Trivialschule
Die Allgemeine Schulordnung (1774) definierte den neuen Schultyp der Trivialschule, die Vorläuferin der Grund- beziehungsweise Volksschule. Der Name des Schultyps leitet sich vom "Trivium", den drei Kulturtechniken Lesen, Schreiben und Rechnen ab. In der sechsjährigen Trivialschule lernten die Kinder biblische Geschichte und Sittenlehre, "Buchstabenkennen", Buchstabieren, Lesen geschriebener und gedruckter Sachen, die Kurrentschrift, die vier Spezies, die vier Grundrechenarten und die einfache Schlussrechnung. Grundlegend war die Abkehr vom Einzelunterricht und das damit verbundene gemeinsame Unterrichten und Lesen unter Einbeziehung der ganzen Klasse. Unterrichtet wurde in der Regel koedukativ, wobei Mädchen und Buben allerdings in getrennten Teilen der Klassenzimmer saßen. Die Schulbücher wurden vereinheitlicht. Die Trivialschulen befanden sich anfänglich ausschließlich in den Vorstädten.[1] Eine Mustertrivialschule wurde im Vorort Penzing geführt.
Im Jahr 1780 bestanden in Wien zwar schon 76 öffentliche Trivialschulen, doch litt das Pflichtschulwesen noch unter erheblichen Mängeln. Fast die Hälfte der Kinder besuchten die Trivialschulen nur ein bis zwei Jahre. Unterrichtet wurde von "Gehilfen", die lediglich einen sechs- bis neunmonatigen Kurs in der Hauptschule des Piaristenordens beziehungsweise der Ursulinen in der Normalschule St. Anna zu absolvieren hatten.
Da die Schulklassen in der Regel 70-80, in den Vorstädten und Vororten auch 100 Kinder pro Klasse umfassten, war eine intensivere Hinwendung zum einzelnen Kind praktisch unmöglich. Eine gewisse Verbesserung des Schulbesuchs erzielte Kaiser Joseph II. durch Einführung des unentgeltlichen Unterrichts mit Ausnahme von Kindern vermögender Eltern.
Unter Kaiser Franz II. (I.) erhielt das Elementarschulwesen eine ausgeprägt konservative Ausrichtung. Die Trivialschulen sollten definitiv nicht zur Vorbereitung auf den Übertritt in eine höhere Schule ausgerichtet sein. Lediglich das Lesen und Schreiben in der lateinischen Schrift in der dritten Klasse machte darin eine Ausnahme. Als Leistungsanreiz erhielten die besten Schülerinnen und Schüler Buchprämien.[2]
1829 betrug die Zahl der Trivialschulen für Knaben und Mädchen 62 (teilweise nur einklassig), die der städtischen und konfessionellen Mädchenschulen 29. Im Jahr 1848 standen 53 städtisch geführten Trivialschulen für Knaben und Mädchen neun Pfarrtrivialschulen und vier Trivialschulen für Mädchen gegenüber.[3] Nach 1848 kam es zu einer Trennung von Mädchen- und Knabenschulen. Abgesehen von der unbefriedigenden Ausbildung der Lehrpersonen blieben die hohen Schülerzahlen - über hundert pro Klasse - ein dauerhaftes, die Qualität des Unterrichts beschränkendes Problem. Auch die Dominanz der religiösen Erziehung blieb bestehen. Der Begriff Trivialschule wurde im Reichsvolksschulgesetz vom 14. Mai 1869 durch die Bezeichnung "allgemeine Volksschule" abgelöst, letztere als interkonfessioneller Schultyp geführt.
Literatur
- Ernst Gerhard Eder: Schüler/innen, Schulen und Bildungspolitiken seit 1770. In: Andreas Weigl / Peter Eigner / Ernst Gerhard Eder [Hg.]: Sozialgeschichte Wiens 1740-2010. Soziale und ökonomische Ungleichheiten, Wanderungsbewegungen, Hof, Bürokratie, Schule, Theater. Innsbruck / Wien / Bozen: StudienVerlag 2015 (Geschichte der Stadt Wien, 8), S. 585-780
- Helmut Engelbrecht: Geschichte des österreichischen Bildungswesens. Band 3. Wien: Österreichischer Bundesverlag 1984
- Anton Mayer: Geschichte der geistigen Cultur in Niederösterreich von der ältesten Zeit bis in die Gegenwart. Ein Beitrag zu einer Geschichte der geistigen Cultur im Südosten Deutschlands. Band 1. Wien: W. Seidel & Sohn 1878
Einzelnachweise
- ↑ Anton Mayer: Geschichte der geistigen Cultur in Niederösterreich von der ältesten Zeit bis in die Gegenwart. Ein Beitrag zu einer Geschichte der geistigen Cultur im Südosten Deutschlands. Band 1. Wien: W. Seidel & Sohn 1878, S. 115.
- ↑ Helmut Engelbrecht: Geschichte des österreichischen Bildungswesens. Band 3. Wien: Österreichischer Bundesverlag 1984, S. 238.
- ↑ Ernst Gerhard Eder: Schüler/innen, Schulen und Bildungspolitiken seit 1770. In: Andreas Weigl / Peter Eigner / Ernst Gerhard Eder [Hg.]: Sozialgeschichte Wiens 1740-2010. Soziale und ökonomische Ungleichheiten, Wanderungsbewegungen, Hof, Bürokratie, Schule, Theater. Innsbruck / Wien / Bozen: StudienVerlag 2015 (Geschichte der Stadt Wien, 8), S. 606, S. 613, S. 615.