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Letzte Änderung am 22.10.2021 durch DYN.krabina

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Der Wiener Produktionssektor war schon ab Mitte 18. Jahrhunderts durch die merkantilistische Gewerbepolitik unter massiven Veränderungsdruck geraten; Lockerung der starren zünftischen Traditionen, Entstehung neuer Organisationsformen und Produktionstechniken sowie verstärkte kapitalistisch- marktwirtschaftliche Orientierung waren die Folgen (Gewerbe, Manufaktur). Mit dem Aufkommen der Industrie (im Sinn von großbetriebliche Arbeitsteilung und unter Einsatz anorganischer Energie zum Antrieb von Kraft- und Arbeitsmaschinen organisierter Massenproduktion von Sachgütern) gewann dieser Prozess weiter an Dynamik. An der ersten österreichischen Fabriksgründungsphase ab etwa 1800 war Wien zwar kaum beteiligt, da es bezüglich der noch ausschließlich eingesetzten Wasserkräfte benachteiligt war und außerdem Franz (II.)I. samt Teilen der Bürokratie die damit zusammenhängende Ballung proletarischer Massen von der Residenz fernhalten wollte. Im Kontext des Ende der 1820er Jahre einsetzenden Wirtschaftsaufschwungs, der dann durch die Verbreitung der Dampfmaschine und den Eisenbahnbau (Eisenbahn) zusätzliche Impulse erhielt, begann sich schließlich jenes Feld interdependenter Kräfte endgültig zu etablieren, das künftig neben naturräumlichen Gegebenheiten und überkommenen Traditionen die industrielle wie überhaupt ökonomiepolitischer Rolle der Stadt und ihre Binnenstrukturen immer stärker bestimmen sollte. Hauptelemente waren: das Niveau der überregionalen, sich beschleunigenden technischen und ökonomischen Entwicklung, die Verfügbarkeit von Kapitalien, die Innovationskompetenz der Unternehmerschaft und analoge Strukturen auf Seiten des Arbeitsmarkts, die Aufnahmekapazität des städtischen und nationalen Massenmarkts und die Fähigkeit des nationalen und kommunalen politischen Systems, konfligierende Interessen auf einen tragfähigen industriellen Modernisierungskompromiss zu verpflichten.

Anfänge der modernen Industrialisierung

Sie fallen in Wien ursächlich mit dem Eisenbahnbau zusammen. Die Residenz war selbstverständlich der Ausgangspunkt des präsumtiven Eisenbahnnetzes der Monarchie; hier entstanden daher die ersten Lokomotiv- und Waggonfabriken, für die Techniker und hochqualifizierte Facharbeiter leichter am großstädtischen Arbeitsmarkt gefunden werden konnten. Durch die Dampfmaschine und die Anbindung an Versorgungsnetzwerke (Wasserleitungen und Kanalisation) waren Produktionsstandorte von Wasserläufen unabhängig geworden; immer wichtiger wurde hingegen die Anbindung an ein leistungsfähigen Eisenbahnnetz, das günstigere Energie- (das heißt Kohlen-) und Rohstoffpreise sowie entsprechende Absatzwege für die produzierten Waren ermöglichte. Die Industriegründungen führten auch zu einer Modifizierung des in der Manufakturzeit etablierten Standortmusters, das (ausgehend von den Kernzonen Gumpendorf und Schottenfeld) in die angrenzenden westlichen Vororte ausgestrahlt hatte. Neue Schwerpunkte bildeten sich im noch kaum verbauten Umfeld der Bahnhöfe: anfangs relativ stadtnah in Favoriten, in der Leopoldstadt und in der Brigittenau, später weiter stadtauswärts in Simmering, Atzgersdorf, Liesing, Floridsdorf und Stadlau. Hier gab es für die platzaufwendigen Industrieanlagen genügend und billigen Boden, die Transportkosten waren wegen der Bahnnähe niedrig (später wurden sie durch den Bau von Schleppgleisen minimiert), und Beschwerden von Anrainern wegen Lärm- oder Geruchsbelästigung waren kaum zu befürchten. Die im neuen Produktionskonzept radikal vollzogene Trennung von Arbeits- und Wohnort führte zu einer stärkeren funktionalen Segmentierung des Stadtgebiets; andererseits wurden die entstandenen Industriezonen zu dichtbesiedelten, sozial relativ homogenen Wohnvierteln der Arbeiterbevölkerung, für die einerseits die Nähe zum Arbeitsort attraktiv war, die sich andererseits aber qualitätvollere Wohngegenden auch nicht leisten konnte. Weniger platz- und transportaufwendige Industrien konnten sich trotz moderner (dampfbetriebener) Großbetriebsorganisation auf innerstädtischen Standorten (und zwar keineswegs nur als sogenannte Hinterhofindustrie) behaupten, sofern sie mit hoher Arbeitsplatzdichte (in Stockwerken gestapelt) produzieren konnten und (oder) auf die Institutionen beziehungsweise die Konsumentenschaft der Residenz angewiesen waren (beispielsweise die Staatsdruckerei in der Stadt oder die Apollo-Kerzenfabrik auf dem Schottenfeld).

