Annakloster
48° 12' 16.52" N, 16° 22' 17.25" E zur Karte im Wien Kulturgut
Annakloster (St. Anna; 1., Annagasse 3-3A, Johannesgasse 4-4A; Kirche: Annagasse 3B Annakirche; Konskriptionsnummer 980).
Der Gebäudekomplex von St. Anna umfasste zum Zeitpunkt seiner größten Ausdehnung neben dem Pilgramhaus (1., Kärntner Straße 37, Johannesgasse 4) die heutigen Gebäude Johannesgasse 4A sowie Annagasse 3 und 3A (Kirche: 3B) und wurde 1886 abgebrochen (Konskriptionsnummer 980), um dem Annenhof Platz zu machen. In der Annagasse befand sich 1618 (Nummer 3) das Haus des Graner Erzbischofs Péter Pázmány zur Unterbringung der von ihm gegründeten Höheren Bildungsschule für den ungarischen Klerus. Die Schule übersiedelte bereits 1625 in die Lilienburse (die Pázmány von den Jesuiten gekauft hatte). 1627 wurde in der Annagasse (nachdem Ferdinand II. das Haus von Pázmány gekauft hatte) das Noviziathaus der Jesuiten eröffnet. Benachbart (heute Nummer 3A) befand sich um 1320 ein der Annakapelle (Nummer 3B; Annakirche) angeschlossenes Pilgerspital.
Clarissen
1531 (nach der sogenannten Ersten Türkenbelagerung) wurde das Haus den Clarissen übergeben, die ihr bisheriges Kloster (Klarakloster) dem Bürgerspital (siehe auch Bürgerspital (Haupthaus)) hatten überlassen müssen. Als sie das Haus am 27. März 1531 in Besitz nahmen, bestand der Konvent noch aus 16 Nonnen. Danach sank die ihre Zahl beständig: Bei einer Visitation im Jahr 1544 wurden zehn Nonnen angetroffen. 1557 war ihrer Zahl auf fünf gesunken, 1566 auf drei und 1570 lebte nur noch die Äbtissin Regina Halbpeyr im Haus. Da alle Versuche, neue Ordensleute zu gewinnen, fehlschlugen, musste eine andere Verwendung ins Auge gefasst werden konnte (die Äbtissin übersiedelte 1570 ins Kloster St. Jakob auf der Hülben, wo sie bald darauf starb). In den verwaisten Gebäuden von St. Anna wurde nun eine provisorische Administration eingerichtet und das Klostergebäude 1572 dem Rat und Reichshofratssecretarius Andreas Erstenberger zur freien Benutzung übergeben. Das "Zuehäusl" in der Johannesstraße hingegen wurde dem ehemaligen Hofkurier Peter Krobath als Wohnung überlassen. Die Behauptung, dass das Kloster in den Besitz der Stephansritter gekommen sei, ist jedoch unrichtig.
Jesuiten
Schon im März 1573 ließ Kaiser Maximilian II. den Jesuiten die gesamten Einkünfte aus dem Gebäude zukommen. Diese Zuwendung war jedoch zunächst auf zwei Jahre bregrenzt. Nur neun Monate später wurde dies auf unbestimmte Zeit abgeändert, wobei die Klausel hinzugefügt wurde, dass der Kaiser die Schenkung jederzeit widerrufen könne. Wenig später wollte Elisabeth, die Schwester Rudolfs II. und Witwe Karls IX. von Frankreich, erneut Clarissen nach Wien holen und ihnen das Kloster St. Anna übergeben, doch wurde der Plan wieder fallen gelassen und stattdessen das Königinkloster in der Dorotheergasse gegründet. Die Jesuiten nutzten die Vorgänge, um Rudolf II. mit größerem Nachdruck um die Schenkung des Annaklosters zu bitten, da ihr Kollegium "Am Hof" an "Personen bey der schul und in der Kirchen dermassen zuegenommen" habe, dass sie bisweilen nicht des lieben Brotes genug hätten.
Am 7. Oktober 1581 erschien nach vorausgegangener päpstlicher Bewilligung das kaiserliche Dekret, wonach die gesamten Güter von St. Anna für immer dem Jesuitenkollegium übergeben werden sollten (vorerst nur ein Teil von Annagasse 3A). Im Jahr 1582 erhielten sie das Haus, in dem Erstenberger gelebt hatte (Rest von Annagasse 3A) und 1592 (nach dem Tod von Krobath und seiner Gattin) auch das "Zuehäusl" in der Johannesgasse (Johannesgasse 4).
