Friderike Maria Zweig

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Daten zur Person

Fri(e)derike Maria Zweig, * 4. Dezember 1882 Wien, † 18. Jänner 1971 Stamford (Connecticut, USA), Schriftstellerin, Essayistin, Übersetzerin, Pädagogin.

Biografie

Friderike Burger kam als jüngstes von sieben Kindern des Ehepaars Emanuel und Therese Burger (geborene Feigl) in Wien zur Welt. Die jüdischen Eltern stammten aus Böhmen und waren – wie etliche Landsleute – um 1870 in die Reichshauptstadt gekommen, wo der Vater eine bemerkenswerte Karriere in der Versicherungsbranche einschlug. Seiner Familie brachte dies sozialen Aufstieg und eine gewisse finanzielle Absicherung, die sich auch darin bemerkbar machte, dass man Friderike nach dem Tod ihrer älteren Schwester Maria Anna (1868–1879), die sich in der Volksschule mit Diphterie angesteckt hatte, nicht in eine öffentliche Anstalt gab, sondern dem Institut Luithlen anvertraute, einer privaten Mädchenschule. Teile ihres weiteren Bildungswegs sind indessen unklar. Der in ihrer Autobiographie „Spiegelungen des Lebens“ erwähnte Besuch eines Gymnasiums, womöglich der 1892 eröffneten Schule des Vereins für erweiterte Frauenbildung, ließ sich bis dato nicht verifizieren. Jedenfalls brachte sie die gymnasiale Ausbildung aufgrund einer schweren Masernerkrankung nicht zu Ende, was auch ein Studium an der Universität Wien verhinderte. Ein Besuch der Hochschule hätte aber auch die monetären Möglichkeiten des Vaters überstiegen. Stattdessen erhielt sie eine dreijährige Ausbildung an der k. k. Staats-Lehrerinnenbildungsanstalt (Hegelgasse 14), wo sie nicht nur Französisch lernte, sondern auch Pädagogik und Psychologie hörte. Wohl um 1902 begann Friderike Burger zu unterrichten. Zu dieser Zeit publizierte sie auch schon in Periodika eigene Texte und Übersetzungen aus dem Französischen. Der Tod ihres Vaters 1902 machte diese Erwerbstätigkeit notwendig. Nach eigener Auskunft wurde sie zudem von der Schwester ihrer Mutter, der Operettistin Emma Wohlgemuth, als Sekretärin angestellt. Unter ihrem Geburtsnamen Burger trat sie bald auch erstmals als Autorin auf die literarische Bühne. Der Band „Die Liebe ist die Gefahr des Einsamsten“ erschien 1904 bei C. W. Stern in Wien.

Am 26. April 1906 heiratete Friderike Burger den promovierten Finanzkonzipienten Felix Adolf Edler von Winternitz (1877–1950) in der Minoritenkirche zu Wien – beide waren zum Katholizismus konvertiert, sie erst im September 1905. Beide ließen sich in Döbling nieder, Kreindlgasse 17, unweit jener Privatschule, an der Friderike als Lehrkraft wirkte. Aus der Verbindung gingen zwei Töchter hervor: Alexia Elisabeth (1907–1986) sowie Susanna Benediktine (1910–1998). Ein Glücksfall für die angehende Autorin war ihr Schwiegervater Jakob von Winternitz (1843–1921), der als „Regierungsrath im literarischen Bureau des allerhöchsten Hauses und des Äussern“ mit dem literarischen Leben vertraut war und ihre Schreibversuche unterstützte. Die Ehe mit Felix von Winternitz erwies sich jedoch als nicht besonders glücklich und wurde nach allerlei Krisen 1914 geschieden. Zu jener Zeit war Friderike schon bekannt mit Stefan Zweig, ja mehr als das: Er war ein ganz wesentlicher Grund für die Scheidung. Erstmals begegnet war man einander 1908, zu einem Wiedersehen kam es vier Jahre später. Da Zweig in dieser Lebensphase mit dem Führen eines Tagebuchs begann, ist die Nachwelt über den Beginn der Beziehung – zumindest aus seiner Sicht – gut im Bilde. Dass Stefan Zweig ihrerseits am 23. September 1912 zum Hausbesuch eingeladen wurde, ist sicherlich ungewöhnlich. Mehr noch dürfte überraschen, was er seinem Diarium anvertraute: „Wie sie das sagte, es sei tragisch, die Kinder immer nur von einem Manne zu bekommen – wie kühn und edel das auszusprechen.“ Der Gatte, der zur Unzeit nach Hause kam, scheint über den Besuch nicht informiert gewesen zu sein: „Sie ist voll Takt; wie dann ihr Gatte kam, irgendwie peinlich berührt, was ich recht gut zu überwinden mich beeilte, kam’s wie kalte Luft ins Zimmer.“ Das nächste Treffen am 12. November 1912 fand dann folgerichtig in seiner Wohnung in der Kochgasse 8 statt. Inzwischen hatte Friderike Maria Winternitz die Wiener Uraufführung von Zweigs neuem Stück „Das Haus am Meer“ für das „Hamburger Fremdenblatt“ besprochen. Zur nahenden Inszenierung in der norddeutschen Metropole lud Zweig die Rezensentin im Gegenzug ein – Details dieser Tage hatte er notiert, allerdings fehlen die Seiten im Tagebuch. Am 21. Dezember 1912 schreibt Zweig: „Ich muß nur verhüten, daß es ganz ins Sexuelle niederstürze, was wirklich droht.“