Monarchie 1848-1918

In den Jahrzehnten nach 1848 verlor die Industrie sukzessive ihre herausragende Position, die sie in der Pionierzeit des Vormärz eingenommen hatte. Das lag vor allem am Kapitalmangel (die verfügbaren Gelder wurden überwiegend in Staatspapiere oder in die Grundstoff- und Agrar-Industrie, kaum aber in die städtische Final- beziehungsweise Konsumgüter-Industrie investiert), aber auch am überhöhten Wiener Energiepreis (der auf die Monopolstellung der Nordbahn beim Kohletransport zurückzuführen war). Die fortschreitende Industrialisierung der Textilverarbeitung schlug sich daher in einem drastischen Rückgang dieser traditionsreichen Wiener Branche zugunsten von Betrieben in Böhmen und Mähren nieder, wo die Boden-, Arbeits- und Energiekosten signifikant niedriger lagen. Ein deutlicher Indikator für Wiens gebremste Industrialisierung ist der Anteilsverlust bei der Dampfkraft (1841 leisteten die Dampfmaschinen des damaligen Wiens circa 16% der Pferdestärken aller in der [späteren] österreichischen Reichshälfte aufgestellten, 1863 nur mehr 5,4%). Nach der Hochkonjunktur ab 1867 folgte dem Börsenkrach von 1873 eine langanhaltende Rezession, die für die Industrie überdies durch wirtschaftspolitische Rückschläge (Ausbreitung einer antiliberalen Mittelstandsbewegung und eine die Industrie benachteiligende Gewerbe-Gesellschaftsreform 1883/1885). Um diese Zeit (die durch weltweit wachsenden kapitalistischen Wettbewerbs- und Rationalisierungsdruck charakterisiert ist) begannen sich nach Verbilligung der Transportkosten und durch die raschen Fortschritte der Elektrotechnik die Rahmenbedingungen wieder zugunsten des Industriestandorts Wien zu verschieben: die Zentralität, das große, hinsichtlich Branchenmix und Qualifikationsniveau reich differenzierte Arbeitsangebot und die im Bereich des gehobenen wie des Massenkonsums stark expandierende Nachfrage der Residenz boten schließlich dem hiesigen Bankenkapital (speziell in innovativen Bereichen, wie der Elektroindustrie), aber auch dem (meist deutschen) Auslandskapital kräftigen Investitionsanreize. Auf seiten des Produktionsfaktors Arbeit kam hinzu, dass die hier überdurchschnittlich starke sozialdemokratische Arbeiterbewegung ebenfalls nachdrücklich auf industrielle Modernisierung als Vehikel der sozioökonomischen Emanzipation der Massen setzte. Damit entwickelte sich die Metropole in den Jahrzehnten raschen ökonomischen Wandels vor dem ersten Weltkrieg unter dem Anpassungsdruck von außen und innen zu einer besonders dynamische Agglomeration technologisch fortgeschrittener Produktions- und Konsumgüterindustrien und zu einer Kernzone der Herausbildung der Industriegesellschaft in der Monarchie (1890 nur sechs Betriebe des Sekundärsektors ohne Baugewerbe mit über 1.000 Beschäftigten, 1913 bereits 29, davon 15 in der Maschinen- und Elektroindustrie]); im Ersten Weltkrieg (als Wien eines der bedeutendsten Rüstungszentren der Monarchie wurde) setzte sich dieser Trend fort (das kaiserlich und königliche Artilleriearsenal hatte über 15.000 Beschäftigte, die höchste jemals in einem Wiener Industriebetrieb erreichte Belegschaftszahl).

