Fortifikationsstreit
Der sogenannte Fortifikationsstreit stand im Kontext einer größeren Zahl von Jurisdiktionskonflikten, die die Wiener Grundherren zu Beginn des 19. Jahrhunderts mit dem Magistrat ausfochten. In den meisten Fällen ging es um die Frage rechtlicher Kompetenzen (Grundobrigkeit bzw. Ortsobrigkeit) in einzelnen Bereichen des Stadtgebietes.
Hintergründe und Ursachen
Die Errichtung von Glacis und Basteien im 16. Jahrhundert und des Linienwalls 1704 hatte dortigen Grundherren wirtschaftliche Nachteile gebracht, da sie auf den entsprechenden (zuvor verbauten) Gründen Abgaben und Dienste verloren hatten. Die seit der Mitte des 18. Jahrhunderts vermehrt auftretenden Versuche des Magistrats und der Militäradministration, das Glacis nun wirtschaftlichen zu nutzen, erregten die Aufmerksamkeit und den Unmut der Grundherren, insbesondere aber der Militärverwaltung, die hierdurch ökonomische Benachteiligung befürchteten. Es ging um Fragen der kommerziellen Vermietung von Glacis und Basteien, grundobrigkeitliche Dienste, Gebühren und Mieteinnahmen, um die Vergabe von Gewerbeberechtigungen und damit die jeweilige Ortsobrigkeit. Dies zog den Fortifikationsstreit als einen lang andauernden juristischen Konflikt zwischen Magistrat/Grundherren (die ausnahmsweise gemeinsam agierten) und dem Militär nach sich. Das Militär wurde dabei durch die Hofkammerprokuratur und einflussreiche Mitglieder des Hofkriegsrats vertreten.
Juristische Argumentation
Die Argumentation des Magistrats ging dahin, dass dem Fortifikatorium zwar militärische Nutzungsrechte hinsichtlich der Befestigungen zustünden, jedoch nicht das Eigentumsrecht an den umstrittenen Grundflächen. Diese seien rechtlich weder als Dominikal- noch als Rustikalland zu deklarieren. Das Militär bediente sich der Mittel politischer Denuziation, indem es den Magistrat (mitten in den "Befreiungskriegen") geradezu hochverräterischer Agitation bezichtigte. Zudem vertrat man die Theorie der Exemtion, das heißt der Herausnahme des Festungsbereiches aus dem Bereich der Grundobrigkeit auf Grundlage des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches. Damit sollte der Festungsbereich grundherrschaftlichem Zugriff entzogen werden.
Die Militärverwaltung konnte sich im Wesentlichen durchsetzen. Eine angedachte Klage des Magistrats gegen die Staatsverwaltung kam bis 1848 nicht mehr zustande.
Literatur
- Walter Sauer: Grund-Herrschaft in Wien 1700-1848. Wien: Jugend und Volk 1993 (Kommentare zum Historischen Atlas von Wien, 5)