Splitterschutzdeckungsgraben
Je länger der Zweite Weltkrieg dauerte, umso mehr war die Baustoffknappheit überall zu spüren. Weitere wirklich bombensichere Luftschutzbunker beziehungsweise Luftschutzräume zu bauen, blieb ein fragwürdiges Unterfangen. 1943 wurden in etlichen Parkanlagen die notdürftigen Splitterschutzdeckungsgräben ausgehoben, die nur Schutz gegen Splitter boten konnten. Wurden diese Schutzbauten direkt durch Bomben getroffen, stürzten sie in sich zusammen. Diese Anlagen waren aus einzelnen vorgefertigten Betonsegmenten zusammengefügt, im Zick-Zack angelegt und etwa zwei Meter tief in einen ausgehobenen Graben gesetzt. Darüber war eine Betondecke ohne Stahlarmierung gewölbt. Die Rohbauten, in denen elektrisches Licht eingeleitet und Toiletten installiert waren, wurden von der Bevölkerung nicht gerne aufgesucht, wenn nicht gar gemieden. Viele der Splitterschutzdeckungsgräben, bei denen laut Planvorgaben auch obligatorische Gasschleusen (gegen Kampfstoffe) einzubauen waren, wurden gar nicht gebaut.[1]
Das Neue Wiener Tagblatt berichtete am 26. Oktober 1943: "Im Oktober 1943 wurden in den 10 Kreisen des Gaues Wien in mindestens 200.000 Arbeitsstunden viele Dutzende von Splittergräben ausgehoben." Dass diese Anlagen zu regelrechte Todesfallen werden konnten, wurde verschwiegen. In der Zeitung wurde prahlerisch verkündet, dass "freiwillige Studenten" beim Bau eingesetzt wurden; in Wirklichkeit wurden vornehmlich Fremd- und Zwangsarbeiter dazu herangezogen. In der Fotosammlung Gerlach im Wiener Stadt- und Landesarchiv finden sich Fotos der Bauarbeiten.[2]
Diese primitiven Schutzbauwerke, wurden vielfach auch auf Geländen von kriegswichtigen Betrieben errichtet.
Im Verwaltungsbericht der Stadt Wien wird über die Beseitigung dieser speziellen Anlagen festgehalten: "In den Jahren 1945 bis Ende 1947 wurden von 176 erbauten Splitterschutzgräben 52 abgetragen. Diese teilen sich wie folgt auf: 45 auf öffentlichen Grundstücken, 2 auf öffentlichen Verkehrsflächen und 5 auf Eigengründen der Stadt Wien. Noch abzutragen wären 124 Splitterschutzgräben, von welchen 22 auf öffentlichen Grundflächen, 19 auf öffentlichen Verkehrsflächen, 41 auf Eigengründen der Gemeinde Wien, 12 auf Gründen anderer öffentlicher Körperschaften und 30 auf privaten Grundstücken liegen."[3]
Bei Bauarbeiten werden noch heute gelegentlich Splitterschutzdeckungsgraben angeschnitten; so 2006 im Zuge der Neubaustrecke des neuen Hauptbahnhofs in der Landgutgasse (10. Bezirk). Bevor dieses Werk abgerissen wurde, konnte es noch archäologisch erfasst werden.
Referenzen
- ↑ Siehe Beispiele im Wiener Stadt- und Landesarchiv, Kartographische Sammlung.
- ↑ Wiener Stadt- und Landesarchiv, Fotosammlung Gerlach, FC1 - Positive: 9700-9900. In rund 100 Fotos, aufgenommen im Oktober/November 1944, ist der Bau dieser Splitterschutzdeckungsgräben dokumentiert.
- ↑ Die Verwaltung der Bundeshauptstadt Wien 1945-1947. Wien: Eigenverlag 1949, S. 246.