Zwischenkriegszeit, zweiter Weltkrieg und Nachkriegszeit

Nach dem Zusammenbruch 1918 war auch die Industriestruktur Wiens durch die Abschottung eines Großteils der Zulieferer- und Abnehmerregionen problematisch geworden. Im Verlauf der krisenhaften ökonomischen Entwicklung der ersten Republik (in der staatlichen Nachfragesteuerung noch nicht zum anerkannten Instrumentarium der Wirtschaftspolitik zählte) führte dies zu einem durch Rationalisierungsanstrengungen noch verschärften drastischen Substanzverlust der Industrie (Absinken der Zahl der Betriebe des Sekundärsektors mit über 1.000 Beschäftigten 1930 wieder auf zehn) und enormer Arbeitslosigkeit (was zweifellos entscheidend zum Auseinanderbrechen des politischen Systems beitrug). Sofort nach der Annexion Österreichs (1938) erfolgte die Enteignung zahlreicher bedeutender jüdischen Industrieller auf dem Weg der „Arisierung" sowie die rasche, mit einschneidenden Modernisierungsmaßnahmen und starkem Beschäftigungs- und Produktionswachstum verbundene, Eingliederung der Industrie in die Rüstungswirtschaft des „Altreichs" (häufig in Form der Übernahme durch deutsche Konzerne). Aus der kontinuierlichen Verlagerung der reichsdeutschen Rüstung in die Alpenländer der „Ostmark" während des Kriegs (um alliierten Luftangriffen auszuweichen) resultierte zwar ein gewisser Anteilsverlust der Wiener Industrie, dennoch konnte man in technologieintensiven Sektoren auf das hiesige Know-how nicht verzichten. Wien wies daher 1944 (allerdings bei drastischer Forcierung des Produktionsgüter- zu Lasten des Konsumgüterbereichs) ein vorher und auch nachher nie mehr erreichtes großindustrielles Niveau auf; allein die kriegswichtigen Branchen Metall, Maschinenbau, Elektrotechnik und Chemie zählten (in den Grenzen vor 1938) mehr als 30 Betriebe mit über 1.000 Beschäftigten. Das nationalsozialistische Regime konnte diesen Produktionsstandard aber nur unter Heranziehung von Kriegsgefangenen und Strafarbeitern sowie durch zunehmenden Terror gegenüber den eigenen Belegschaften aufrechterhalten. Überdurchschnittliche Zerstörungen in den Industriezonen durch Luftangriffe und Bodenkämpfe (zu Kriegsende), umfangreiche Demontagen der sowjetrussischen Besatzungsmacht, Rohstoff- und Nahrungsmittelknappheit der Nachkriegsjahre sowie die nachrangige Vergabe der Marshallplan-Gelder an die industriereiche Sowjetzone Wiens (2., 4., 10., 20. und 21. Bezirk), vor allem für den sowjetisch kontrollierten USIA-Konzern (der aus Betrieben gebildet wurde, die man dem Deutschen Eigentum zurechnete: USIA [УСИА]: Управление советским имуществом в Австрии, Verwaltung des sowjetischen Eigentums in Österreich), bedingten eine vergleichsweise langsame Entwicklung der Wiener Industrie während der Wiederaufbauphase bis 1955.