Nach turbulenten Monaten versuchte Friederike Maria das Verhältnis zu Zweig „offiziell bekanntzumachen“ (Oliver Matuschek), was diesem jedoch nicht recht war, ja seine Mutter informierte Zweig erst nach mehr als sechs Jahren von seiner Liaison – da stand die Hochzeit kurz bevor. Doch schon im April 1916 bezog man in Kalksburg bei Rodaun zwei Rokoko-Pavillons (Haselbrunnerstraße 10), unweit gelegen vom Gasthaus Stelzer, in dem Zweig als Angehöriger des Kriegspressequartiers seinen Dienst tat. Und 1917 entdeckten sie während eines gemeinsamen Urlaubs in Salzburg das Paschinger-Schlössl am Kapuzinerberg, das am 27. Oktober 1917 erworben wurde. Kurz darauf begleitete Friderike ihren Partner nach Zürich: Zweig war vom Militärdienst beurlaubt worden, um Propagandaaufgaben in der neutralen Schweiz wahrzunehmen. Daneben konnte er die Uraufführung seines pazifistischen Stücks „Jeremias“ vorbereiten, das er im Druck Friderike Maria von Winternitz widmete – auch eine Form des öffentlichen Bekenntnisses. Als Zweigs Urlaub auslief, war es Friderike, die sich um eine Verlängerung seines Schweizaufenthalts kümmerte. Über ihre Verbindungen zu Ernst Martin Benedikt gelang die Akkreditierung Zweigs als Korrespondent für die Neue Freie Presse. Ihr Quartier nahmen beide im Hotel Belvoir in Rüschlikon am Zürich-See. Auch Friderike Winternitz nutzte die Zeit, um als Autorin voranzukommen. Sie arbeitete an einer Übersetzung von Jean-Jacques Rousseaus „Émile“ und an dem Roman „Vögelchen“. Zudem fungierte sie als Delegierte des „Allgemeinen Österreichischen Frauenvereins“, um einen Kongress in Zürich vorzubereiten. Allerdings verließ sie die Schweiz deutlich früher als Zweig, da sie es sich zur Aufgabe gemacht hatte, das heruntergewirtschaftete Gebäude in Salzburg wieder bewohnbar zu machen. Diese Aufgabe bestand sie mit Bravour, im Mai 1919 übersiedelte das Paar mit ihren beiden Töchtern aus erster Ehe ins Paschinger-Schlössl.

Auch der langwierige Kampf um die Eheschließung nahte sich dem Ende. Der Untergang des alten Österreich brachte eine Reform des Ehegesetzes mit sich, so dass auch Friderike Maria Winternitz als geschiedene Katholikin erneut heiraten konnte. Doch ein rechtes Happy End stellte die Trauung insofern nicht dar, als die Braut nicht anwesend sein konnte. Als die Ehe am 28. Jänner 1920 im Wiener Rathaus geschlossen wurde, fehlte Frau Winternitz und wurde durch Felix Braun vertreten. Da die Heirat überhaupt ohne weibliche Teilnehmer über die Bühne ging, erlaubte sich Zweig in seiner schriftlichen Einladung den Scherz, seine Gäste um „Beistand bei der homosexuellen Ceremonie“ zu bitten. Auch die frisch Getraute ließ sich auf diese Art von Humor ein, in dem sie Zweig tags darauf fragte, wie denn die Hochzeitsnacht verlaufen sei?

