei Österreichs 1953
- Die Grundsätze der Sozialisten. Ein Wegweiser zu Glück und Wohlstand. Wien: Sozialistische Partei Österreichs o. J. [1961]
- [Als Herausgeber:] Mensch und Staat. Handbuch der österreichischen Politik, 2 Bände. Wien: Danubia 1962
- Vorschlag einer Neuordnung der verstaatlichten Betriebe in Österreich. Rede … in der Sitzung des Nationalrates am 27. November 1963. Wien: Bundeskanzleramt o. J.
- Entwicklungsmöglichkeiten der verstaatlichten Industrie. Vortrag … gehalten am 13. November 1964, unter dem Titel "Die wirtschaftliche Führung in verstaatlichten Unternehmungen", … vor der Arbeitsgemeinschaft der österreichischen Gemeinwirtschaft. Wien: Jugend und Volk 1965
- Erziehen. Mitbestimmen. Verwantworten. Die Aufgaben des Sozialismus in der Gegenwart. Referat … gehalten auf dem Schweizer Parteitag in Bern am 3. Oktober 1965. Wien: Fraktion sozialistischer Gewerkschafter im ÖGB o. J.
- Das Zeitalter der Zusammenarbeit. Reden aus zwei Jahrzehnten. Wien: Wiener Volksbuchhandlung 1966
- Der Präsident des Nationalrates. In: Festschrift für Karl Waldbrunner. Wien: Europaverlag 1971
Literatur
- Ernst Winkler [et al.]: Bruno Pittermann. Ein Porträt. Verein für Geschichte der Arbeiterbewegung: Dokumentation 3/1995
- Isabella Ackerl / Friedrich Weissensteiner: Österreichisches Personenlexikon der Ersten und Zweiten Republik, Wien: Ueberreuter 1992, S. 359
- Christine Klusacek / Kurt Stimmer: Meidling. Vom Wienfluß zum Wienerberg. Wien: Mohl 1992, S. 181-182
- Hanns Jäger-Sunstenau: Die Ehrenbürger und Bürger ehrenhalber der Stadt Wien. Wien: Deuticke 1992 (Forschungen und Beiträge zur Wiener Stadtgeschichte, 23), S. 77
- Kurt Stimmer [Hg.]: Die Arbeiter von Wien. Ein sozialdemokratischer Stadtführer. Wien [u. a.]: Jugend & Volk 1988, S. 247
- Heinz Fischer / Leopold Gratz [Hg.]: Bruno Pittermann. Ein Leben für die Sozialdemokratie. Wien [u. a.]: Europaverlag 1985
- Jean Maitron / Georges Haupt [Hg.]: Dictionnaire biographique du mouvement ouvrier international. Band 1: Autriche. Paris: Éditions Ouvrières 1971, S. 228-229
- August Jarosik [für den Inh. verantw.]: Das ist Bruno Pittermann. Wien: Sozialistische Partei Österreichs o. J. [1966]
- August Jarosik [für den Inh. verantw.]: DDr. Bruno Pittermann. Bibliographie 1945-1965. Zu seinem 60. Geburtstag. Wien: Zentralsekretariat der Sozialistischen Partei Österreichs o. J. [1965]
- Wilhelm Rudolph [für den Inh. verantw.]: Pittermann als Bundeskanzler? Klosterneuburg: Büro für politische Information o. J. [1962]
- Erwin H. Aglas [Hg.]: Die Zweite österreichische Republik und ihre Repräsentanten. Politische Leistung im Spiegel des wirtschaftlichen Erfolges. Wien / Linz: Österreichisches Pressebüro 1960, S. X
Bruno Pittermann im Katalog der Wienbibliothek im Rathaus.