Zweite Republik (ab 1955)

Mit dem Staatsvertrag (1955) wurde die Industrie (samt dem Konsumgütersektor) infolge der Übernahme des sozialstaatlich regulierten Modells der Massenproduktion und des Massenkonsums (nach amerikanischem Muster) in den Aufschwung miteinbezogen; die herkömmlichen Probleme (Kapitalknappheit, mangelnde autochthone Innovationskraft, Randlage, zu kleiner Binnenmarkt) bestanden jedoch weiterhin. Bei verschärfter internationaler Konkurrenz gerieten daher Sektoren herkömmlicher Massenfertigung (wie Textil- und Bekleidungsindustrie) bereits in den 60er Jahren, an der Wende zu den 70er Jahren auch technologisch anspruchsvollere Branchen (wie Maschinen- und Elektroindustrie) unter Druck. Beschäftigungsrückgang, Betriebsstilllegungen, Abwanderung an Randlagen (Entstehen einer autobahnorientierten Industriezone unmittelbar südlich der Stadtgrenze) beziehungsweise billigere Standorte sowie Übernahmen durch multinationale Konzerne waren häufig die Folge (Absinken der Zahl der Betriebe mit über 1.000 Beschäftigten im Sekundärsektor ohne Baugewerbe von 27 [1964] auf 16 [1981]). Lange Zeit konnte der rasch expandierende Tertiärsektor die Arbeitskräfte absorbieren, dann setzten Staat und Stadt zunehmend auf eine vorerst eher undifferenzierte Förderung ausländischer Betriebsansiedlungen (beispielsweise General Motors) und inländische Neugründungen.

Metall-, Maschinen- und Elektroindustrie

Der Maschinenbau (die Leitbranche der ersten Wiener Industrialisierungsphase) konnte sich auf ein reiches Reservoir an Facharbeitern (wie Mechanikern, Schlossern und so weiter) stützen; die erste moderne Fabrik (Maschinenfabrik der Wien-Gloggnitzer Eisenbahn) wurde jedoch 1839/1840 mit englischem Know-how errichtet. Weitere bedeutende im Zusammenhang mit dem Eisenbahnbau errichtete Betriebe waren beispielsweise die Waggonfabrik H. D. Schmid (heute SGP), die restlichen Zweige der Maschinenindustrie (beispielsweise Landmaschinenfabrik Clayton & Shuttleworth, später Hofherr-Schrantz-Clayton-Shuttleworth, und Nähmaschinenfabrik Rast & Gasser) spielten eine vergleichsweise untergeordnete Rolle. Wachstumsimpulse durch die Stadterweiterung erhielten beispielsweise die Eisenkonstruktionswerkstätten Waagner und Biró (heute Waagner-Biró), der Drahtwarenproduzent Hutter & Schrantz oder der Schraubenfabrikant Brevillier (heute Brevillier-Urban), die Ausweitung des Massenkonsums nutzten die Lampenfabrikanten Ditmar und Brünner (heute Austria Email). Das breite Vordringen der Großindustrie in Wien ab den 1880er Jahren stand im Zeichen der Elektrotechnik, die von Anfang an unter maßgeblichen Auslandseinfluss stand; Siemens & Halske, Schuckert und AEG-Union waren in Wien schon vor 1914 Branchenführer; auch zahlreiche bedeutende einheimische Firmen kamen nach und nach in ausländischen Besitz (beispielsweise Glühlampenfabriken Kremenezky und Watt, aufgegangen im Tungsram-Konzern, Telegraphen- und Telephonfabriken Czeija & Nissl, heute Alcatel, Deckert & Homolka, heute Schrack-Ericsson, und die Starkstromanlagenfabrik Egger, heute ABB); als einzige namhafte Firmengründung dieser Zeit ist Kapsch noch in inländischen Besitz.

