Wiener Bauhütte
48° 12' 36.51" N, 16° 22' 36.93" E zur Karte im Wien Kulturgut
Im Mittelalter lag der Bau von Kirchen und Klöstern zunächst in der Hand erfahrener Mönche oder Laienbrüder, die in der klösterlichen Gemeinschaft tätig waren. Die Bettelorden ließen sich bei der Bauplanung von sachverständigen Werkstattverbänden beraten, die im 14. Jahrhundert ihre erste Blüte erlebten; erst in der Spätzeit der deutschen Romanik bezeichnete man sie als Bauhütten. Ihre klösterliche Herkunft zeigt sich in der religiösen Haltung der Steinmetzbruderschaften, die unabhängig von Bauvorhaben bestanden.
Seit dem Hüttentag zu Regensburg am 15. April 1459 gab es vier Haupthütten (Straßburg, Köln, Bern und Wien, das für die südöstlichen Gebiete zuständig war); eine fünfte Haupthütte entstand (wahrscheinlich bereits 1469) in Passau. Der Bauhütte stand der Meister vor, dem die oberste Bauleitung übertragen war; seine Pflichten und Rechte waren genau umrissen. Dem Meister zur Seite stand der Parlier (Vormeister), zugleich Sprecher der Gesellen (meist rückte er nach dem Tod des Meisters auf dessen Stelle vor). Gesellen konnten nach fünfjähriger Lehrzeit freigesprochen werden; bei dieser Gelegenheit wurde ihnen das Steinmetzzeichen verliehen, das im Hüttenbuch eingetragen wurde.
Die für die mittelalterliche österreichische Baukunst entscheidende Bauhütte war die Dombauhütte von St. Stephan in Wien; sie bestimmte nicht nur die Baugeschichte des Stephansdoms, sondern auch die anderer Kirchen in und in der Umgebung Wiens (etwa Burgkapelle, Perchtoldsdorf, Mödling, Tulln, Deutsch-Altenburg) und dehnte ihren Einfluß bis Westungarn im Osten und Steyr im Westen aus (die dortige Stadtpfarrkirche ist ein Werk Hans Puchsbaums). Um 1460 verlor die Wiener Bauhütte ihre überragende Stellung.
Mittelalterliche Wiener Dombaumeister
- Konrad der Maurer (1359 bis spätestens 1394)
- Ulrich Helbling (frühestens 1393 bis 1400)
- Wenczla (Parier der Ältere?; 1400-1404)
- Peter von Prachatitz (1404-1429)
- Hans von Prachatitz (1429-1435 [oder 1437?])
- Mathes Helbling (1435[?]-1444)
- Hans Puchsbaum (1446-1454 [oder 1455?])
- Laurenz Spenyng(1455-1477)
- Simon Achleitner (1478-1482 [oder 1488?])
- Jörg Kling (1488-1506)
- Jörg Öchsl (1506-1510)
- Anton Pilgram (1510-1515)
- Gregor Hauser (1515-1520).
1564 erhielt Wien eine Hüttenordnung. In den 1627 geschaffenen "Meistertafeln" der Wiener Steinmetzinnung (heute Wiener Landesinnung der Baugewerbe, 1, Wolfengasse 4) sind 399 Steinmetze namentlich aufgezählt. Den Meistern und Gesellen diente die Steinhütte als Werkstätte und Versammlungsraum; es gab auch Dienstwohnungen für den Meister und den Parlier. Die Steinhütte von St. Stephan stand auf einem Teil des Areals des heutigen Churhauses; hier wurden die kostbaren Planrisse aufbewahrt (heute in großer Zahl in der Akademie der bildenden Künste und im Wien Museum).
Literatur
- Mario Schwarz [Hg.]: Die Wiener Hofburg im Mittelalter. Von der Kastellburg bis zu den Anfängen als Kaiserresidenz. Wien: Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften 2015 (Veröffentlichungen zur Bau- und Funktionsgeschichte der Wiener Hofburg, 1), S. 334
- Richard Perger / Walther Brauneis: Die mittelalterlichen Kirchen und Klöster Wiens. Wien [u.a.]: Zsolnay 1977 (Wiener Geschichtsbücher, 19/20), S. 276 ff.
- Statuten der Wiener Bauhütte (1865)
- Hans Voltelini: Die Ordnungen der Wiener Bauhütte. In: Monatsblatt des Vereins für Geschichte der Stadt Wien 7. Wien: Verein für Geschichte der Stadt Wien 1925, 60 ff.