Vera Ferra-Mikura
Vera Ferra-Mikura, * 14. Februar 1923 Wien, † 9. März 1997 Wien, Schriftstellerin, Lyrikerin, Kinder- und Jugendbuchautorin.
Biografie
Die Tochter von Maria Ferra, geborene Fleischl (1893 bis 1982) und Raimund Ferra ((1887 bis 941) wuchs in einem sozialdemokratisch geprägten Elternhaus auf, in dem Bildung und Literatur trotz der einfachen Verhältnisse eine große Rolle spielten. Da ihr Vater aufgrund einer Kriegsverletzung seinen Beruf als Bäcker nicht länger ausüben konnte, führten die Eltern eine Tierfutter- und Vogelhandlung. Raimund Ferra schrieb auch Gedichte und Fachartikel zur Vogelzucht. Der ältere Bruder Raimund Gregor Ferra (später auch: Raimund Gregor Ferra-Villaintour) (1920–1995) war ein Grafiker und Mitbegründer der Wiener Schule des Phantastischen Realismus. Er entwarf einige Buchumschläge und ein Exlibris für seine Schwester.
Vera Ferra-Mikura besuchte die Volks- und Hauptschule und absolvierte verschiedene Weiterbildungsangebote, wie etwa einen Maschinschreibkurs für Kinder an der Urania oder einen Abendkurs für Stenotypie an der Handelsakademie. Schon während der Schulzeit schrieb sie Gedichte, Fabeln und Kurzgeschichten. In beruflicher Hinsicht war sie vielseitig aufgestellt: Sie arbeitete in der Vogel- und Tierfutterhandlung der Eltern ebenso wie in einem Wiener Warenhaus. Während des Zweiten Weltkriegs war sie Stenotypistin in einem Architekturbüro. Nach Kriegsende arbeitete sie eine Zeit lang als Erntehelferin in der Wachau. Danach fand sie eine Anstellung als Redaktionssekretärin und Lektorin im Festungs-Verlag (Salzburg/Wien), der auch ihre ersten Bücher herausbrachte. Erfolge feierte sie zunächst als Lyrikerin und Erzählerin im Bereich der Erwachsenenliteratur. Parallel dazu schrieb sie aber auch Kinder- und Jugendliteratur, der sie denselben Stellenwert beimaß. In der von Otto Basil herausgegebenen Zeitschrift "Plan" wurde sie 1946 unter ihrem Geburtsnamen Gertrud Ferra als Nachwuchstalent vorgestellt und einige ihrer Gedichte abgedruckt. Im selben Jahr erschien der Lyrikband "Melodie am Morgen", im Jahr darauf ihr einziger Roman für Erwachsene "Die Sackgasse" sowie das Kinder- und Jugendbuch "Der Märchenwebstuhl".
Ab 1948 war Vera Ferra mit Ludwig Mikura, einem Mitglied des Wiener Staatsopernballetts verheiratet. Die gemeinsame Tochter Elisabeth kam 1948 zur Welt, Sohn Wolfgang folgte 1952. Nach der Eheschließung war Vera Ferra-Mikura als freie Schriftstellerin tätig. Ihr Œuvre umfasst Lyrik, Hörspiele, Romane, Erzählungen, Kurzprosa und Haiku. Unter den Pseudonymen Veronika Erben und Andreas Krokus publizierte sie vor allem in der Nachkriegszeit regelmäßig im "Simplicissimus" und gehörte dort zu den kritischen Stimmen. Große Bekanntheit erlangte sie allerdings mit ihren Kinder- und Jugendbüchern – allen voran den "Stanisläusen" –, die in viele Sprachen übersetzt und mehrmals neu aufgelegt wurden. Mit ihren fantastischen und surrealen Erzählungen gab sie der österreichischen Kinder- und Jugendliteratur neue Impulse.
Vera Ferra-Mikura pflegte Freundschaften zu vielen ihrer Schriftstellerkolleginnen und -kollegen, die sie auch zu "literarischen Abenden" nach Hause einlud. Vor allem mit Friedl Hofbauer, Käthe Recheis sowie Brigitte und Wilhelm Meissel war sie freundschaftlich verbunden. Kontakt pflegte sich aber auch zu H. C. Artmann, Ernst Schönwiese, Oskar Jan Tauschinski, Winfried Bruckner, Christine Busta, Lene Mayer-Skumanz und vielen anderen mehr. Sie war Mitglied in mehreren Fachvereinigungen.