Die Fortschritte der Automobiltechnik gaben nach 1900 den Anstoß zum Aufschwung der Wiener Kfz-Industrie, die an einen traditionsreichen Wagenbau anknüpfen konnte, jedoch später ebenfalls größtenteils unter ausländische Kontrolle geriet (beispielsweise Österreichs Fiat-Werke und Graf & Stift, heute ÖAF - Graf & Stift, und Lohner, heute Bombardier-Rotax); die Saurer-Werke wurden hingegen von Steyr-Daimler-Puch übernommen. Aus den Anforderungen der modernen Rüstungstechnologie resultierte besonders für die Elektro- und Kfz-Industrie im ersten und noch mehr im Zweiten Weltkrieg eine Hochkonjunktur; auch der Rückschlag der Zwischenkriegszeit war für diese Branchen vergleichsweise mäßig. Bei der Elektroindustrie kam die Produktion von Radiogeräten hinzu (beispielsweise Neugründung der Firmen Horny und Minerva, heute Philips beziehungsweise Grundig). Die überwiegend großbetrieblich strukturierte Maschinen- und Elektroindustrie war von den Zerstörunge am Kriegsende 1944/1945, den Demontagen und der Eingliederung in die USIA stark betroffen. In der Aufschwungphase nach 1955 konnten sich die zur verstaatlichten Industrie zählenden oder verstaatlichten Banken gehörenden Unternehmen (beispielsweise SGP, Elin, Waagner-Birö, Steyr-Daimler-Puch) sowie die Betriebe multinationaler Konzerne gut entwickeln (bei gleichzeitiger Fortführung des Übernahme- und Konzentrationsprozesses). Mit der seit den 1970er Jahren beschleunigten Globalisierung wuchs der Anpassungsdruck, für die international gesehen kleindimensionierten Unternehmen des (zur Privatisierung anstehenden) Verstaatlichtensektors konkurrenzfähigen Produktionsnischen in Bereichen wie Verkehrs-, Kommunikations-, Energie- oder Umwelttechnologie zu entwickeln, die Standorte multinationaler Konzerne abzusichern und einschlägige Privatunternehmen zu fördern.

Textil- und Bekleidungsindustrie

Der bedeutendste Produktionszweig des Wiener Manufakturzeitalters, die Textilverarbeitung, geriet durch die Industrialisierung Mitte des 19. Jahrhunderts in eine schwere Krise, als die bisher hier konzentrierte Schafwoll- und Seidenweberei infolge der Mechanisierung nicht mehr auf die hochqualifizierten Arbeitskräfte der Residenz angewiesen war und auf billigere Provinzstandorte (insbesonders Böhmen und Mähren) ausweichen konnte. Neben den in Wien verbleibenden administrativen und kaufmännischen Zentralen waren nur noch die überwiegend im Wiental und an der Donau angesiedelten Finalbereiche Färberei und Appretur stark vertreten (beispielsweise Sickenberg, Vereinigte Färbereien). In den 70er Jahren kam der neue, auf Großstädte orientierte Industriezweig der Juteverarbeitung (Erste österreichische Jutespinnerei und -weberei) mit Fabriken in Simmering und Floridsdorf hinzu. Die Bekleidungs- und Schuherzeugung (nach der Textilverarbeitung zur beschäftigungsstärksten Wiener Branche geworden und wie diese über Wien hinaus für die Provinz und den Export produzierend) war ursprünglich fast ausschließlich handwerklich- verlagsmäßig strukturiert, weil sie sich auf zahlreiche ansässige oder zugewanderte (bei Heimarbeit auch billigere) Arbeitskräfte stützen konnte. Erst im Zuge der zweiten Industrialisierungswelle entstanden (begünstigt durch die Ausbreitung des Elektromotors) zahlreiche mechanisierte zentrumsnahe (überwiegend im 1., 6. und 7. Bez. gelegene) Großbetriebe der Kleider-, Wäsche- und Schuhkonfektion (zentral die Bedeutung der Nähmaschine, im Textilbereich der Strickmaschine), die aber weiterhin vielfach in Verbindung mit Heimarbeit organisiert waren. Der Verlust von Märkten nach 1918 bewirkte einen Rückgang bei der Heimarbeit, der in der Krise auch auf die Industrie übergriff. Der Anschluss löste eine kurze (Ende 1938 hatte die Schuhfabrik Bally über 1.100 Beschäftigte, die höchste je von der Bekleidungsbranche in Wien erreichte Zahl), das "Wirtschaftswunder" der 1950er Jahren eine längere Aufschwungphase aus. Ab den 60er Jahren wurde Wien infolge massiven Abwanderungsdrucks als Standort für beide Branchen bedeutungslos.