In den 1920er-Jahren trat Friderike Maria Zweig vor allem als Übersetzerin französischsprachiger Autoren auf den Plan. So übertrug sie von René Arcos „Das Gemeinsame“ (Leipzig 1920) und „Medardus“ (Leipzig 1930), von Anatole France „Das Leben der heiligen Johanna“ (Berlin 1926), von Théophile Gautier „Spirita“ (Hellerau bei Dresden 1926), von Edmond Jaloux „Dich hätte ich geliebt“ (Leipzig 1928), von Maurice Magre „Das Laster von Granada“ (München 1928) sowie von Émile Verhaeren „Fünf Erzählungen“ (Leipzig 1922) und „Der seltsame Handwerker“ (Leipzig 1923). Eigene Buchprojekte stellte sie vorläufig zurück.

Für die Ehe von Friderike Maria und Stefan Zweig sollten sich die zeithistorisch wichtigen Ereignisse als fatal erweisen. Insbesondere die polizeiliche Durchsuchung des Hauses in Salzburg Mitte Februar 1934, als die Exekutive vergeblich nach Waffen aus dem Besitz des Republikanischen Schutzbundes forschte, führte gleichsam über Nacht zu Zweigs Entschluss, seinen Wohnsitz ins Ausland, sprich nach London zu verlegen. Diese Flucht steht nicht nur für die politischen Gefahren jener Zeit, sondern durchaus auch für die inzwischen mehr oder weniger zerrüttete Ehe. Stefan Zweig wollte um jeden Preis sein Leben ändern, Friderike Maria Zweig wollte um jeden Preis am gemeinsamen Leben in Salzburg festhalten. Dies gelang nicht. Vielmehr stellte Zweig nach wenigen in London verbrachten Wochen die aus Deutschland geflohene Lotte Altmann als Sekretärin an. Seine Frau überraschte die beiden während eines gemeinsamen Aufenthalts in Nizza Ende 1934 in flagranti im Hotel. Vor seiner Abreise in die USA im Jänner 1935 überreichte Zweig seiner Frau einen Liebesbrief Lotte Altmanns, eine Geste, mit der er anscheinend Klarheit schaffen wollte, ohne das Thema offen diskutieren zu müssen. Vor der Scheidung reduzierte sich die Beziehung beider auf eine Art Rosenkrieg, die vor allem wirtschaftliche und finanzielle Fragen betraf. Die Ehe wurde am 22. November 1938 an ihrem letzten gemeinsamen Wohnsitz geschieden. Zweig hatte als Beklagter die alleinige Schuld am Scheitern der Ehe eingestanden. Ihren Nachnamen durfte Friderike Maria nach seinem Wunsch behalten. Das Haus Kapuzinerberg 5 war zu diesem Zeitpunkt längst geräumt, die geschiedene Gattin war in die Nonntaler Hauptstraße 49 in Salzburg gezogen. Das dortige Interieur und alle Papiere wurden jedoch nach dem Einmarsch von Hitlers Truppen im März 1938 von der Gestapo beschlagnahmt, alles ist bis heute verschollen. Die Hausherrin befand sich während des sogenannten Anschlusses in Paris, um für ihre Biographie über Louis Pasteur zu recherchieren. Via Spanien und Portugal emigrierte Friderike Maria Zweig Mitte Oktober 1939 mit einem Besuchervisum in die USA. Im Jahr darauf gab der „Reichsanzeiger“ mit Datum vom 5. Dezember 1940 ihre Ausbürgerung bekannt: „Zweig, Friderike Sara Maria, geb. Burger, gesch. Winternitz“. Sie wird als Nr. 171 gelistet. Eine Nummer zuvor ist ihr Ex-Mann aufgeführt. In den USA lässt sich Friderike Maria Zweig in unmittelbarer Nähe zu Stefan Zweig und Lotte Altmann nieder, die am 6. September 1939 im englischen Bath geheiratet hatten. So kann sich Zweig mit seiner Ex-Frau in der Endphase der Arbeit an „Die Welt von Gestern“ noch über das Buch austauschen, obwohl Friderike Maria als Person in seiner Autobiographie nicht erwähnt wird. Bis zu Stefan Zweigs Suizid am 23. Februar 1942 bleiben beide aber in freundschaftlichem brieflichen Austausch. Er bedenkt seine geschiedene Frau auch mit einem seiner Abschiedsbriefe.