Anlässlich der Verabschiedung von Friedl Hofbauer auf dem Zentralfriedhof würdigte der Schriftsteller Erich Hackl Mira Lobe, Vera Ferra-Mikura und Friedl Hofbauer als das "antifaschistische Dreigestirn", dem sich der Aufschwung der österreichischen Kinderliteratur in der Nachkriegszeit verdanke.
Werke der Kinder- und Jugendliteratur (Auswahl)
- Vera Ferra-Mikura: Der Käferspiegel. Wien / Salzburg: Festungs-Verlag 1946
- Vera Ferra-Mikura: Der Märchenwebstuhl. Wien / Salzburg: Festungs-Verlag 1947
- Vera Ferra-Mikura: Bürgermeister Persil. Wien: Jungbrunnen 1952
- Vera Ferra-Mikura: Zaubermeister Opequeh. Wien: Jungbrunnen 1956
- Vera Ferra-Mikura: Der alte und der junge und der kleine Stanislaus. Wien: Jungbrunnen 1962
- Vera Ferra-Mikura: Zwölf Leute sind kein Dutzend. Wien: Jungbrunnen 1962
- Vera Ferra-Mikura: Unsere drei Stanisläuse. Wien: Jungbrunnen 1963
- Vera Ferra-Mikura: Besuch bei den drei Stanisläusen. Wien: Jungbrunnen 1964
- Vera Ferra-Mikura: Die Mäuse der drei Stanisläuse. Wien: Jungbrunnen 1965
- Vera Ferra-Mikura: Gute Fahrt, Herr Pfefferkorn. Wien: Jungbrunnen 1967
- Vera Ferra-Mikura: Alles Gute, kleiner Stanislaus. Wien: Jungbrunnen 1974
- Vera Ferra-Mikura: Meine Kuh trägt himmelblaue Socken. Wien: Jungbrunnen 1975
- Vera Ferra-Mikura: Die Oma gibt dem Meer die Hand. Wien: Jungbrunnen 1982
- Vera Ferra-Mikura: "Veronika!", "Veronika!", "Veronika!" rufen die drei Stanisläuse. Wien: Jungbrunnen 1995
Quellen
Literatur
- Ilse Korotin [Hg.]: biografiA. Lexikon österreichischer Frauen. Band 1: A–H. Wien / Köln / Weimar: Böhlau 2016, S. 807 f.
- Susanne Blumesberger [Hg.]: Friedl Hofbauer (1924–2014). In: Libri liberorum, Sonderheft 1, Jg. 16 (2015) (darin abgedruckt die Trauerrede von Erich Hackl)
- Susanne Blumesberger: Handbuch der österreichischen Kinder- und Jugendbuchautorinnen. Band 1. Wien / Köln / Weimar: Böhlau 2014, S. 284–296
- KinderundJugendmedien.de: Susanne Blumesberger: Ferra-Mikura, Vera, 21.06.2013 [Stand: 24.05.2022]
- Susanne Blumesberger: "Schreib in den Dunst". Vera Ferra-Mikuras literarische Aufmüpfigkeit. In: Frauen schreiben gegen Hindernisse. Zu den Wechselwirkungen von Biografie und Schreiben im weiblichen Lebenszusammenhang. Band 2. Hg. von Susanne Blumesberger. Wien: Edition Praesens 2010, S. 113–140
- Christa Gürtler: Schriftstellerinnen am Rand mittendrin? Zum Beispiel Vera Ferra-Mikura. In: Im Keller. Der Untergrund des literarischen Aufbruchs um 1950. Hg. von Evelyne Polt-Heinzl / Daniela Strigl. Wien: Sonderzahl-Verlag 2006, S. 78–96
- libri liberorum. Mitteilungen der Österreichischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendliteraturforschung. Sonderheft März 2003: Vera Ferra-Mikura (1923–1997) [Stand: 24.05.2022]
Vera Ferra-Mikura im Katalog der Wienbibliothek im Rathaus.