Viktor Fadrus (Vater)
Viktor Fadrus, * 20. Juli 1884 Wien, † 23. Juni 1968 Villach, Pädagoge, Schulpolitiker (enger Mitarbeiter Otto Glöckels), Schriftsteller.
Biografie
Viktor Fadrus besuchte von 1898 bis 1903 das Lehrerseminar in Wiener Neustadt (Reifeprüfung 1903) und war anschließend (bis 1909) Lehrer und Erzieher am k. k. Taubstummeninstitut. 1909 wurde er zum Übungsschullehrer an der Staatslehrerbildungsanstalt in Oberhollabrunn ernannt, 1911/1912 war er in gleicher Eigenschaft an der Staatslehrerbildungsanstalt Wien 3 (der ältesten Österreichs) tätig.
Fadrus gehörte zu den Wegbereitern für eine pädagogische Praxis im Sinne der Arbeitsschule, des heimatlichen Gesamtunterrichts und der Kunsterziehung. Angeregt durch die Werke Adalbert Stifters unternahm er Wanderungen zwischen Wien und dem Böhmerwald sowie 1904 eine Reise nach Deutschland und an die Adria. Von 1905 bis 1909 besuchte er Vorlesungen aus Pädagogik, Deutsch, Geographie und Geschichte an der Landes-Lehrerakademie in Wien; Zugang zu wissenschaftlicher Arbeit fand er durch seinen Freund und Förderer Anton Becker.
Am 20. November 1918 wurde Fadrus durch Staatssekretär Rafael Pacher ins Unterrichtsministerium berufen (Abfassung von Schulbüchern); im März 1919 wurde er von Glöckel gemeinsam mit Eduard Martinak mit der Demokratisierung und Reformierung des gesamten Pflichtschul- und Mittelschulwesens betraut (Einrichtung von zwei Schulreformabteilungen) und damit bis 1932 für die Realisierung der sozialdemokratischen Schulreform verantwortlich (intensive Vortragstätigkeit in ganz Österreich, führender Fachmann während der praktischen Erprobung der Reformentwürfe, Mitglied des Stadtschulrats für Wien, Leiter der Reformabteilung für Volksschulen, Leiter der Lehrplanberatungen, Mitglied im Hauptausschuss der Versuchsklassenlehrer, Leiter der sechs großen Lehrerfortbildungskurse); ab 1922 leitete Fadrus gemeinsam mit Karl Linke auch die Monatszeitschrift "Schulreform", außerdem gab er mit Ludwig Battista und Eduard Burger die Bücherreihe "Lehrerbücherei" (84 Bände), mit Linke die "Schulreformbücherei" und mit Charlotte Bühler "Wiener Arbeiten zur pädagogischen Psychologie" heraus. Nach der Auflösung der Landes-Lehrerakademie wurde Fadrus von Bürgermeister Karl Seitz mit der Einrichtung des Pädagogischen Instituts (Lehrerfortbildung) beauftragt (Direktor 1922 bis 1934; Einrichtung der Pädagogischen Zentralbücherei, einer achtklassigen Institutsschule und viersemestriger hochschulmäßiger Lehrerbildungskurse [1925 bis 1930]).
Auf seine Anregung hin wurden die ehemaligen Militärunterrealschulen und Militärakademien in Breitensee, Traiskirchen, Wiener Neustadt und Judenau in Bundeserziehungsanstalten umgewandelt. Als wissenschaftlicher Leiter des von der Gemeinde Wien über seine Anregung gegründeten "Verlags für Jugend & Volk" war er an dessen Lehrbuchproduktion (unentgeltliche Schulbücher für Wiener Pflichtschüler) maßgeblich beteiligt (unter seiner Betreuung erschienen über 400 Lehrbücher).
Wegen seiner demokratischen Gesinnung weitgehend seiner Kompetenzen beraubt, wurde er am 1. Jänner 1933 vom Unterrichtsministerium (ab 1925 Ministerialrat) zum Stadtschulrat für Wien versetzt und mit der Funktion eines Landesschulinspektors betraut. Im Februar 1934 außer Dienst gestellt und mit 31. Mai 1934 in den Ruhestand versetzt, lebte er 1934 bis 1944 in Zurückgezogenheit (1936 Dr. phil.), wurde 1944 jedoch zum Kriegsdienst eingezogen.
Von 1945 bis 1949 war Fadrus, der zu den bedeutendsten österreichischen Pädagogen zu zählen ist, mit dem Wiederaufbau des österreichischen Schulwesens betraut (Sektionschef); nach seiner Pensionierung nahm er weiterhin regen Anteil an pädagogischen Kongressen, Schulausstellungen und Lehrplanberatungen. Neben ehrenamtlichen Funktionen (Vorstand der "Wiener Pädagogischen Gesellschaft" und des "Reichsvereins österreichischer Lehrerbildner", Mitarbeiter der "Geographischen Gesellschaft", des "Vereins für Landeskunde von Wien und Niederösterreich" und des "Wiener Schubertbunds", Kuratoriumsmitglied des "Instituts für Wissenschaft und Kunst") veröffentlichte er zahlreiche Arbeiten zur Schul- und Bildungspolitik, gehörte zu den Mitarbeitern an Lexika und gab Zeitschriften ("Schulreform", "Volkserziehung") sowie Jugendschriften heraus. 1959 erhielt er für seine Verdienste die Ehrenmedaille der Stadt Wien.
Viktor Fadrus heiratete seine erste Gattin Anna Schererbauer im Jahr 1910, der gemeinsame Sohn war der Pädagoge Viktor Fadrus (Sohn). Viktor Fadrus starb am 23. Juni 1968 in Villach und wurde am Villacher Stadtfriedhof bestattet.
Quellen
- Rathaus-Korrespondenz, 16.07.1954
- Rathaus-Korrespondenz, 18.07.1964
- Rathaus-Korrespondenz, 25.06.1968
- Wienbibliothek im Rathaus: Sammlung Viktor Fadrus
- Wienbibliothek Digital: Viktor Fadrus
Literatur
- Renate Seebauer: Lehrerbildung in Porträts. Von der Normalschule bis zur Gegenwart. Wien [u.a.]: LIT 2011
- Viktor Fadrus - Vater und Sohn - im Dienste der österreichischen Reformpädagogik im 20. Jahrhundert. Beiträge zur österreichischen Schulgeschichte mit Berücksichtigung des kunstpädagogischen Aspekts. Graz: Leykam 2003
- Oskar Achs / Eva Tesar: Viktor Fadrus, Hans Fischl, Carl Furtmüller - Biographie und Bibliographie - Ein kurzer Überblick. In: Archiv. Mitteilungsblatt des Vereins für Geschichte der Arbeiterbewegung 3 (1984), S. 11-24
- Wilhelm Weinhäupl: Pädagogik vom Kinde aus. Viktor Fadrus - ein Leben für die Schulreform. Wien [u.a.]: Jugend und Volk 1981, S. 13 ff.
- 50 Jahre Stadtschulrat für Wien. Hg. von Hermann Schnell unter Mitarbeit der Beamten des Stadtschulrates. Wien [u.a.]: Jugend und Volk 1972
- Karl F. Stock / Rudolf Heilinger / Marylène Stock: Personalbibliographien österreichischer Dichter und Schriftsteller von den Anfängen bis zur Gegenwart. Pullach [Isartal]: Verlag Dokumentation 1972
Viktor Fadrus im Katalog der Wienbibliothek im Rathaus.