Vor Ende des Krieges engagierte sich Friderike Maria Zweig für emigrierte Autorinnen und Autoren. Sie gründete das „Writers Service Centre“ in New York und arbeitete darüber hinaus als Literaturagentin. Nach 1945 wandte sie sich einerseits verstärkt eigenen literarischen Projekten zu. Und entdeckte andererseits die Möglichkeiten, die sich bieten, wenn sie in die vakante Rolle als Witwe des Weltautors Stefan Zweig schlüpft. So firmiert sie in ihrem Briefkopf unter der Adresse in Stamford, Connecticut, als „Friderika St. Zweig“. Selbst in ihrer US-Einbürgerungsurkunde vom 9. Juni 1948 heißt es in der Rubik Familienstand: „widow“ – was bei Lichte betrachtet juristisch nicht korrekt ist. Doch die Rolle als Witwe machte sie sich zur Lebensaufgabe. Mit ihren zahlreichen Büchern über Stefan Zweig, seien es Biographien, Bild- oder Briefbände, geht die heutige Forschung meist hart ins Gericht [vgl. Stefan-Zweig-Handbuch, S. 838f.]. Friderike Maria Zweig habe Dokumente manipuliert, Tatsachen verschleiert und häufig zensiert. Vielfach wurden ihr auch schlichte Falschaussagen nachgewiesen. Als lautere Quellen gelten ihre Beiträge daher nicht.

Friderike Maria Zweig starb am 18. Jänner 1971 in Stamford, Connecticut, USA.


Werke

  • Die Liebe ist die Gefahr des Einsamsten. Ein Beitrag zur Psychologie des Mädchens. Wien: Stern 1904.
  • Ruf der Heimat. Roman. Berlin, Leipzig: Schuster & Löffler 1914.
  • Vögelchen. Roman. Berlin, Wien: S. Fischer 1919.
  • Louis Pasteur. Bild des Lebens und des Werkes. Bern: Scherz 1939.
  • Stefan Zweig wie ich ihn erlebte. Stockholm, Zürich: Neuer Verlag 1947.
  • Wunder und Zeichen. Große Gestalten des Hochmittelalters. Esslingen: Bechtle 1949.
  • Erik Neergard und die Schwestern. Roman. Wien: Österreichische Buchgemeinschaft 1951.
  • Stefan Zweig. Eine Bildbiographie. München: Kindler 1961.
  • Spiegelungen des Lebens. Wien [u.a.]: Deutsch 1964.


Literatur

  • Friderike „Zweig“. Weibliche Intellektualität im frühen 20. Jahrhundert. Hg. von Deborah Holmes, Martina Wörgötter. Würzburg: Königshausen & Neumann 2023
  • Gregor Thuswaldner: Die Biografien. In: Stefan-Zweig-Handbuch. Hg von Arturo Larcati, Klemens Renoldner und Martina Wörgötter. Berlin, Boston: de Gruyter 2018, S. 835–845
  • Friderike Maria Zweig / Stefan Zweig: „Wenn einen Augenblick die Wolken weichen“. Briefwechsel 1912–1942. Hg. von Jeffrey B. Berlin und Gert Kerschbaumer. Frankfurt/M.: S. Fischer 2006
  • Oliver Matuschek: Stefan Zweig. Drei Leben, eine Biographie. Frankfurt/M.: S. Fischer 2006
  • Stefan Zweig: Tagebücher. [Hg., mit Anmerkungen und einer Nachbemerkung versehen von Knut Beck]. Frankfurt/M.: S. Fischer 1984 (= Gesammelte Werke in Einzelbänden)
  • Friderike Maria Zweig / Stefan Zweig: Unrast der Liebe. Ihr Leben und ihre Zeit im Spiegel ihres Briefwechsels. Bern [u.a.]: Scherz 1981
  • Lee van Dovski: Glückwunsch für Friderike Maria Zweig. Wien: Internationale Stefan-Zweig-Gesellschaft 1963
  • Liber amoricum Friderike Maria Zweig. In Honor of her Seventieth Birthday, December fourth nineteen hundred and fifty-two. Ed. by Harry Zohn. Foreword by George N. Shuster. Stamford, Connecticut: Dahl 1952
  • Friderike Maria Zweig / Stefan Zweig: Briefwechsel 1912–1942. Bern: Scherz 1951


Friderike Maria Zweig im Katalog der Wienbibliothek im Rathaus.

Weblinks