Nahrungsmittelindustrie

Die am großstädtischen Markt naturgemäß stark vertretene Produktion ging nur langsam zu industriellen Methoden über. Im Zusammenhang mit der kapitalintensiven Innovation des untergärigen Biers wurden zuerst ab den 40er Jahren des 19. Jahrhunderts die Brauereien von einem Mechanisierungs- und Konzentrationsprozess erfasst (beispielsweise Brauereien Liesing, Ottakring, St. Marx), ebenso frühzeitig die Spirituosen- und die (im Zusammenhang mit der Stearinkerzenerzeugung entstandene) Margarineproduktion (beispielsweise Apollo-Zweig-fabrik in Penzing). Breitere Mechanisierungsfortschritte fielen mit der beschleunigten Herausbildung der Arbeitnehmer- und Konsumgesellschaft in der Phase 1890-1914 zusammen, in der Brotfabriken (beispielsweise Ankerbrotfabrik und Hammerbrotwerke), Zuckerwarenfabriken (beispielsweise Heller, Manner, Schmidt), Molkereien (beispielsweise Wiener, Niederösterreichische Molkerei), Kaffeeröstereien (beispielsweise Imperial, Meinl) und Konservenfabriken (beispielsweise Inzersdorfer) entstanden (beziehungsweise zu Betrieben mit über 1.000 Beschäftigten expandierten). Während des Ersten Weltkriegs beschränkte sich die Expansion auf wenige Betriebe (beispielsweise Anker- und Hammerbrot, Meinl, Inzersdorfer), die anschließenden Jahrzehnte verliefen analog zur Gesamtentwicklung stagnativ bis rezessiv. Die endgültige Etablierung des Massenkonsums ab den 50er Jahren war zunehmend von Übernahme- und Konzentrationsprozessen unter der Kontrolle multinationaler Konzerne (beispielsweise Nestle, Unilever) und Betriebsstilllegungen beziehungsweise -auslagerungen (beispielsweise Heller, Schmidt) gekennzeichnet. Seit Ende der 80er Jahre sind zahlreiche Wiener Unternehmen (beispielsweise Ankerbrot, Ottakringer, Mautner Markhof, Meinl) auf ihren traditionellen osteuropäischen Märkten offensiver geworden und haben neue Marktstrategien entwickelt.

Siehe auch

Literatur

  • Renate Banik-Schweitzer: Wien im Vormärz. Wien [u.a.]: Kommissionsverlag Jugend & Volk 1980 (Forschungen und Beiträge zur Wiener Stadtgeschichte, 8)
  • Gerhard Meißl / Renate Banik-Schweitzer: Industriestadt Wien. Die Durchsetzung der industriellen Marktproduktion in der Habsburgerresidenz. Wien: Deuticke 1983 (Forschungen und Beiträge zur Wiener Stadtgeschichte, 11)
  • Günther Chaloupek / Peter Eigner / Michael Wagner: Wien Wirtschaftsgeschichte 1740-1938. 2 Bände 1991
  • Franz Köppl / Edith Pohl / Peter Schneidewind / Hannes Swoboda: Arbeiten in Wien. 1986
  • Franz Mathis: Big Business in Österreich. Österreichische Großunternehmen in Kurzdarstellungen. 1987
  • Peter Mayerhofer [Hg]: Metropole Wien. Innovationsfähigkeit der Wiener Industrie. 1992
  • Gerhard Meißl: Wirtschaft 1740-1990. In: Österreichisches Städtebuch, Band Wien
  • Gerhard Meißl: Karten zur Betriebsstättenverteilung. In: Historischer Atlas von Wien
  • Gerhard Meißl: Industrie und Eisenbahn in Wien. Von den Anfängen bis 1938. In: Veröffentlichungen des Wiener Stadt- und Landesarchiv, Reihe B, Heft 19. 1987
  • Gerhard Meißl: Industrie und Eisenbahn in Wien. Von den Anfängen bis 1938. In: Wiener Geschichtsblätter. Wien: Verein für Geschichte der Stadt Wien 1987 (42), Beiheft 5
  • Matthias Auer: "Wien verliert seine Industrie. Erstmals seit 2010 bauen heimische Industrieunternehmen Stammpersonal ab. Am stärksten ist der Rückgang seit 2008 in Wien". In: Die Presse, 16.07.2013