48° 12' 24.51" N, 16° 22' 29.67" E zur Karte im Wien Kulturgut
Billiottesches Stiftungshaus (1., Singerstraße 17-19, Kumpfgasse 10, Teil; Konskriptionsnummer 886b).
Dieses kleine Haus wurde im Jahr 1678 von den Testamentsexekutoren der Billiotteschen Stiftung angekauft und den Armen gewidmet, die hier Unterkunft und Verpflegung erhalten sollten. Im Grundbuch wird das Gebäude deshalb auch als "Armenleuthhaus im Eckhaus gegen grünen Anger hinein" bezeichnet. Dr. Franz Billiotte (es gibt auch andere Schreibungen) war von den niederösterreichischen Ständen, die 1665 von Oberst Ruß einen neben dem vormaligen Jesuitengarten in der Roßau (9)) gelegenen Grund zwecks Errichtung eines botanischen Gartens ("hortus medicus") erworben hatten, aus Frankreich berufen worden und versetzte den zu wissenschaftlichen Zwecken bestimmten Garten in einen hervorragenden Zustand. Im dortigen Billiotteschen Haus wurden Kranke unentgeltlich behandelt. Die erforderlichen Arzneien erhielten sie kostenlos aus Billiottes Armenapotheke (gegenüber dem Strudelhof).
Billiotte war Leib- und Hofarzt Leopolds I. Dies wird auch durch die Briefe und Tagzettel der Johanna Theresia Harrach (1639-1716), geborene Lamberg, an ihren Gatten Ferdinand Bonaventura I. Graf Harrach (1636-1706), bestätigt, auch wenn er in den Hofzahlamtsbücher nicht aufscheint. Drei Tage vor seinem Tod im Jahr 1677 stiftete er sein ganzes Vermögen zur Einrichtung und Erhaltung eines ärztlichen Ambulatoriums für Arme. Die so entstandene Billiotische Stiftung musste einen Arzt und einen Chirurgen bezahlen und die bereits erwähnte Apotheke betreiben, die den Armen die verordneten Medikamente unentgeltlich zur Verfügung stellte. 1719 wurde die Stiftung von Dr. Hofmann und 1735 von Gregor Kirchner erweitert, die Apotheke wurde aber gegen Mitte des 18. Jahrhunderts geschlossen. Ebenfalls zu dieser Zeit wurde das Haus an den Wiener Stadt-Banco verkauft und die Billiottesche Stiftung dem damaligen Dreifaltigkeitsspital und ab 1745 dem mit diesem vereinigten Spanischen Spital zugewendet.
Unter Maria Theresia wurde das Haus 1752 (Gedenktafel im Hof) mit den angrenzenden Häusern (darunter "Zum schwarzen Rädl", das 1684 den Erben des Mehlmessers Paul Lutz gehört hatte) und dem größeren einstöckigen Eckhaus Singerstraße / Grünangergasse (das sich um 1700 im Besitz der Erben von Johann Graf Rottal befand; Konskriptionsnummer 886a) zu einem großen Gebäude ("Stadtbanco") zusammengebaut. Die Baudaten sind widersprüchlich überliefert. Das Rottalpalais (1., Singerstraße 17-19, Grünangergasse 9, Kumpfgasse 8-10) wird Franz Anton Hillebrand zugeschrieben.
1845 (laut Gedenktafel) wurde das Gebäude um ein Stockwerk erhöht, renoviert und mit Figuren geschmückt, die vom Prinz-Eugen-Palais in der Himmelpfortgasse stammten. In den 1850er Jahren war hier das K. k. Ministerium für Kultus und Unterricht untergebracht. Später zogen hier die K. k. Staatszentralkasse, die Bankaladministration, die K. k. Staatsschuldenkasse und die K. k. Staats-, Kredit- und Zentral-Hofbuchhaltung ein, nach dem Zweiten Weltkrieg das Zentralbesoldungsamt.
Literatur
- Felix Czeike: I. Innere Stadt. Wien [u.a.]: Jugend & Volk 1983 (Wiener Bezirkskulturführer, 1), S. 148 f.
- Paul Harrer-Lucienfeld: Wien, seine Häuser, Menschen und Kultur. Band 4, 3. Teil. Wien ²1955 (Manuskript im WStLA), S. 665 f.
- Paul Kortz: Wien am Anfang des 20. Jahrhunderts. Ein Führer in technischer und künstlerischer Richtung. Band 2. Hg. vom Oesterreichischen Ingenieur und Architekten-Verein. Wien: Gerlach & Wiedling 1906, S. 135 f.
- Robert Messner: Wien vor dem Fall der Basteien, S. 54
- Technischer Führer durch Wien. Hg. vom Österreichischen Ingenieur- und Architekten-Verein. Red. von Martin Paul. Wien: Gerlach & Wiedling 1910, S. 311 f.