Entschädigung von Opfern des Nationalsozialismus
Sowohl auf nationaler Ebene als auch im Bereich der Wiener Stadtverwaltung gibt beziehungsweise gab es in der jüngeren Vergangenheit verschiedene Maßnahmen zur Entschädigung.
Am 17. Jänner 2001 verpflichtete sich die Republik Österreich im Washingtoner Abkommen, nicht oder nur unvollständig abgegoltene Vermögensverluste aus der NS-Zeit abzugelten. Mit dem Entschädigungsfondsgesetz wurde 2001 ein Allgemeiner Entschädigungsfonds zur umfassenden Lösung offener Fragen der Entschädigung von Opfern des Nationalsozialismus geschaffen.
Liegenschaften
Die Stadt Wien untersuchte in einem groß angelegten Forschungsprojekt circa 12.000 Liegenschaften in ihrem Besitz auf ihre Herkunft, um während der NS-Zeit unrechtmäßig erworbene Grundstücke zurückgeben zu können. Die Rechercheergebnisse wurden dem Allgemeinen Entschädigungsfonds und der Israelitischen Kultusgemeinde übergeben. Diese nehmen in Unabhängigkeit von der Stadt Wien Prüfungen vor und beraten Opfer des Nationalsozialismus und deren Nachkommen über Entschädigungsmöglichkeiten.
Wien hat von der im Entschädigungsfondsgesetz enthaltenen Bestimmung Gebrauch gemacht und die beim Allgemeinen Entschädigungsfonds eingerichtete Schiedsinstanz zur Prüfung von Anträgen auf Naturalrestitution von öffentlichem Vermögen der Stadt Wien vorgesehen. Wien hat sich bereit erklärt, die Empfehlungen der Schiedsinstanz zu befolgen.
Museen der Stadt Wien
Seit 1999 wurden von den Museen der Stadt Wien circa 3.000 Objekte zurückgegeben. Darüber hinaus wurden ausführliche Beschreibungen von in der NS-Zeit erworbenen Objekten, deren ursprüngliche Eigentümerinnen und Eigentümer nicht eruiert werden konnten, von den Museen der Stadt Wien veröffentlicht: Restitution - Wien Museum.
Wienbibliothek
In den Jahren 1999 und 2000 wurden die Erwerbungen der Wienbibliothek zwischen dem "Anschluss" 1938 und Ende 1946 im Detail überprüft. Diese Arbeiten konnten im Jahr 2000 weitgehend abgeschlossen werden. Circa 2.300 Objekte wurden seit 1999 restituiert. Dennoch wird die Suche nach möglichen Erbinnen und Erben noch Zeit in Anspruch nehmen. Auch die Suche nach Beständen, die zwar nach 1945 von der Bibliothek erworben wurden, jedoch zwischen 1938 und 1945 Gegenstand eines nichtigen Rechtsgeschäftes waren, ist noch nicht abgeschlossen. Wichtige oder problematische Erwerbungsgeschichten werden von der Wienbibliothek veröffentlicht: Provenienzforschung.
Kunstrestitution aus Sammlungen der Stadt Wien
Viele Kunst- und Kulturgegenstände wurden im Nationalsozialismus entschädigungslos entzogen, mussten bei der Flucht oder Deportation zurückgelassen werden oder aufgrund von Berufsverboten unter ihrem Wert verkauft werden. Durch Ankäufe bei der "Verwertungsstelle für jüdisches Umzugsgut der Gestapo" (VUGESTA), Dorotheumsankäufe in der NS-Zeit und "Ankäufe von der Gestapo aus im Ausbürgerungsverfahren beschlagnahmten Sachwerten" erwarben Museen, Bibliotheken, Archive und Sammlungen der Stadt Wien unrechtmäßig Kunst- und Kulturgegenstände.
Rückstellung
Die auf den Rückstellungsgesetzen der Nachkriegszeit basierenden Rückstellungsverfahren wurden vielfach behindert oder verzögert. Im Rahmen von "Tauschgeschäften" wurden Ausfuhrbewilligungen gegen die kostenlose Überlassung von Gegenständen erteilt. Rückstellungsanträge konnten oft nicht eingebracht werden, da die Berechtigten und ihre Nachkommen vom NS-Regime ermordet worden waren.
Mit Gemeinderatsbeschluss vom 29. April 1999 verpflichtete sich die Stadt Wien, die durch Raub, Beschlagnahme und Enteignung in ihren Besitz gelangten Gegenstände an die ursprünglichen Eigentümerinnen und Eigentümer oder deren Rechtsnachfolgerinnen und Rechtsnachfolger zurückzugeben. Die Bemühungen beinhalten auch die aktive Suche nach möglichen rechtmäßigen Erbinnen und Erben auf vier Kontinenten. Die Arbeit in enger Kooperation mit dem Nationalfonds der Republik Österreich und der Israelitischen Kultusgemeinde befindet sich derzeit in der Abschlussphase.
In Anlehnung an die auf Bundesebene durchgeführte Novelle des Kunstrückgabegesetzes wurde mit Gemeinderatsbeschluss vom 29. April 2011 die Erweiterung der Bestimmungen zur Rückgabe von Kunst- und Kulturgegenständen aus den Sammlungen der Stadt Wien beschlossen. Der zeitliche Rahmen von zu restituierenden Kunstgegenständen wurde von 1933 bis 1946 ausgeweitet (davor 1938 bis 1945). Räumlich erstreckt sich der Anwendungsbereich damit nunmehr auf sämtliche Entziehungen im NS-Herrschaftsgebiet - also auch auf außerhalb des heutigen Österreich entzogene Kunstgegenstände. Seit 1999 wurden von den Sammlungen der Stadt Wien 103.500 Objekte auf ihre Provenienz untersucht und rund 5.500 Objekte aus 60 Sammlungen an ihre rechtmäßigen Eigentümerinnen und Eigentümer restituiert.
Nach Beendigung der Provenienzforschung (Forschung über die Herkunft) sollen jene Kunstgegenstände, welche nicht an die ursprünglichen Eigentümerinnen oder Eigentümer beziehungsweise deren Rechtsnachfolgerinnen oder Rechtsnachfolger von Todes wegen restituiert werden können, zur Verwertung an den Nationalfonds gelangen. Der Erlös soll letztlich Opfern des Nationalsozialismus zugutekommen.