Oskar Katann
Oskar Katann, * 18. Jänner 1885 Wien, † 22. April 1967 Wien, Literaturwissenschaftler, Volksbildner, Bibliotheksdirektor.
Biografie
Oskar Katann, Sohn eines früh verstorbenen Postbeamten, besuchte das Jesuitenkollegium in Kalksburg und studierte an der Universität Wien Geschichte und deutsche Philologie. In der Literaturwissenschaft war er ein Schüler Jakob Minors, bei dem er auch dissertierte. 1909 promovierte er zum Doktor der Philosophie und trat ein Jahr später in den Dienst der Stadt Wien und wurde den Städtischen Sammlungen unter Direktor Eugen Probst) zugeteilt. Inzwischen Leiter der Handschriften-Abteilung der Stadtbibliothek geworden, war Katann nach der Pensionierung Hermann Reuthers 1936 bis 1938 Direktor der aus Stadtbibliothek und dem Historischen Museum der Stadt Wien bestehenden organisatorischen Einheit.
Von den Nationalsozialisten 1938 zwangspensioniert, widmete er sich bis 1945 privaten Studien und wissenschaftlichen Veröffentlichungen. Nach dem Zweiten Weltkrieg übernahm Katann bereits im April 1945 wieder die Leitung der Stadtbibliothek, kümmerte sich um die Rückführung verlagerter Bestände und konnte die Bibliothek im November 1945 wieder der öffentlichen Benutzung übergeben. Mit 30. August 1950 trat er in den Ruhestand. Obwohl Katanns Schwerpunkte in der Stadtbibliothek lagen, suchte er auch das Historische Museum der Stadt Wien zu einem Zentrum der Kultur- und Stadtforschung zu machen. In seiner ersten Direktionszeit kam es zur Kommunalisierung der ehemaligen Arbeiterbüchereien; in seiner zweiten Amtszeit machte er sich um den Wiederaufbau der Bibliothek verdient, die bereits im Herbst 1945 wieder öffentlich zugänglich war.
Neben seiner Tätigkeit im öffentlichen Dienst war Katann mehr als 50 Jahre hindurch als wissenschaftlicher Schriftsteller und Vortragender rege tätig. Seine katholische Welt- und Lebensauffassung, sein tiefes Verständnis für die sozialen Fragen der Gegenwart und seine umfassende philosophische Bildung ließen eine Vielzahl von Arbeiten entstehen, die ihn zu einem der führenden katholischen Intellektuellen seiner Zeit machten. Die literarischen Arbeiten "Ästhetisch literarische Arbeiten" (1918), "Dichtung und Leben. Gedanken zur Erneuerung der Literatur" (1923), "Gesetz im Wandel. Neue literarische Studien" (1932), "Katholische Literaturbetrachtung. Wesen und Genesis" (1934) und "Aufgaben des positiven Katholizismus auf literarischem Gebiet" (1935) zeugen von umfassender Kenntnis, Wertgefühl und Toleranz. Die philosophischen Arbeiten "Ästhetik und Pädagogik" (1933) und "Die christlichen Charakterwerte" (1947) stellen eine Einführung in die geistige Welt des modernen Katholizismus dar. Als Frucht seiner antinationalsozialistischen Haltung erschien im Jahre 1947 eine Auseinandersetzung mit den Irrlehren des Rassismus unter dem Titel "Rasse und Religion".
Darüber hinaus war Katann von 1921 bis 1923 als Vortragender und Generalsekretär an der Katholischen Volkshochschule tätig; von 1924 bis 1938 redigierte er die Schriften der Leo-Gesellschaft, einer Vereinigung katholischer Intellektueller.
Literatur
- Christian Mertens: Die Wiener Stadtbibliothek 1938-1956. In: Julia Danielczyk / Sylvia Mattl-Wurm / Christian Mertens [Hg.]: Das Gedächtnis der Stadt. 150 Jahre Wienbibliothek im Rathaus. Wien / München: Verlag für Geschichte und Politik [u.a.] 2006, S. 171-220
- Christian Mertens: Die Wienbibliothek in der NS-Zeit. In: Stefan Alker / Christina Köstner / Markus Stumpf [Hg.]: Bibliotheken in der NS-Zeit. Provenienzforschung und Bibliotheksgeschichte. Göttingen: V&R Unipress 2008, S. 221-235
- Wienbibliothek im Rathaus/Tagblattarchiv: Katann, Oskar [Sign.: TP-024515]