In der Folgezeit diente es den Jesuiten als Zinshaus. Die Mieter waren prominente Persönlichkeiten wie der Erzbischof von Kalocsa, Georg Draskovich, Niklas Pálffy, Erzbischof Kutlassy von Gran oder Erzbischof Stephan Szuhay von Agram. Im Jahr 1600 wurden hier für einige Monate die vom Kaiser nach Wien berufenen Kapuziner untergebracht. Verhandlungen mit dem Kaiser, der das Haus ankaufen wollte, scheiterten am Preis von 8.000 Gulden, obwohl dieser 2.000 Gulden unter dem Schätzwert lag. 1612 veräußerten die Jesuiten das Haus in der Kärntner Straße (Haus Stadt 982, Kärntner Straße 37) an Dr. Curtius, von dem es in den Besitz des Johanniterordens, der hier den Garten zum benachbarten Johanneshof (Stadt 981; Kärntner Straße 35) anlegte.
1627 erfolgte die Umgestaltung zum Noviziathaus der Societas Jesu, in das auch der in der Johannesgasse gelegene Nordtrakt miteinbezogen wurde. Nachdem der Orden 1773 aufgelöst worden war, wurde eine neue Verwendung für das Klostergebäude gesucht und als Schule gefunden.
Schule
Am 23. Dezember 1774 zogen die Normalschule von St. Stephan (seit 1805 "Normal- und Hauptschule zu St. Anna", seit 1870 Lehrerbildungsanstalt) und die "Realhandlungsakademie" ein (Nummer 3B; Ausbildungsstätte Schuberts, Wirkungsstätte seines Bruders Ferdinand), weiters ein durch den Zusammenschluss von sechs älteren Lateinschulen gebildetes Gymnasium, am 24. Jänner 1775 die Bossier-, Zeichnungs- und Gravierschule, am 25. März 1775 die Orientalische Akademie, am 24. April 1786 die Akademie der bildenden Künste (gleichzeitig übersiedelte die Orientalische Akademie ins ehemalige Kloster St. Jakob auf der Hülben). 1813 fand die erste Kunstausstellung statt. 1807 wurde das Gymnasium ins Schottenstift verlegt (Schottengymnasium), die Realhandlungsakademie 1818 aufgelassen und mit dem 1815 gegründeten Polytechnikum vereinigt, sodass schließlich die Akademie der bildende Künste das Haus allein benützte (bis sie 1877 in den Neubau am Schillerplatz übersiedelte).
In den Kellerräumlichkeiten an der Johannesgasse wurde 1840 das "Neue Elysium" eröffnet. Im Hof, der an die Kirche grenzte, befand sich der sogenannte "Zaunerstadel", in dem Franz Anton Zauner (1746-1822) sein Atelier einrichtete und in dem er das Reitermodell Kaiser Josephs II. für den Josefsplatz modellierte.
Nachfolgebauten
1886/1887 wurde das ehemalige Klostergebäude abgetragen. Auf seiner Fläche entstanden der Annenhof (Annagasse 3-3A), das Kaufmännische Vereinshaus (Johannesgasse 4) und das Doppelhaus Johannesgasse 4A (bis 1940 4A-B), das ab 1925 die Radio Verkehrsarbeitsgemeinschaft (RAVAG) beherbergte und in dem seit 1938 das Konservatorium der Stadt Wien (heute Musik und Kunst Privatuniversität der Stadt Wien) untergebracht ist.
Gewerbe und Firmen innerhalb des Hauses im Laufe der Jahre
Literatur
- Kurt Dieman-Dichtl: Musik in Wien. Wien [u.a.]: Molden 1970, Register
- Paul Harrer-Lucienfeld: Wien, seine Häuser, Menschen und Kultur. Band 5, 2. Teil. Wien ²1956 (Manuskript im WStLA), S. 279 f. (Lageskizze: Paul Harrer-Lucienfeld, S. 279), 308-310 und 313 (Zaunerstadel)
- Richard Perger / Walther Brauneis: Die mittelalterlichen Kirchen und Klöster Wiens. Wien [u.a.]: Zsolnay 1977 (Wiener Geschichtsbücher, 19/20), S. 252 ff.